LEIPZIGER ZEITUNG/Auszug Ausgabe 42In den letzten drei Monaten gabs fรผr und von der Polizei in Leipzig ziemlich ordentlich โ€žum die Ohrenโ€œ. Da waren verbale Scharmรผtzel mit dem Conne Island rings um eine PolizeimaรŸnahme im Connewitzer Szene-Club. Hinzu kamen die Debatten rings um den 18. Mรคrz 2017 vor allem im Vorfeld des Demonstrationsversuches seitens der Partei โ€žDie Rechteโ€œ, aber auch generelle Fragen rings um die Wahrnehmung von Kriminalitรคt in Leipzig durch die Bรผrger. Immer mittendrin Andreas Loepki, Sprecher der PD Leipzig. Es gab also einiges zu besprechen im langen Interview, auch, wie eigentlich eine ร–ffentlichkeitsfahndung gehandhabt wird.

Die Leipziger Polizei pflegt in ihren Medieninformationen hรคufig einen eher locker-humoristischen Stil. Warum ist das so und welche Vorteile bietet das?

Als ich 2007 in die Pressestelle gekommen bin, hat es diesen Stil schon gegeben. Dafรผr gibt es mannigfaltige Grรผnde. Zum einen haben wir Behรถrdendeutsch abgestellt: Bei uns ist eine Lichtzeichenanlage eine Ampel, ein Kraftfahrzeug ein Auto und eine mรคnnliche Person ein Mann. Wir versuchen also einfaches, verstรคndliches und umgangssprachliches Deutsch zu verwenden.

Zum anderen erhalten Pressevertreter jeden Tag zig Meldungen โ€“ da geht es auch darum, sich abzuheben und aufzufallen. Denn wenn ich etwas schreibe, will ich auch gelesen werden und nicht unbeachtet im Papierkorb landen. Wir mรผssen uns aber auch den Vorwurf gefallen lassen, gelegentlich รผber das Ziel hinauszuschieรŸen und den Stil zu oft oder an der falschen Stelle zu verwenden.

Als Sie vor einigen Wochen eine Pressemitteilung รผber das Conne Island verfasst haben, sind Sie da auch รผbers Ziel hinausgeschossen?

Ein Kollege, der in den Einsatz involviert war, hat mich darรผber informiert und war sichtlich schockiert. Er hat dort eine vรถllig normale polizeiliche Handlung ohne jeden Provokationscharakter getรคtigt und wurde dabei in einer nicht zu akzeptierenden Art und Weise empfangen. Trotz vorheriger Absprachen mit den Verantwortlichen wurden die Kollegen beim Betreten bepรถbelt.

Die Polizei vertrat dort die Interessen eines โ€“ in anderer Sache tatverdรคchtigen โ€“ Auslรคnders in einem linken Objekt und wird dafรผr aber angegangen. Das war schon eine sehr suspekte Situation. Ich stand daraufhin vor der Entscheidung, wie ich den Text formuliere. Ein Vorwurf lautete anschlieรŸend, ich wรผrde das Opfer lรคcherlich machen. Das sehe ich nicht so, da ich die grundlegende Straftat und die Ausgangssituation sachlich geschildert und mit einem Zeugenaufruf verbunden habe.

Zudem habe ich die zusรคtzlichen Formulierungen aus meiner Sicht mit erkennbarer Ironie getroffen. Daraus herzuleiten, ich wรผrde den Leuten tatsรคchlich Rassismus vorwerfen, halte ich fรผr gewagt.

Das Conne Island lรคsst den Rassismusvorwurf der Polizei nicht unkommentiert. Foto: Alexander Bรถhm
Das Conne Island lรคsst den Rassismusvorwurf der Polizei nicht unkommentiert. Foto: Alexander Bรถhm

Nun ist es ja eine ernste Sache mit der Ironie und dem Humor. Das Conne Island hat seinerseits mit einer Pressemitteilung geantwortet, man fรผhlte sich falsch dargestellt.

