Während das Jugendparlament mit dem Antrag vorpreschte, in Leipzig müsse es mehr Möglichkeiten für urbane Gärten geben, hat die Linksfraktion ihrerseits einen Antrag eingereicht, wonach die Stadt nicht nur die üblichen Baumarten pflanzen solle, wenn sie schon mal Bäume pflanze. Es sollten auch ein paar Obstbäume darunter sein. Motto: Essbare Stadt. Und siehe da: Das Umweltdezernat findet das gut.

Wobei die Linksfraktion dabei zwei Probleme im Auge hatte, die durchaus das Stadtbild beeinträchtigen. Das eine ist der heftige Kampf der Kastanien mit der gefräßigen Miniermotte: „Betrachtet man den Bestand der Kastanie, sollte man, bis die Winter wieder kälter werden, die Walnuss bei Ersatzpflanzungen bevorzugen, offensichtlich ist diese resistent gegen die Moniermotte.“

Und nicht nur Walnussbäume könnten das Straßenbild verändern. Wenn man in die jüngst erst eingemeindeten Ortsteile schaut – alles ursprünglich selbstständige Dörfer mit vielen tradierten Alleen – dann fällt schon auf, wenn hier die Lücken nicht wieder mit Obstbäumen bepflanzt werden, sondern die übliche Leipziger Baumliste zum Einsatz kommt: „Schmerzlich auffällig wird der Verzicht auf Obstgehölze vor allem in den eingemeindeten Ortsteilen. Dort wird nach Katalog gepflanzt, und Altobstgehölze werden meistens durch Laubbäume ersetzt. Im Leipziger Umland findet man viel mehr Obstgehölze im Neu- und Altbestand.“

Was das Leipziger Umweltdezernat gleich mal korrigiert: „Für die Verwendung von Baumsorten und -arten bestehen keine festgeschriebenen Kataloge. Die Auswahl erfolgt einzelfallbezogen nach folgenden Abwägungskriterien.“

Obst in ruhiger Lage am Heuweg. Foto: Ralf Julke
Obst in ruhiger Lage am Heuweg. Foto: Ralf Julke

Aber eine Liste gibt es trotzdem, gibt das Dezernat dann doch zu: „Bei Straßenbäumen orientiert sich die Auswahl regelmäßig an der Straßenbaumliste des Arbeitskreises Stadtbäume der Deutschen Gartenamtsleiterkonferenz. Der Arbeitskreis hat u. a. auch eine Liste von historischen Apfel- und Birnensorten zusammengestellt, auf die bei der Auswahl zurückgegriffen werden kann.“

Könnte man also auch emsig Apfel- und Birnbäume pflanzen? Die berühmte Ribbeckbirne zum Beispiel, oder?

Die Linksfraktion bekommt zwar volle Zustimmung vom Umweltdezernat und seinen Baumspezialisten. Aber wer heute in Deutschland lebt, lebt in einem Land, in dem erst einmal Alpengebirge von Sicherheits- und anderen Vorschriften abgearbeitet werden müssen, bevor sich auch nur ein Amtsleiter wagt, vorsichtig „Ja“ zu sagen.

Der Leipziger Bedenkenberg:

„Generell werden an die Pflanzung von Bäumen an öffentlichen Straßen sowie auch im Bereich von Wegen in öffentlichen Parkanlagen sehr hohe Anforderungen zur Gewährleistung der Verkehrssicherungspflichten gestellt.

Insbesondere sind dabei Arten und Sorten zu verwenden, welche eine hohe Stand- und Bruchsicherheit aufweisen. Die Gehölze müssen dafür geeignet sein, aufgrund ihrer Wuchseigenschaften das entsprechend der STVZO erforderliche Lichtraumprofil über den Verkehrsräumen zu erreichen. Dieses ist über Straßen mit 4,50 m und über Geh- und Radwegen mit 2,50 m festgelegt. Desgleichen sind die Belange der Verkehrsanrainer (oft angrenzende landwirtschaftliche Flächen) zu beachten.

Viele der heimischen Obstarten erreichen den geforderten lichten Raum über den Verkehrsflächen nicht oder nur eingeschränkt. Ein uneingeschränktes Aufasten dieser Gehölze führt zur allgemeinen Schwächung, zum Absterben und generell nicht zum Erreichen der gestellten Planungsziele.

Für eine vorgesehene Beerntung der Bäume durch die Bürger muss sichergestellt werden, dass die Erntetätigkeit ausschließlich abseits der Verkehrsflächen erfolgen darf. Hier können ausreichend breite Pflanzstreifen Abhilfe schaffen. Auch der zu erwartende Fruchtfall, der im engen Verkehrsraum zu einem Verkehrssicherungsproblem werden kann, spricht dafür, Obstgehölze als Straßenbäume nur dort zu verwenden, wo ausreichend breite Pflanzstreifen oder ausreichend große Rasenflächen unter den Bäumen zur Verfügung stehen, welche den gesamten Kronentraufbereich der Obstgehölze abdecken können. Dadurch können Erntebereich, Lichtraumbereich und Obstfallbereich sichergestellt werden. Hierbei sind Pflanzstreifenmindestbreiten ab 4,00 m erforderlich.“

Bei solchen Vorschriften ist der Tod der alten Obstbaumalleen in Sachsen praktisch beschlossen. Wie es die Altvorderen geschafft haben, auf solchen von Obstbäumen gesäumten Straßen zu fahren, ohne ständig Unfälle zu bauen, wird wahrscheinlich ein Rätsel bleiben. Genauso, wie es ein Rätsel bleibt, wie sie die Bäume abgeerntet haben, ohne den Verkehr zum Erliegen zu bringen.

