Noch bis Samstag ist im Opernhaus am Augustusplatz wieder ein großes Musical zu erleben. Das Besondere: Die „West Side Story“ ist kein Gastspiel, keine dieser reduzierten Tourneeproduktionen, sondern ein Kind des Hauses. Ballettdirektor Mario Schröder hat inszeniert. Kapellmeister Christoph Gedschold dirigiert. Im Graben sitzt das wunderbare Gewandhausorchester. Grund genug, noch einmal vorbeizuschauen, bevor die Produktion in der Mottenkiste verschwindet.

Ja, Sie haben richtig gelesen. Die Leipziger „West Side Story“ verschwindet nach diesem Aufführungszyklus vorerst vom Spielplan. In der Saison 2016/17 sind keine Aufführungen von Leonard Bernsteins Jahrhundertwerk geplant. Dabei zählt Schröders Inszenierung wohl zu den interessantesten Musicalproduktionen, die zurzeit deutschlandweit zu sehen sind. Der Ballettchef reduziert seine Deutung nämlich keineswegs – wie so häufig – auf die Reproduktion, das Reenactment, des weltbekannten Spielfilms aus dem Jahr 1961.

Schröder fordert das Publikum in einer provokanten, jungen Bildsprache zum aktiven Nachdenken auf. Ungerechtfertigte Polizeigewalt auf der einen, ein übersteigerter Gangpathos auf der anderen Seite sind die konträren Extreme, zwischen denen der Abend changiert.

Bei der Vorstellung am Dienstag stach besonders Anna Preckeler hervor. Die Folkwang-Absolventin verleiht der Hauptfigur Maria eine außerordentlich stimmgewaltige Tiefe. Preckeler, in dieser Spielzeit auch im MuKo-„Dracula“ zu hören, beweist selbst in den anspruchsvolleren Songs Ausstrahlung und Sicherheit. Dem musicalerfahrenen Sänger Carsten Lepper (Tony) bereiten die Bernstein-Songs dagegen hörbar Schwierigkeiten, die den Genuss einer ansonsten exzellenten Darbietung marginal trüben.

Für die verbleibenden vier Vorstellungen sind Restkarten erhältlich.

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