In der Ratsversammlung am 21. Mai soll - nach langer Zeit mal wieder - das "Stadtentwicklungskonzept (STEP) Zentren" eine Rolle spielen. Das Papier gibt es seit 1999. Es wird immer wieder mal fortgeschrieben. Ziel ist es, die Einzelhandelsstruktur in Leipzig zu verbessern. Dabei offenbart die neueste Fortschreibung, dass Teile des Konzeptes nicht so funktionieren, wie sie sollen.

Denn wer in Zentren denkt, schafft vor allem Strukturen für die großen Player, die Betreiber von Supermärkten und Discountern. Ihnen kommen zentrale Strukturen, die auch verkehrlich gut angebunden sind, entgegen. Erst recht, wenn große Flächen zur Verfügung stehen und die Ansiedlung eine direkte Konkurrenz ausschließt.

Aus der Taufe gehoben hat Leipzig das Konzept in einer Phase, als es um den Einzelhandel in der Stadt (noch) nicht wieder rosig aussah. Seit 1990 waren rings um Leipzig riesige Einzelhandelsflächen auf der grünen Wiese entstanden, die die Kaufkraft absaugten und auch in der Leipziger City nicht allzu viel möglich erscheinen ließen. Ein Hoffnungsfunken waren die 1996 eröffneten Promenaden Hauptbahnhof. Dann gab es noch zwei große so genannte B-Zentren in Paunsdorf und Grünau. Also schuf das Leipziger Planungsdezernat ein ganzes Netz aus A-Zentrum (City), B-, C- und D-Zentren. Immer im Bemühen, die Kaufkraft in der Stadt zu halten oder zurückzuholen.

Aber die Steuerung hat ihren Preis. Denn das große Spiel mit den vier- und fünfstelligen Quadratmeterflächen können auch nur die großen Einzelhandelsketten spielen. Sie dominieren mittlerweile 70 Prozent der Flächen im Einzelhandel. Seit 1999, seit Inkrafttreten des STEP Zentren, hat sich ein tiefgreifender Wandel vollzogen.

“Vor diesem Hintergrund hat sich der Einzelhandelsbestand zwischen 1999 und 2013 mit Blick auf die Betriebszahlen (- 14 %) und die Verkaufsflächen (+ 30 %) zunehmend auseinander entwickelt”, heißt es im Monitoringbericht zum Leipziger Einzelhandel, den die Stadträte jetzt auf den Tisch bekommen. “Nach deutlich reduzierten Wachstumsraten in den letzten Jahren stieg aktuell die Verkaufsfläche gegenüber der Erhebung 2010/11 wieder um 5 Prozent bei gleichzeitig leicht rückläufigen Betriebszahlen.”

Was ja wohl im Klartext heißt: In den Zentren haben sich vor allem große Player und Filialen angesiedelt – der kleinteilige Einzelhandel in Leipzig aber verliert jedes Jahr weiter an Boden.

“2012 verfügte Leipzig über 520.800 Einwohner, deren einzelhandelsrelevantes Kaufkraftvolumen 2,50 Mrd. Euro umfasste. Das städtische Kaufkraftvolumen ist seit 2010 sogar noch stärker als die Einwohnerzahl um rd. 10 Prozent angestiegen, da auch die bundesweite einzelhandelsrelevante Pro-Kopf-Kaufkraft und die einzelhandelsrelevante Kaufkraftkennziffer der Stadt Leipzig (2010: 89,5) leicht zugenommen haben. Die einzelhandelsrelevante Kaufkraftkennziffer der Stadt Leipzig liegt mit 90,5 knapp 10 Prozent unter dem Bundesdurchschnitt.”

So steht es im Monitoring-Bericht. Das niedrige Lohnniveau macht sich also auch bei der Kaufkraft bemerkbar.Es gibt auch wieder die berühmten Zahlenspiele mit der so genannten Zentralitätsziffer, die im Bericht mit 102 angegeben wird. Im Bericht auch als “leicht unterdurchschnittlich” bezeichnet. Aber die Zahl ist eine Blase. Sie verdeckt eher die vorhandenen Strukturen, als dass sie sie erhellt. Bei mittelfristigem Bedarf – z. B. Schuhe und Bekleidung – hat Leipzig einen Zentralitätswert von 148. Bei kurzfristigem Bedarf kommen die Autoren nur auf 96. Kaufkraft fließt ab, heißt das. Aber tut sie das wirklich? Und wohin eigentlich? Diese Frage lassen die Autoren offen. Wenn die Stadträte das Papier nur in der im Ratsinformationssystem dargebotenen Form vorgelegt bekommen, sollten sie es eigentlich zurückweisen.

Es fehlt eine komplette Kartendarstellung aller Zentren. Im letzten Monitoringbericht etwa war das “Löwencenter” einfach weggelassen. Weitere große Märkte – wie das Einkaufszentrum Wachau in Markkleeberg spielen natürlich eine Rolle. Leipzig ist mit seinen Nachbargemeinden so eng verzahnt, dass man beim Ermitteln von Zentrenzahlen schon sehr genau aufpassen muss, wohin die Kaufkraft abfließt. Bei Gütern des langfristigen Bedarfsbereiches kommt Leipzig sogar nur auf eine Zentralitätsziffer von 90. Wenn man aber Taucha und Markranstädt mit einrechnet, werden es bei Möbel / Wohneinrichtungen auf einmal 118. Da kann sich also jeder ausrechnen, wie er die Sache lieber sehen möchte: Hat Leipzig mit 840.000 Quadratmetern Verkaufsfläche genug? Oder müssen es noch viel mehr werden?