Ich hatte dann die Wahl, ob ich darauf noch mal reagiere. Ich wollte aber keinen in der Presse gefรผhrten Kleinkrieg mit dem Conne Island รผber Gesagtes und Gemeintes austragen. Zudem wusste ich zu dem Zeitpunkt bereits, dass eine Landtagsabgeordnete (Anm. d. Red.: Julian Nagel, Die Linke) zu dem Thema eine Kleine Anfrage gestellt hat. Damit war bereits klar, dass es sowieso auf anderer Ebene noch mal beantwortet wird.

Heftig umstritten war auch Ihr Videostatement im Vorfeld des 18. Mรคrz, in welchem Sie teils sehr deutlich auf die Gefahr eines gewaltsamen Verlaufs der Demonstrationen rings um den Aufmarsch der Partei โ€žDie Rechteโ€œ hingewiesen haben. Aus welchen Grรผnden haben Sie sich zu diesem Schritt entschlossen?

Es gab einen gewissen Leidensdruck, dieses Statement zu bringen. In der Woche zuvor haben uns erste Presseanfragen erreicht. In den sehr zeitaufwendigen Antworten und Interviews habe ich bereits Aussagen getroffen, die im Kern den Aussagen aus dem Statement gleichen.

Sind diese verรถffentlicht worden? Nein. Stattdessen wurden beispielsweise im MDR-Hรถrfunk mehrere Connewitzer zitiert, die sich mit Linksextremisten solidarisieren wollten. Ich habe keine Ahnung, ob diese gezielt ausgesucht wurden. Aber das war uns mit Blick auf die Gefahrenprognose fรผr 2017 eindeutig zu wenig.

Wir waren also in der Situation, dass wir Botschaften hatten, die uns enorm wichtig waren, welche es aber nicht in die ร–ffentlichkeit schafften.

War es rรผckblickend die richtige Entscheidung, mit dieser Art Statement an die ร–ffentlichkeit zu gehen?

Es gibt bis zum heutigen Tag aus polizeiinterner Sicht keinerlei Anlass, das in irgendeiner Form zu bereuen oder davon Abstand zu nehmen โ€“ ganz im Gegenteil. Die einzigen Kritikpunkte sind aus unserer Sicht die Aufmachung und die Lรคnge. Zudem kรถnnte man darรผber reden, ob wir bestimmte Inhalte noch genauer formulieren kรถnnen.

Ich dachte eigentlich, dass meine Worte sehr eindeutig sind. Aber offensichtlich gab es einen groรŸen Interpretationsspielraum, den ich mit einem Folgeinterview gegenรผber der L-IZ eindรคmmen konnte. Im รœbrigen ist es nicht besonders angenehm, sehenden Auges in das Sperrfeuer der Kritiker zu laufen, zumal sich einige Menschen beispielsweise รผber Twitter in einer Art ihr Maul zerfetzen, die ins Persรถnliche geht.

Wenn man solches also vorhersieht und es trotzdem tut, zeigt es die Bedeutung der Botschaft. Und davon weiche ich auch nicht ab.

Ich kรถnnte Ihnen รผbrigens auch viele lobende E-Mails und Brief zeigen, die ich von der Stadt, der Staatsanwaltschaft, aus der Polizei und aus der Bevรถlkerung erhalten habe. Selbst am 18. Mรคrz und vor Ort erhielt ich aus den Reihen des Gegenprotests nicht nur schiefe Blicke, Kritik und Beschimpfungen. Viele waren zu konstruktiven Gesprรคchen bereit und einige รคuรŸerten sogar Anerkennung.

Was hat dieses Statement Ihrer Meinung nach bewirkt?

Dieses Statement im Vorfeld โ€“ ergรคnzt durch die Kommunikationsstrategie im Einsatz โ€“ hatte eine sehr positive Wirkung. Am Ende der Woche hatten wir ein sehr breites gesellschaftliches Spektrum, das sich sehr offen und sehr wahrnehmbar gegen jedwede Form der Gewalt ausgesprochen hat. In den vergangenen Jahren hat es das so nicht gegeben, zumindest nicht in der รถffentlichen Wahrnehmung.