Herzlich willkommen in Deutschland.

Und was nun? Hat das Umweltdezernat doch nicht zugestimmt?

Es lebe die Restfläche im Straßenbegleitgrün

Doch, schon. Schön abseits der Straßen könne man durchaus auch Obstbäume pflanzen.

„Es kann empfohlen werden, insbesondere an Ortsteilverbindungsstraßen bei Bereitstellung entsprechend breiter Pflanzstreifen Obstgehölze zu verwenden. Neben der Bereitstellung der Früchte können dadurch auch alte Obstarten/-sorten sowie insgesamt das Kulturgut Obstbaumallee erhalten werden. Desgleichen können ausreichend große Restflächen im Straßenbegleitgrün zur Anpflanzung von Obstgehölzen dienen, sofern Gefährdungen und Belästigungen ausgeschlossen werden können.

Abseits von Wegen sehen wir in Park- und Grünanlagen grundsätzlich die Möglichkeit, dem Wunsch nach mehr Obstgehölzen nachzukommen. Dieser Wunsch ist in den letzten Jahren spürbar gewachsen und seine Umsetzung wird im Amt für Stadtgrün und Gewässer mittlerweile auch regelmäßig bei entsprechenden Nach-, Neu- und Ersatzpflanzungen geprüft, und zwar nicht nur bezüglich von Obstbäumen, sondern insbesondere auch im Hinblick auf Obststräucher (Beerenobst). So haben wir in den letzten Jahren das Angebot auf einzelnen Flächen bereits ausgebaut und erweitert.“

Bei Sträuchern ist ja die Gefahr, eine Frucht auf den Kopf zu bekommen, nicht so groß.

Vielleicht sollte man Zäune um Obstbäume bauen mit dem Warnschild: „Vorsicht, Fallobst!“?

Und wo wird nun schon Obst gepflanzt?

„Diese einzelnen Projekte sind i. d. R. in enger Kooperation mit bzw. auch auf Initiative aus der Bürgerschaft entwickelt und umgesetzt worden. Zu nennen sind hier der Bürgerbahnhof Plagwitz, die Gestaltung von öffentlichen Grünflächen in Grünau (Schönauer Viertel) bis hin zu experimentellen Ansätzen des Gemüseanbaus im Palmengarten. Um die vorhandenen Standorte von Obstgehölzen, die im öffentlichen Grün zum Beernten zur Verfügung stehen, auch der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, wurde aus privater Initiative heraus die Plattform www.frucht-bar.org entwickelt, die vonseiten des Amtes für Stadtgrün und Gewässer mit entsprechenden Informationen und Daten unterstützt wird. Insgesamt bestehen auch in der Stadt Leipzig bereits vielfältige Möglichkeiten auf öffentlichen Flächen Obstgehölze zu beernten.

Darüber hinaus wird das Thema (www.leipziggruen.de mit den Rubriken Obsternte, Wilde Leipziger & Essbare Stadt) insgesamt intensiv im Rahmen des Leipziger Gartenprogramms unter aktiver Beteiligung und mit Unterstützung des Amtes für Stadtgrün und Gewässer diskutiert und bewegt.

Viele der bekannten Aktivitäten und Initiativen haben im Leipziger Gartenprogramm, dessen Aktivitäten seit 2016 unter dem Dachbegriff „LeipzigGrün“ vom Netzwerk für Stadtnatur zusammengeführt werden, eine Kommunikationsplattform zusammen mit dem Amt für Stadtgrün und Gewässer gefunden. Zudem wird die Obstwirtschaft in Stadt und Umland auch im Rahmen des Projektes „stadtPARTHEland“ vor dem Hintergrund von Wertschätzung und Wertschöpfung sowie Teilhabe in der Kulturlandschaftsentwicklung vom Amt für Stadtgrün und Gewässer sowie dem Grünen Ring Leipzig und dem Zweckverband Parthenaue in Kooperation mit weiteren Partnern intensiv bearbeitet. So widmete sich die 3. Parthelandküche am 11.09.2016 als Beteiligungsformat dieses Projektes genau der Fragestellung, wie vorhandenes Obst aus der Landschaft genutzt und ggf. neue Standorte erschlossen und wirtschaftlich gepflegt werden können.

Ebenfalls im regionalen Kontext hat der Grüne Ring Leipzig in seinem fortgeschriebenen Regionalen Handlungskonzept das Thema „essbare Landschaft“ zu einem seiner vier zentralen Handlungsfelder gemacht.

Stellungnahme des Umweltdezernats.

Antrag der Linksfraktion.

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