Eigentlich sah schon das Jahr 2012 wie ein Rekordjahr bei den Leipziger Stadtwerken aus. Mit 74 Millionen Euro überwiesen sie ein Rekordergebnis an die Stadtholding LVV. Aber in der Summe steckte natürlich ein Teil des Erlöses der beiden verkauften Stadtwerke-Töchter Perdata und HL komm. Wirklich draufgepackt haben die SWL erst 2013. Für dieses Abrechnungsjahr legten sie jetzt 67 Millionen Euro vor - trotz geringerer Umsätze.

Es ist auf das beste operative Ergebnis in der Unternehmensgeschichte zurückzuführen, betont die Konzernmutter LVV. Man hat also wieder mal sehr klug mit Strom gehandelt. Und mit Fernwärme. Der lange kalte Winter 2013 hat vor allem den Absatz von Fernwärme deutlich erhöht: “Positiv auf den Fernwärmeumsatz haben sich im Geschäftsjahr 2013 Witterungseffekte ausgewirkt: Die Witterung war gegenüber dem Vorjahr insgesamt kühler”, meldet die LVV.

Im Geschäftsbericht ist es dann noch etwas genauer zu lesen: “Witterung deutlich kühler: Im Geschäftsjahr 2013 war die Witterung gegenüber dem Vorjahr erneut insgesamt kühler. Die Gradtagszahl als Indikator für den Heizenergiebedarf lag für das Jahr 2013 mit 8,0 % wiederholt über dem Vorjahreswert. Die Jahresmitteltemperatur in Leipzig lag bei 9,7 °C und damit 0,6 °C unter dem Vorjahreswert von 10,3 °C. In der Region Pommern waren ähnliche Witterungsbedingungen zu verzeichnen.”

Pommern deshalb, weil die Stadtwerke dort – mittlerweile erfolgreich – an der Danziger GPEC beteiligt sind.

Da sind dann die Umsatzerlöse der Stadtwerke Leipzig gegenüber dem Vorjahr zwar um 19,7 Prozent auf 3.226,3 Millionen Euro gesunken. Doch dieser Rückgang basiert insbesondere auf den gesunkenen Strompreisen am Großhandelsmarkt und dem regulierungsbedingten Rückgang im Terminhandel mit Energiebrokern. Im Energiehandel gewinnen europäische und deutsche Richtlinien immer mehr an Bedeutung. Heißt auch für die Stadtwerke Leipzig: Aus einigen dieser Großmarktgeschäfte haben sie sich 2013 bewusst zurückgezogen.

Das senkte dann die gehandelte Menge im Großhandel Strom von über 58.810 Gigawattstunden auf 52.784, bei Gas von 12.070 GWh auf 4.255.

Dafür konnten die Stadtwerke ihr Privatkundengeschäft stabilisieren, sogar leicht steigern. So wurden 2013 insgesamt 257.987 Stromkunden versorgt (Vorjahr: 251.809), 24.424 Verbrauchstellen wurden mit Erdgas versorgt (Vj.: 25.525) und 5.437 mit Fernwärme (Vj.: 5.338). Bei Strom bedeutete das nicht unbedingt mehr Absatz, denn 2013 hat sich der Wettbewerb auf dem Privatkunden-Strommarkt noch weiter verschärft. Mittlerweile tummeln sich über 140 Mitbewerber auf dem Leipziger Markt.

Aber an diesen verschärften Wettbewerb haben sich die Stadtwerke schon gewöhnt. Sie reagieren darauf mit Bestpreis-Angeboten, die von ihren Leipziger Kunden augenscheinlich auch gern genutzt werden.
Schwerer zu schaffen machen den SWL die Zitterpartien der deutschen Politik in Sachen Energiewende. “Die nach wie vor nicht geklärten politischen Rahmenbedingungen, die sich wandelnden Marktstrukturen, die schwankenden Strom- und Brennstoffpreise sowie insbesondere die energiepolitischen und regulatorischen Bedingungen haben die Stadtwerke Leipzig auch im Geschäftsjahr 2013 vor unternehmerische Herausforderungen gestellt”, formuliert die LVV dieses Thema.

Bei den regulatorischen Eingriffen im Großhandel konnten die Stadtwerke reagieren und haben einige Geschäfte schlicht beendet, was zwar den Umsatz deutlich senkte – aber auch die möglichen Risiken.

Dafür schlugen die gesunkenen Strompreise und die gestiegenen Erdgaspreise voll auf den Betrieb der Gas-und-Dampf-Turbinen-Anlage in der Eutritzscher Straße durch. Im Geschäftsbericht heißt es lapidar: “Im Vergleich zum Vorjahr erzeugte das GuD-KW Leipzig weniger Energie. Getrieben durch die Entwicklung der Marktpreise sanken die Stromerlöse im Vergleich zum Vorjahr. Auch die Fernwärmeerzeugung lag unter dem Vorjahr, da das Kraftwerk angesichts der gestiegenen Beschaffungspreise für den Einsatzstoff Erdgas weniger thermische Energie erzeugte.”

