Was passiert eigentlich, wenn eine Grafikerin wie Yvonne Kuschel, die mit Vorliebe das Zeichenmaterial von Kindern verwendet (Buntstifte und Filzstifte), selbst einmal eine Geschichte erzählt, die sie auch illustriert? Über einen gelben Hund und eine grüne Katze beispielsweise? Eine Beziehungsgeschichte natürlich. Was denn sonst?

Auch wenn Hund in diesem Fall kein Herrchen hat und Katze keine Besitzerin. Aber braucht es das überhaupt, wenn beide in einer durchaus geheimnisvollen Landschaft ihren Berg haben und dort ihr Leben leben? Gelber Hund hat sich seinen Berg durch eifriges Scharren wohlig eingerichtet, ist aber eben ganz Hundemann und neugierig auf alles, was draußen passiert. Und besonders interessant ist es ja, wenn Weibliches passiert. Oder gar Katze. Dann spitzt sich die Nase und der Hundetrieb erwacht: Da muss einer rauskriegen, woher Katze kommt, was Katze macht und vor allem – was  sie macht, wenn sie sich nicht blicken lässt.

Kommt einem das irgendwie bekannt vor?

Yvonne Kuschel kennt das Leben. Das der Menschen und das der Tiere. Eine Katze ist eindeutig erste Testleserin gewesen (Beweisfoto auf der Website der Künstlerin, die seit ihrer Professur für Zeichnen an der HGB in Leipzig lebt. Mit Familie wohlgemerkt, Katze eingeschlossen.). Dass sie mit Faserstiften anders umzugehen weiß als die üblichen Ausmalanfänger, ist unübersehbar. Für sie sind die knalligen Farbstifte der Einstieg in eine farbkräftige Phantasiewelt, in der Hunde und Katzen durchaus ihre eigenen Wege gehen. Besonders in Nächten, in denen der Mond scheint und gelbe Hunde für gewöhnlich das große Runde am Himmel ansingen. Eine völlig unverständliche Verhaltensweise aus Katzensicht. Und – was ein Hund nicht weiß: Katzen machen sich nichts aus Hunden und sind auch nicht neugierig darauf zu erfahren, was Hunde so anstellen. Sie leben in ihrer eigenen Welt.

Wissen wir es wirklich? Kaum. Wir geheimnissen ja gern und interpretieren tierisches Tun aus menschlicher Perspektive. Gerade, was Katz und Hund betrifft. Und so kommt die Geschichte sehr bald ins Schweben. Erzählt die Malerin tatsächlich nur von Tieren oder vom Eigentlichen, dem, was Menschen aneinander so neugierig macht? Männer vor allem, die nicht mal Angst bekommen, wenn sie der Geheimnisvollen nächstens in geheimnisvolle Gärten folgen. Das war doch so gedacht, oder? Warum sonst sollten Frauen geheimnisvoll tun und sich geheimnisvolle Welten zulegen? Wollen sie denn nicht aufgestöbert sein?

Und was soll schon passieren, als dass ein gelber Hund ihm Unbekanntes entdeckt, Fremdes? Und gar noch lernt, völlig Unverhofftes zu tun? Sind Frauen nicht deshalb phantastisch, weil sie die Männer dazu bringen, ohne auch nur einmal Mauz sagen zu müssen? Gelbe Hunde wachsen an solcher Stelle über sich hinaus, entdecken völlig neue Seiten an sich und werden dann meist auch ganz überraschenderweise zum Retter in der Not. Also eine Parabel?

Wenn man das zugesteht, ist es eine schöne Geschichte über Beziehungskisten der üblichen-unüblichen Art, fein beobachtet und erlebt. Hund und Katz auf die phantasievolle Art – mit lauter kleinen Nuancen, die man in den üblichen Liebesromanen selten bis nie findet. Vielleicht, weil die meisten Leute von Anziehung und den ganzen Vor-und-Neben-Tönen in Beziehungskisten keine Ahnung haben. Vom Erfahren der ganzen Chose aus der Sicht der Anderen schon gar nicht. In den üblichen langweiligen Romanzen hätte Katze nach erfolgter Rettung verträumt am Krankenbett des gestürzten Helden gesessen und Schmalz erzählt. Oder Käse.

Aber diese Katze hat ein Gewissen. Und wer ein Gewissen hat, kann sich mächtig schämen. Und traut sich dann dem Retter doch lieber nicht wieder unter die Augen.

Und am Ende? Da wird in diesem Fall nicht abgeblendet, sondern noch ein Stück weitererzählt. Denn eigentlich ist es ja eine von den vielen, vielen Doch-nicht-Geschichten, die Mensch und Hund so passieren. Der Held der Geschichte, der die faszinierende Grüne Katze eben doch nicht zur Freundin bekommen hat (manchmal will man (mann) ja wirklich nicht mehr), ist trotzdem nicht zu Tode betrübt, zieht auch in keinen Krieg, um sich totschießen zu lassen, sondern freut sich der neuen Talente, die er entdeckt hat, als er der Grünen Katze nachjagte.

Und wenn man so die vorletzte Szene genauer beschaut (die die Autorin nicht in ein Bild verwandelt hat), dann hat es auch die Katze nicht ganz ungerührt gelassen, was da geschah. Aber manchmal geschehen Geschichten eben doch nur beinah, und dann kneift eine oder einer, zieht den Schwanz ein und tut so, als hätte es sie oder ihn nicht die Bohne gejuckt. Jede und jeder hat so ungefähr zwölf oder ein Dutzend solcher Beinah-Geschichten erlebt, Geschichten, die man eigentlich nicht erzählen kann, weil man meistens nie erfährt, wie die andere Hälfte der Story eigentlich abgelaufen ist.

Eine Beinah-Geschichte für alle, die bei Vollmond nicht schlafen können.

Yvonne Kuschel Gelber Hund, grüne Katze, Kunstanstifter Verlag, Mannheim 2015, 19 Euro.

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