Ist das überhaupt eine Frage der Stadtpolitik? – Die Grenzen sind fließend. Denn die jahrelange Konzentration auf die großen Zentren – bis hin zur Kaufland-Ansiedlung in zahlreichen D-Zentren in den Stadtteilen – hat gerade da, wo die Nahversorgung für die Leipziger elementar ist, Lücken aufreißen lassen. Zwar hat auch der letzte Monitoring-Bericht schon darauf hingewiesen, dass die Stadt sich besser um die Magistralen kümmern muss. Aber passiert ist in dieser Hinsicht noch nicht viel.

“Allerdings setzt sich die Tendenz fort, dass bei einzelnen D-Zentren teils deutliche Rückgänge bei den Ladengeschäften und Verkaufsflächen festgestellt wurden, die mit den erfassten Leerständen korrespondieren. So fehlten in einigen Zentren zum Zeitpunkt der Erhebung sogar die Magnetbetriebe. Einige Geschäftslagen insbesondere in den Versorgungsräumen Ost, Südwest und Altwest erfüllen gegenwärtig die entsprechenden Mindestanforderungen an ihre Versorgungsfunktion (z. B. Wirkung über den unmittelbaren Nahbereich hinaus) nicht mehr. Die für die Sicherung der wohnungsnahen Grundversorgung ebenfalls wichtigen 23 Nahversorgungslagen haben auch seit 2011 wieder verhältnismäßig hohe Einbußen in ihrem Geschäftsbesatz hinnehmen müssen. Sie sind zum Teil in ihrer Grundversorgungsfunktion geschwächt worden. Hiervon sind auch Magistralenabschnitte betroffen, denen eine hohe städtebauliche und funktionale Bedeutung zukommt”, heißt es im Monitoringbericht.

Und ein Widerspruch ist eklatant: der Versuch, den Verkehrsaufwand minimieren zu wollen, aber immer wieder Bauprojekte mit überdimensionierten Stellplatzangeboten zu genehmigen. Man versuche zwar, das Stellplatzangebot zugunsten besserer Abstellmöglichkeiten für Fahrräder zu minimieren, heißt es. Aber wer sich all die in den letzten zehn Jahren verwirklichten Neubauprojekte anschaut, sieht ein wachsendes Angebot an Stellplätzen. Eine direkte Einladung an die Leipziger, ihre Einkäufe eben nicht fußläufig und wohnortnah, sondern mit dem Pkw zu erledigen. Was zwei Folgen hat: Den in den letzten Jahren gestiegenen Anteil von Autofahrten an den Einkaufswegen. Und den Verlust von Einkaufsstrukturen in eh schon problematischen Lagen wie Knauthain, Lausen, Gohlis-Nord.

Das Zentren-Denken der Stadt hat jetzt eine weitere Folge, die auch zeigt, welche Spiele man eigentlich mit dem Wilhelm-Leuschner-Platz spielt: Das ganze Gebiet um die ehemalige Markthalle soll dem A-Zentrum City angegliedert werden.

In der Vorlage für den Stadtrat heißt es dazu: “Mit dem Citytunnel und der S-Bahnstation Wilhelm-Leuschner-Platz soll sich auch dieser Standort zukünftig zum südlichen ‘Eingangstor’ in das Leipziger Stadtzentrum entwickeln. Darüber hinaus fungiert der Bereich auch als Bindeglied zwischen dem durch eine hohe Einwohnerdichte geprägten Süden (Stadtteilzentrum Peterssteinweg/Karl-Liebknecht-Straße) und der City. Deshalb wurde es erforderlich, sowohl die bisher eher perspektivischen Nutzungsoptionen als auch die städtebaulich-funktionale Integration des Standortes in das A-Zentrum zu klären. Die entsprechende Gestaltungs- und Nutzungskonzeption für den Gesamtstandort Wilhelm-Leuschner-Platz sieht im östlichen Teilbereich des Platzes eine nutzungsadäquate, gemischte Struktur mit dem integrierten Baustein Markthalle vor. Entsprechend den Zielstellungen wird der Standort Wilhelm-Leuschner-Platz in die zukünftige Abgrenzung des zentralen Versorgungsbereiches Stadtzentrum integriert.”

Monitoring zum Leipziger Einzelhandel 2013: http://notes.leipzig.de/appl/laura/wp5/kais02.nsf/docid/B19AAAB05BDDD68FC1257CB30029653A/$FILE/V-ds-3726-anlage-1.pdf

Die geplanten Änderungen im STEP Zentren: http://notes.leipzig.de/appl/laura/wp5/kais02.nsf/docid/B19AAAB05BDDD68FC1257CB30029653A/$FILE/V-ds-3726-text.pdf

Die geplante Erweiterung des A-Zentrums City: http://notes.leipzig.de/appl/laura/wp5/kais02.nsf/docid/B19AAAB05BDDD68FC1257CB30029653A/$FILE/V-ds-3726-anlage-3.pdf

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