Wenn Autorinnen und Autoren in die Rollen berühmter historischer Persönlichkeiten schlüpfen, dann ist das immer auch ein Versuch des Unmöglichen. Selbst dann, wenn das Leben der Person so gut erforscht ist wie das der Katharina von Bora, die 1525 den berühmten Martin Luther heiratete. Gleich in der Einleitung stellt es Christiane Dalichow ja bedauernd fest: Ihre Briefe an Martin sind nicht überliefert.

Man überliest diesen Frust beinah, der vielleicht auch Uwe Birnsteins Frust ist – der Theologe und Autor steht hinter dem Konzept der beiden Personenbändchen über Martin Luther und Katharina, in denen die bekannten Wittenberger Darsteller Bernhard Naumann und Christiane Dalichow in die Rolle der beiden Personen schlüpfen, die sie auch regelmäßig darstellen. Sie stehen im Stoff, erklären ja Wittenbergs Gästen die Stadt der Luther-Zeit anschaulich und direkt an den originalen Orten. Die anders aussahen. Darauf kommt Dalichow ganz am Ende des Bändchens auch zu sprechen. Das Wittenberg der Luther-Zeit sah anders aus, wesentlich dörflicher, war aus Holz, Lehm und Stroh gebaut. Schloss, Schlosskirche und Schwarzes Kloster waren damals regelrecht moderne Steinbauten, die auch entsprechend auffielen.

Aber wer war eigentlich Katharina Luther?

Wir wissen es nicht, können es bestenfalls ahnen. Am besten erforscht ist ihre Rolle als Hauswalterin in Luthers Haushalt, die das Kloster zu einem funktionierenden Familienbetrieb machte und dafür sorgte, dass Luther in seinen letzten 21 Lebensjahren tatsächlich ein glückliches Familienleben führen konnte.

Seine Freude und sein Stolz auf Frau und Kinder sind überliefert. Und dass er zu Katharina auch ein für seine Zeit fast ebenbürtiges Verhältnis pflegte, ist aus seinen Briefen ablesbar – auch wenn man sie natürlich auch ein wenig anders lesen kann: Als die Freude eines Mannes, der endlich gut versorgt wird und froh ist, dass er die ganze Arbeit daheim der durchaus fordernden Katharina überlassen konnte.

Deswegen erscheint die Frau, die 1523 so spektakulär mit zehn Gefährtinnen aus dem Kloster „Marienthron“ in Nimbschen flüchtete, auch vorwiegend als die große Managerin eines eindrucksvollen Haushalts.

Aber in der Erzählung über Katharinas Jahre im Kloster Brehna und später in „Marienthron“ geht Christiane Dalichow auch darauf ein, dass Katharina als Nonne eben auch Lesen und Schreiben lernte. Sie war schon deshalb unter den Frauen ihrer Zeit etwas Seltenes. Aber ihre Briefe fehlen. Wir wissen nicht wirklich viel über ihr Denken, über ihre „theologischen Gespräche“ mit Martin. Das ist alles nur durch Martins Briefe und die Tischgespräche gespiegelt, wo Katharina augenscheinlich öfter vom Hausherrn ermahnt werden musste, sich nicht einzumischen. Weil sie wagte, ein paar Worte zu äußern? Oder doch, weil sie sich nicht zurückhalten und mitreden wollte, wenn Luther und seine Freunde über Gott und die Welt diskutierten?

Fühlte sich der große Reformator tatsächlich so oft bevormundet durch die Frau, die er anfangs aus reinem Pragmatismus heiratete und dann trotzdem liebgewann? Richtig lieb. Was etwas heißen will. Denn in seinen Briefen spiegelt sich eine selbstbewusste Frau, eine, die er für fähig hielt, auch ohne Vormund das komplette Erbe anzutreten.

Da hat sich zwar ein Katharina-Bild herausgeformt, das einigermaßen zu stimmen scheint und mit dem Christiane Dalichow in Wittenberg auch zeigen kann, wie vorbildhaft diese Ehe von Martin und Katharina für die Zeit wurde. Diese Ehe war ein Signal, das genauso zu den Lutherschen Veränderungen gehört wie Luthers Schriften selbst. Und gerade diese kleinen Stellen, die Dalichow bewusst zitiert, lassen ahnen, dass die gebildete Frau sich allein mit der Rolle der Hauswirtschafterin nicht abfinden wollte. Gerade sie erzählen davon, dass Katharina auch selbstbewusst gegen die konservative Sicht anlebte, die Frau habe sich allein um Heim, Herd und Kinder zu kümmern und sonst um nichts.

Man ahnt, dass da mehr gewesen sein muss. Aber ihre Briefe fehlen. Und so bekommen wir eher wieder die Katharina aus Luthers Sicht. So, wie er sie gern sah. Mitsamt seinem durchaus männlichen Beharren darauf, dass sie sich in sein theologisches Schreiben nicht einzumischen habe. Sozusagen die Zwei-Reiche-Lehre im trauten Heim, wo man sich auf klare Grenzen einigte. Das Bier braute Katharina, die spitze Feder führte Martin.

In der Geschichte spiegelt sich natürlich auch die große Legende des evangelischen Pfarrhauses, die bis heute fortwirkt. Auch in der Legende all der berühmten Pfarrersöhne, die aus diesen Pfarrhäusern hervorgingen. Und die Töchter? Und die Frauen?

Die spätere Legende überlagert die wirkliche Geschichte. Aber eines konnte niemand aus der Katharina-Geschichte herausredigieren: Dass uns hier eine selbstbewusste und hochgebildete Frau begegnet, die sich nicht unterbuttern ließ und dann, wenn es um sie selbst ging, immer mutig gehandelt hat. Kein Frauchen, das sich mit irgendeinem alten Knopf verheiraten ließ, sondern eine Frau, die sich diesem Mönch mit seiner häuslichen Schlamperei durchaus ebenbürtig fühlte.

Wenn nur die Briefe nicht fehlen würden.

Für alle, die Katharinas Leben noch nicht kennen, ist es natürlich ein Schnelldurchlauf durch all das, was wir von ihrem Leben wissen. Das Selbstbewusstsein gehört dazu. Vielleicht hat dieser Bruder Martinus tatsächlich gemerkt, dass diese entlaufene Nonne ihm intellektuell das Wasser reichen konnte. Oder mit den Worten Dalichows: „Martinus hatte keine Geheimnisse vor mir und auch in Fragen der großen Politik war ich ihm eine wichtige Gesprächspartnerin, wie er oft erwähnte.“

Was schon etwas heißt und was mehr ist, als sich auch heute noch viele Männer zutrauen. Das Reformationsjubiläum hat also auch eine markante weibliche Seite. Und eine emanzipatorische, für beide Geschlechter. Auch wenn es der Professor Martinus so vielleicht noch gar nicht gesehen hat.

Filmclip zu den beiden Personen-Bändchen

Christiane Dalichow Ich, Katharina Luther, Evangelische Verlagsbuchhandlung, Edition Chrismon, Leipzig 2017, 7 Euro.

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