Eigentlich sollte das Schmuckstück zum 600. Geburtstag der Universität Leipzig fertig sein: Doch die Feier im Dezember 2009 fand in einer kahlen Betonhülle statt. Und noch sieben Jahre später erschrecken Zeitungen ihre Leser mit Zahlen zu explodierenden Baukosten. Das verstörte dann auch den Leipziger Landtagsabgeordneten Ronald Pohle (CDU). Der fragte da lieber mal den zuständigen Minister.

Das ist in Sachsen der Finanzminister Georg Unland (CDU), der nicht nur das Geld des Freistaats verwaltet, sondern auch die Aufsicht hat über alle staatlichen Bauten. Dazu gehören auch die Universitätsbauten. Und unübersehbar ist der Neubau der Universität Leipzig am Augustusplatz nicht nur ein besonders ausgefallenes Stück Architektur. Die Besonderheit hat auch ihren Preis.

Und der ist über die Jahre aus verschiedenen Gründen mehrfach gestiegen. Das hat dann auch die LVZ am 14. März mal wieder thematisiert und geschrieben: „Das Paulinum am Augustusplatz kostet die Steuerzahler deutlich mehr Geld als gedacht: Statt der ursprünglich eingeplanten 52,5 Millionen Euro sind bislang Kosten von 117,5 Millionen Euro entstanden. Der Bauverzug beträgt inzwischen über sechs Jahre – ein Fertigstellungstermin ist nicht in Sicht.“

Das stimmt in zwei nicht ganz unwichtigen Punkten nicht, stellt nun der Finanzminister trocken fest.

Der erste Punkt betrifft das Gebäude. Denn die Summe, die die LVZ genannt hat, ist nicht die Bausumme für das Paulinum allein, sondern für den kompletten Bauabschnitt Nr. 4 im Uni-Campus: das Augusteum (das ist der südliche Teil des Bauwerks, der schon lange in Betrieb ist) und das Paulinum. Wobei das Paulinum eben nicht nur der große Raum im Erdgeschoss ist, der als Aula, Andachts- und Ausstellungsraum eine Mehrfachfunktion hat, sondern auch alle Räume in den Obergeschossen umfasst, die ebenfalls schon seit Jahren genutzt werden. Dass die Kompletteröffnung des Baues so lange auf sich warten lässt, hat vor allem mit den komplizierten technischen und künstlerischen Lösungen in diesem Aula/Kirchenraum zu tun.

Zwischendrin haben natürlich auch andere Gründe für die Verteuerung des Baus gesorgt.

„Die Kostenentwicklung im 4. BA von ehemals 52,5 Mio Euro (2006) auf jetzt 115 Mio. Euro ist nicht zuletzt auf die sehr anspruchsvolle architektonische Konzeption des Bauwerks zurückzuführen“, betont deshalb Georg Unland extra. „Ausgangspunkt ist der im Jahre 2004 in einem Qualifizierungsverfahren ausgewählte Entwurf des holländischen Architekten Erick van Egeraat. Den Mehraufwand bei diesem Entwurf hat der Haushaltsgesetzgeber im Verlauf der Baumaßnahme durch die Kenntnisnahme von insgesamt vier Nachträgen zur Bauunterlage und in der jeweils fortgeschriebenen Kostenentwicklung in den nachfolgenden Haushaltsplänen bestätigt.“

Blick in den Veranstaltungsraum des Paulinums - hier noch ohne die Glasverkleidungen der Säulen. Foto: Ralf Julke
Blick in den Veranstaltungsraum des Paulinums – hier noch ohne die Glasverkleidungen der Säulen. Foto: Ralf Julke

Dabei stellten sich für einige Visionen van Egeraats erst im Nachhinein hohe Aufwendungen heraus, weil die Teile nicht einfach genormt irgendwo eingekauft werden konnten, sondern extra für Leipzig hergestellt werden mussten. Das Haus ist tatsächlich ein echtes Unikat.

Aber wo der Freistaat Kosten drücken konnte, habe er es versucht, betont Unland: „Kosten dämpfend wurden insbesondere die vom Architekten extrem aufwendig geplante Deckenverkleidung im Foyer des Augusteums als mehrfach gebogene Kuppelschalen sowie die vom Architekten vorgeschlagenen hochglänzenden mit Edelstahl verkleideten Säulen mit Sitzgelegenheiten nicht verwirklicht. Andere Maßnahmen, die Kosten zu verringern, die sich auf eine Vereinfachung des Entwurfes insbesondere bei den aus Naturstein gefertigten Verschattungslamellen für die verglasten Dachflächen bezogen, scheiterten am Einspruch des Architekten, da er für diese Planungsdetails Urheberrechte geltend machen konnte.“

Und mit Erick van Egeraat musste man sich immer einigen, auch wenn dessen Architekturbüro zwischenzeitlich Insolvenz anmelden musste (was ebenfalls zur Bauverzögerung beitrug). „Weiterhin führt die Insolvenz des holländischen Architekturbüros Erick van Egeraat BV im Januar 2009 zu einem vorübergehenden Stillstand der Arbeiten, da die Leistungen zur Projektleitung neu ausgeschrieben werden mussten. Im Rahmen einer außergerichtlichen Einigung hat der Architekt aufgrund Geltendmachen seines Urheberrechtes durchsetzen können, dass er mit seiner Nachfolgerfirma ‚designed by Erick van Egeraat BV‘ für einen Teil des 4. BA, den Innenausbau des Aula/Kirchenraums, weiter beauftragt wird“, so Unland.

So bekommt Leipzig am Ende wirklich einen echten van Egeraat.

Und die Aula wird viel später fertig als geplant, weil es die Firma, die der niederländische Architekt im Auge hatte, als er die hängenden Glassäulen im Paulinum entwarf, nicht mehr gibt. Sie war in England ansässig und spezialisiert auf solche Sonderanfertigungen aus Glas. Aber augenscheinlich bestellen immer weniger Bauherren solche Sonderentwürfe.

Aber Glassäulen sollten es unbedingt sein. Was die Bauleitung in den letzen Jahren zwang, die Aula zum Testlabor zu machen.

Mit den Worten von Georg Unland: „Offen ist die Baufertigstellung der Glasverkleidung der Säulen im Aula-/Kirchenraum. Aufgrund des Prototypencharakters dieser Sonderelemente handelt es sich um keinen regulären Bauablauf, sondern um ein experimentelles Erproben, wie man fertigungstechnisch den vom Architekten gewünschten Eindruck erreichen kann. Von daher ist die Angabe eines festen Fertigstellungstermins bei diesem Sonderfall nicht möglich, da man darauf angewiesen ist, eine technologisch sichere und gestalterisch befriedigende Lösung zu erreichen.“

Doch wo noch vor Kurzem kein Ende dieses Tests absehbar war, sieht zumindest Georg Unland Licht am Ende des Tunnels: „Vor dem Hintergrund der urheberrechtlichen Problematik, die dazu führt, dass der Innenraum bis ins Detail nach den Vorstellungen des Architekten realisiert werden muss, ist es nunmehr gelungen, die Bauarbeiten abzuschließen bis auf das Sonderthema Säulenverglasungen. Auch hier ist nach mehrjährigen experimentellen Versuchen, die vom Architekten geforderte Glasbiegung zu erreichen, nunmehr auch die Verglasung der Säulen zeitnah möglich.“

Man kann also hoffen, dass bald ein großes Dankesfest im endlich fertigen Paulinum stattfindet.

Die Anfrage von Ronald Pohle. Drs. 4571

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