Ein weiterer Streitpunkt โ€“ zumindest aus Sicht einiger Medien โ€“ waren zuletzt die ร–ffentlichkeitsfahndungen der Polizeidirektion Leipzig. Darin wurde die Presse darauf hingewiesen, dass sie bei bestimmten Online-Verรถffentlichungen, die gegen den Willen der Polizei geschehen, selbst mit in Haftung genommen werden kann. Ist dies immer noch der aktuelle Stand?

Nein. Das Thema ist zum ersten Mal vor zehn Jahren hochgekocht. Damals wurden ร–ffentlichkeitsfahndungen als ganz normale Pressemitteilungen verschickt und sogar auf der Homepage der Polizei eingestellt. Das LKA hat dann berechtigterweise darauf hingewiesen, dass dies gegen die VerhรคltnismรครŸigkeit verstรถรŸt.

Seitdem sind die Fahndungen nicht mehr fรผr die Allgemeinheit รผber das Presseportal abrufbar. Irgendwann wurde vom sรคchsischen Innenministerium und Datenschutzbeauftragten dann festgelegt, dass ein Passus enthalten sein muss, der sinngemรครŸ besagt, dass sich die Fahndungen zunรคchst an Printmedien im regionalen Raum richten.

Was ist dann passiert?

Dann gab es einen Bruch. Die BILD-Zeitung hat angefangen, diese Fahndungen ganz bewusst bei sich hochzuladen und dabei sogar den Passus zu zitieren. Das ging trotz entsprechender Hinweise auf VerhรคltnismรครŸigkeit und Unschuldsvermutung munter so weiter. Andere Medien haben dann nachgezogen. Das wiederum hat irgendwann den Datenschutzbeauftragten auf den Plan gerufen, weshalb die Medien temporรคr darauf hingewiesen wurden, dass sie sogar mit einem Ordnungsgeld nach dem sรคchsischen Datenschutzgesetz bestraft werden kรถnnen.

Was ja letztlich nicht korrekt ist. Bestraft werden kรถnnen nur Staatsbedienstete, also zum Beispiel Polizeibeamte, wenn sie unberechtigt Daten weitergeben. Journalisten sind davon nicht erfasst, die kรถnnen maximal von den dann gefundenen Tatverdรคchtigen verklagt werden.

Am Ende habe ich den Datenschutzbeauftragten Sachsens in einem internen Schreiben darum gebeten, den Presserat einzuschalten, falls er mit bestimmten Medien ein Problem hat. Ob das erfolgt ist und ob das erfolgreich sein kรถnnte, weiรŸ ich nicht. Rechtlich ist und bleibt es eine Grauzone, wenn sich Medien nicht an die einschrรคnkende Vorgabe halten.

Das Interview wurde erstmals in der LEIPZGER ZEITUNG-Ausgabe Nr. 42 im April 2017 verรถffentlicht.

Am heutigen Abend des 22. Mai 2017 auf L-IZ.de โ€“ Sisyphosarbeit an der Kriminalitรคtsfront Leipzigs Nicht nur die mediale Begleitung der tรคglichen Vorfรคlle und Kriminalitรคt liegt auf dem Tisch von Polizeisprecher Andreas Loepki. Einmal im Jahr erscheint die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS), sozusagen der polizeiliche Kassensturz รผber das Vorjahr. Und wieder gilt es auch medial zu vermitteln, denn nicht jeder kann glauben, was da so geschrieben steht. Schwerpunkt 2016 waren demnach Drogendelikte, Einbrรผche und Fahrraddiebstรคhle in Leipzig. Teils mit explosionsartigen Wachstumsraten und polizeilichen รœberstunden en masse. Auch wegen der Demonstrationen in Leipzig. Dazu mehr in Teil 3 des langen Interviews mit Andreas Loepki von der PD Leipzig.

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