Am Mittwoch, 23. Oktober, stellte die IHK zu Leipzig ihre Herbstumfrage zur Konjunkturerwartung der Leipziger Unternehmen vor. - Und es ist nicht nur die exportorientierte Industrie, die so langsam Bauchschmerzen bekommt. In sämtlichen Branchen sind die Lageeinschätzungen weniger optimistisch als noch im Frühjahr. Ausnahme sind der Einzelhandel (der vom Weihnachtsgeschäft träumt) und das Tourismusgewerbe (dito).

Die Verfassung der gewerblichen Wirtschaft im IHK-Bezirk Leipzig (Stadt Leipzig, Landkreise Nordsachsen und Leipzig) präsentiert sich im Herbst 2014 zwar noch immer gut, schätzt die IHK ein. Allerdings hat sich das konjunkturelle Klima über den Sommer merklich abgekühlt. Dies zeigt sich in den nach unten revidierten Geschäftsprognosen einer aktuellen Konjunkturbefragung der Industrie- und Handelskammer (IHK) zu Leipzig.

“Insbesondere die Vielzahl der geopolitischen Spannungen und deren Auswirkungen auf den Welthandel beginnen, sich in einigen Wirtschaftsbereichen bereits negativ auf die Geschäftstätigkeit der Unternehmen auszuwirken und belasten auch das Vertrauen in die zukünftige Konjunkturentwicklung spürbar”, begründet Andreas Heilmann, Vizepräsident der IHK zu Leipzig, die Ergebnisse.

Aktuell beurteilen 43 Prozent der Firmen ihre Lage mit gut. Nur 9 Prozent sind unzufrieden. Aber irgendwie ist, seit der Ukraine-Konflikt kocht, der Wurm drin. Der Saldo sinkt im Vergleich zum Frühjahr um 4 auf +34 Punkte. “Ein im langjährigen Vergleich immer noch sehr gutes Ergebnis, was die insgesamt stabile Verfassung der regionalen Unternehmen unterstreicht”, so Andreas Heilmann weiter.

Aber wenn es um die Erwartungen für die nächsten Monate geht, dann wird die Stimmung flau. Der Geschäftsausblick der Unternehmen zollt der Vielzahl an geopolitischen Krisenherden Tribut und fällt gegenüber den vergangenen Umfragen kräftig. So rechnet nur noch ein gutes Fünftel der Firmen mit einer besseren und 13 Prozent mit einer schlechteren Geschäftslage. Der Saldo hat sich dadurch auf +8 Punkte mehr als halbiert. Damit dürfte sich die konjunkturelle Dynamik und infolgedessen auch das Wirtschaftswachstum verringern. Vor allem die Exporterwartungen zeigen nach einer kurzen Erholungsphase wieder nach unten.

Andreas Heilmann: “Neben außenwirtschaftlichen Problemen wirken auch die steigenden Arbeitskosten stimmungsdämpfend. Vielen kleineren Unternehmen insbesondere im Handel, Gast- und Verkehrsgewerbe bereitet vor allem der Mindestlohn Sorgen.”

Das könnte man jetzt als das übliche Lamento der Gastwirte abtun. Aber ein großer Teil der Leipziger Gastronomie funktioniert vor allem, weil das Personal flexibel und zu recht niedrigen Tarifen eingesetzt werden kann. Das ergibt dann zwar eine beliebte “Kneipenszene”. Aber niemand weiß, wie es sich auswirkt, wenn die dann ab Januar höheren Personalkosten auf die Getränke- und Speisenpreise umgeschlagen werden. Denn die meisten Leipziger können sich, so wie “Spiegel Online” am Mittwoch für ganz Deutschland titelte, “das Sparen nicht mehr leisten”. Heißt natürlich auch: Extra-Geld für höhere Gaststättenkosten haben die wenigsten in der Tasche. Da könnte dann durchaus auch die Zahl der Gaststättenbesuche zurückgehen, wenn das gleiche Geld zum Partymachen ausreichen soll.

