Der „Tag des Toilettenpapiers“ am 26. August soll die Menschen vor allem sensibilisieren: Der Missbrauch des Klos als Entsorgungsort für Hinterlassenschaften, die dort nicht hingehören, beschert den Wasserwerken immer wieder Havarie-Einsätze im Kanalnetz. Heute bot sich nun die Möglichkeit, diese sonst so nahe, aber nicht sichtbare Unterwelt mal ganz aus der Nähe zu betrachten.

Skurrile Gegenstände hat Sven Lietzmann schon so einige aus der Leipziger Kanalisation geborgen: In seiner beruflichen Anfangszeit in den neunziger Jahren waren es öfter Autoreifen und Schlauchboote, dann auch Spritzen Drogenabhängiger, erzählt der 47-Jährige, der sogar schon lebende Blindschleichen oder Füchse aus der Unterwelt gerettet und wieder nach oben gesetzt hat. Lietzmann ist erst seit Mitte 2025 Fachbereichsleiter Kanalnetz bei den Leipziger Wasserwerken.

Sven Lietzmann. Foto: Lucas Böhme
Sven Lietzmann (47) verbrachte sein ganzes bisheriges Berufsleben bei den Leipziger Wasserwerken und ist hier seit Mitte 2025 Fachbereichsleiter Kanalnetz. Foto: Lucas Böhme

Er begann beim selben Arbeitgeber aber schon vor 30 Jahren als Maurer-Lehrling mit Schwerpunkt Kanal- und Schachtbauwerke, arbeitete sich hoch, ist heute für das ganze Leipziger Kanalnetz zuständig. Das existiert in seiner jetzigen Bauweise seit der Industrialisierung im ausgehenden 19. Jahrhundert, umfasst aktuell rund 2.900 Kilometer, davon sind etwa 300 begehbar.

Nun steht Lietzmann mit Schutzanzug und Gummistiefeln mitten im gemächlich fließenden Wasser, das sich seinen Weg bahnt, und beantwortet bei der Presseführung die neugierigen Reporterfragen. Das geruhsame Plätschern hier unten kann übrigens trügerisch sein – im Fall von Starkregen füllt sich der Abfluss schnell und kann Kanalarbeiter in Lebensgefahr bringen.

Gleiches gilt für Giftgase wie etwa Methan, weswegen diejenigen, die beruflich hier unten zu tun haben, stets nur im Team und mit Messgerät die abgeschottete Unterwelt der Großstadt betreten dürfen.

Wenn missbräuchliche Entsorgung ins Klo zu Havarien führt

Wir befinden uns wenige Meter unterhalb der Straße im Bereich des Wagnerplatzes am Leipziger Zentrum. Mit Kleidung und Schutzanzug fühlt es sich warm an, dazu kommt der etwas gewöhnungsbedürfige, faule Geruch der fließenden Brühe. Kein Wunder, denn hier ist noch nichts gefiltert, alles sammelt sich an, was in einer Großstadt wie Leipzig anfällt: Exkremente, Essensreste, Müll aller Art. Dies wird Richtung Klärwerk geleitet.

Die Teilnehmer der Führung brauchen Umsicht und Trittsicherheit, alles ist beengt und dunkel. Dazu begleitet uns ein unheimliches Röhren im langen Schacht – das Geräusch des Straßenverkehrs oberhalb. Man gewöhnt sich dran. Viel wichtiger an diesem sogenannten „Tag des Toilettenpapiers“ ist für die Wasserwerke ein ganz anderer Appell: Ins Klo gehören tatsächlich nur menschliche Ausscheidungen und konventionelles Toilettenpapier, ansonsten nichts, betont Sven Lietzmann.

Die Realität freilich sieht nicht allein in Leipzig anders aus: Immer wieder werden Nahrungsreste, Öle, Feuchttücher, Hygieneartikel, Katzenstreu oder Medikamente kurzerhand das Klo heruntergespült, obwohl dies Verstopfungen im Kanalnetz verursacht.

Hohe Kosten und Kapazitäten durch sogenannte Zöpfe

Anders gesagt: Es kommt zu Zusammenballungen, sogenannten Zöpfen, die mitunter auch Pumpen blockieren. Lietzmann und seine Kollegen müssen sich dann, oft mehrfach im Monat, zeitnah um die Reinigung kümmern, was massiven Aufwand und Kosten verursacht. Ein ekliger und ärgerlicher Umstand, der durch angepasstes Entsorgungsverhalten der Leipzigerinnen und Leipziger weitgehend vermeidbar wäre.

Dabei gibt es ja auch noch ganz andere Themen in seinem Job, wie Lietzmann gegenüber der LZ erzählt: Während er früher an der Basis noch jeden Tag herausfuhr und sich um andere Bauwerke kümmerte, muss er in seiner Position heute mehr Ansprüche unter einen Hut kriegen. Er und sein Team sollen effizient wirtschaften, dazu möglichst preiswert, flexibel und schnell sein.

Ein Job für die Zukunft

Kontakte zu Kommunen und Kunden wollen gepflegt sein, und in der heutigen Zeit stellt die grundsätzliche Instandhaltung des Kanalnetzes und dessen Auslegung auf häufigere Situationen wie Starkregen wieder völlig neue Anforderungen an die Zukunft, so Lietzmann. Dazu kommt die Thematik der sogenannten Schwammstadt, die besagt, Regenwasser statt einer Ableitung über die Kanalisation direkt vor Ort zu bewirtschaften.

Auch der Einsatz von KI und Digitalisierung bedeutet einen Umbruch, der an den Wasserwerken keineswegs vorbeigeht. Sven Lietzmann jedenfalls ist sich sicher: „Ich denke, das wird auch die nächsten 50, 60 Jahre ein spannender Job sein.“

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