Was dann auch den Einkauf von Fernwärme aus dem (Kohle-)Kraftwerk Lippendorf wieder sinnvoller erscheinen lässt: Der Preis für Kohle ist 2013 drastisch gesunken.

Aber um mit der GuD-Anlage bei so einem Marktumfeld überhaupt noch sinnvoll agieren zu können, musste sie wesentlich flexibler werden. Also wurde sie 2013 weiter umgebaut: “Die Stadtwerke Leipzig haben im Jahr 2013 die umfangreiche Modernisierung des GuD-KW Leipzig fortgeführt. Dabei wurde die Effizienz im Dampfprozess erhöht und die Leittechnik modernisiert. Nach der Heizperiode 2013/2014 wird mit dem Umbau der Regelung des GuD-KW Leipzig die Modernisierungsmaßnahme im Frühjahr 2014 abgeschlossen. Mit schnellen Laständerungen kann die Anlage künftig zunehmende Schwankungen der Photovoltaik- und Windeinspeisungen besser ausgleichen.”

Dazu kommt der Preisverfall bei Emissionszertifikaten. Weil der europäische Markt damit regelrecht geschwemmt ist, senkt das vor allem den Preis von Kohlestrom. Wer aber seine Anlage nicht richtig hochfahren kann (wie die GuD-Anlage der SWL), bleibt auf einem Berg von Zertifikaten sitzen und die gute Frage im Jahresabschluss heißt: Was ist der Berg nun noch wert? – Immerhin geht es um Zertifikate, die die Stadtwerke Leipzig berechtigen, 365.278 Tonnen CO2 auszustoßen. Der Marktwert betrug am 31. Dezember 2012 immerhin 1,837 Millionen Euro. Was nicht viel nutzt, wenn derzeit kaum jemand in Europa dringend CO2-Zertifikate kaufen muss. Also kamen sie mit einem “Erinnerungswert” von 1 Euro in die Bilanz.

Einen anderen Umbau haben die Leipziger kaum mitbekommen: Die Ausgliederung der Netze aus dem SWL-Konzern in eine eigens gegründete Tochterfirma Netz Leipzig GmbH.

Ansonsten versuchen die Stadtwerke, irgendwie mit dem umzugehen, was die letzten beiden Bundesregierungen aus der “Energiewende” gemacht haben. Viele noch vor Jahren geplanten Großvorhaben sind auf Eis gelegt. “Die holen wir irgendwann bestimmt wieder raus, wenn sich die Sache beruhigt hat”, sagt LVV-Geschäftsführer Volkmar Müller. “Aber jetzt ist einfach nicht dran zu denken.”

Also versuchen die Stadtwerke die Energie-Autarkie Leipzigs derweil zu verbessern: Erstens wurde der für die Versorgung Leipzigs wichtige Fernwärmeliefervertrag mit Vattenfall Europe Generation AG neu vereinbart (das ist die Fernwärme aus Lippendorf), listet die LVV dazu auf, zweitens baut das Unternehmen seinen ersten thermischen Speicher (auf dem Gelände Arno-Nitzsche-Straße) und drittens wird es im Nordosten der Stadt eine weitere Wärmeerzeugungsanlage errichten. Nicht zu vergessen Einzelprojekte wie das Blockheizkraftwerk, das die Leipziger Messe autonomer macht.

Weitere Tochterunternehmen oder auch nur Teile des Unternehmens stünden derzeit nicht zum Verkauf, sagt LVV-Geschäftsführer Dr. Norbert Menke. Man prüfe zwar im Rahmen des Konzernumbaus jeden Baustein, aber derzeit stehe derlei nicht auf der Tagesordnung.

Das Unternehmen ist also ein bisschen zwischen Baum und Borke. Die in der Vergangenheit lukrativen Geschäfte an den Börsen sind mittlerweile in Teilen zu brisant geworden. Der Privatkundenmarkt hat sich stabilisiert – kann aber auch Einbußen bringen, wenn die harten Winter mal ausbleiben. Die polnische Tochter GPEC produziert mittlerweile ordentliche Gewinne. Da denke auch niemand an Verkauf, sagt Norbert Menke.

Die Investitionen in eine alternative Energielandschaft aber liegen vorerst sämtlich auf Eis. “Erst mal abwarten”, lautet die Devise. Denn so lange die Bundespolitik keine Linie erkennen lässt, kann hier jede Investition die falsche sein.

Bleibt die wichtige Rolle als Energiedienstleister in Leipzig – die 2013 ja unter anderem mit dem Marketingpreis des Leipziger Marketing-Clubs gewürdigt wurde. Hier ist man zwar nicht wirklich allein, aber zuversichtlich. Oder mit den Worten der LVV: “Dem preisaggressiven Wettbewerb stellen sich die Stadtwerke Leipzig als serviceorientiertes Unternehmen mit einem attraktiven Komplettangebot.”

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