Aber gerade das Gastgewerbe hat sich schon sichtlich auf den 1. Januar eingerichtet und so stark wie keine andere Branche die Investitionskosten in den Keller geschraubt. Lieber Geld in Reserve haben, wenn das Ding mit dem Mindestlohn schief geht, als eine frisch sanierte Gaststätte.Und in den anderen Branchen ist das Investitionsklima nun seit ein paar Jahren sowieso mau. Die Investitionsaktivitäten der gewerblichen Wirtschaft kommen auch 2014 nicht in Gang. Der Saldo aus Unternehmen mit steigenden bzw. sinkenden Investitionsausgaben fällt weiter von +8 auf +6 Punkte und liegt damit noch unter dem schwachen Ergebnis des Vorjahres. Die geringe Investitionsneigung der Unternehmen kann somit keine zusätzlichen Wachstumsimpulse geben, schätzt die IHK ein. Heilemann sagt es noch kritischer: “Gerade in der Industrie erfüllt mich die Investitionszurückhaltung mit Sorge.” Denn das heißt auch, dass der Mittelstand nicht weiter wächst und auch die Wertschöpfung in der Region nicht zulegt.

Die Personalplanungen der Unternehmen haben sich gegenüber dem Frühjahr faktisch kaum verändert. Das Positive daran: Damit wirken sich die gedämpften Geschäftserwartungen bisher nicht negativ auf die Einstellungsbereitschaft der Unternehmen aus. Drei Viertel der Firmen wollen keine personellen Änderungen vornehmen. 16 Prozent planen Personalzuwächse und 9 Prozent wollen weniger Mitarbeiter einstellen.

Der große Personalbedarf hat freilich vor allem mit dem starken Ausbau des Leipziger Dienstleistungssektors zu tun. Man denke nur an die stark wachsende Pflegebranche. Gleichzeitig kämpft die Leipziger Wirtschaft mit einem zunehmenden Fachkräftemangel, der eher wenig mit den verfügbaren freien Arbeitskräften zu tun hat, dafür eine Menge mit ihrer Qualifikation oder der Ausbildungsfähigkeit. Und weiterhin produziert die sächsische Schule 10 Prozent Schulabgänger, die erst einmal keinen Abschluss haben und so nicht ausbildungsfähig sind.

Die direkte Folge: 31 Prozent der befragten Unternehmen haben mittlerweile Probleme, die freien Ausbildungsplätze zu besetzen (im Frühjahr waren es 27 Prozent).

Folgerichtig wird der Fachkräftemangel immer mehr zum Sorgenkind der Unternehmen. Mittlerweile hat er auch das langjährige Sorgenkind “Kraftstoffpreise”, das 29 Prozent der Befragten Kummer macht, hinter sich gelassen. Mittlerweile sehen 35 Prozent der Unternehmen im Fachkräftemangel ein Risiko. Darüber rangieren freilich noch vier andere Risikoposten: die Arbeitskosten (Stichwort Mindestlohn) bei 46 Prozent der Unternehmen, die Inlandsnachfrage (44 Prozent), die Energiepreise (41 Prozent) und die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen (41 Prozent).

Zum Mindestlohn gibt es zwar zumindest Prognosen. So verweist IHK-Experte Dr. Gerd Ziemer auf das vom sächsischen Wirtschaftsministerium beauftragte ifo-Gutachten, das für Sachsen rund 1 Prozent der Arbeitsplätze vom Mindestlohn gefährdet sah: 30.000 bis 60.000. Wobei es ja in Sachsen zwei Arbeitsmärkte gibt: einen mit vollwertigen und sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, wo rund 14.000 Arbeitsplätze betroffen sein könnten (14.000 von 1,4 Millionen), und den ebenso großen zweiten Arbeitsmarkt, wo all die Sondermodelle von Arbeitsmarktinstrumenten zum Einsatz kommen. Da gibt es vor allem etliche Dienstleister, die bei Einführung des Mindestlohns sofort betroffen wären. Die Frage ist am Ende immer, ob die höheren Personalkosten dann auch über die Preise an die Kunden weitergegeben werden können – oder nicht.

“2015 wird das große Jahr der Erkenntnis”, sagt Heilemann.

An der Konjunkturbefragung im Herbst 2014 im IHK-Bezirk Leipzig beteiligten sich 649 Unternehmen aller Branchen und Größenklassen mit insgesamt mehr als 34.000 Beschäftigten. Der ausführliche Ergebnisbericht inklusive einer Auswertung der einzelnen Wirtschaftsbereiche zum Download unter:

www.leipzig.ihk.de

Der “Spiegel Online”-Beitrag: “Altersvorsorge: Viele Deutsche können sich das Sparen nicht mehr leisten”: www.spiegel.de/wirtschaft/service/altersvorsorge-viele-deutsche-koennen-sich-sparen-nicht-mehr-leisten-a-998676.html

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