Es gibt viele Leipziger, die kämpfen um jeden Baum. Und es gibt Leipziger, die greifen zum Stift und schreiben eine Petition, wenn vor ihrem Haus Bäume gepflanzt werden, um das zu verhindern. So passiert in der Philipp-Rosenthal-Straße, wo Bernd Roth zur Feder griff, um die Pflanzung von zehn neuen Straßenbäumen nach dem Zwickauer Modell zu verhindern. Und beinahe hätte das am 15. Januar in der Ratsversammlung auch geklappt. Denn eigentlich ging es mal wieder um Autostellplätze.

Bernd Roth nahm kein Blatt vor den Mund, um „im Namen der Anwohner“ seinem Frust freien Lauf zu lassen. Vielleicht müssen Autohalter in Leipzig auch nicht höflich sein. Vielleicht haben sich aber längst viel zu viele Leipziger an den respektlosen Ton gewöhnt, mit dem populistische Parteien gerade Stimmung machen im Land.

Bei Bernd Roth klang das so: „Jetzt dreht die Stadt wirklich am Rad. Wir haben gehört, dass die Stadt auf dem Parkstreifen Bäume pflanzen will. Die Absperrungen sind schon vorbereitet. Die Baugenossenschaft wurde nicht mit einbezogen bzw. informiert. Wo sollen die Fahrzeuge dann hin? Wir haben einen Park (Friedenspark), unsere Höfe sind bepflanzt, und viele Bäume an den umliegenden Straßen, da sollen ein paar weitere Bäume die Welt retten?

Es besteht kein Grund für weitere Bepflanzungen, außer wenn an Schikane für die Bewohner gedacht ist. An die Bewohner denkt dabei niemand. Am Tag parken schon die Besucher und Mitarbeiter der Uniklinik bei uns, dann wird es noch komplizierter einen Parkplatz zu bekommen. Wann hat der hirnlose Unsinn endlich mal ein Ende? Wir erwarten von den Verantwortlichen der Stadt nochmal ein Überdenken der Situation und ev. Gespräche mit den Anwohnern.“

Im Rahme des Straßenbaumkonzepts

Als die Petition am 15. Januar in der Ratsversammlung zum Aufruf kam, waren die Bäume längst gepflanzt. Zehn neue Straßenbäume wurden vor den Häusern der Philipp-Rosenthal-Straße 48a-64 werden im Zuge der Umsetzung des Straßenbaumkonzeptes Leipzig 2030 schon im Herbst 2024 gepflanzt, stellte das Amt für Stadtgrün und Gewässer fest.

„Die betreffenden Pflanzungen von Straßenbäumen in der Philipp-Rosenthal-Straße (48a-64) erfolgen auf Grundlage des Straßenbaumkonzeptes Leipzig 2030. Dieses wurde im Zuge eines öffentlichen Beteiligungsprozesses mit der Stadtgesellschaft gemeinsam erarbeitet und im Jahr 2019 mit großer Mehrheit vom Stadtrat beschlossen.“

Seitdem versucht das Amt für Stadtgrün und Gewässer vor allem in Straßenzügen, in denen keine Bäume stehen, neue Straßenbäume unterzubringen. Dazu gibt es keine gesonderte Bürgerbeteiligung. Und das störte bislang auch nicht. Bis zum 15. Januar, da entdeckte auf einmal die CDU-Fraktion, dass es vielleicht doch ganz schön wäre, wenn es auch zu den einzelnen Baumpflanzungen ein Wörtchen mitzureden hätte und Bürgerbeteiligung organisieren könnte.

Was gerade in Straßen, wo die Anwohner über ihre Stellplätze wachen, zu neuen Verzögerungen für die Stadt führen dürfte. Diese zusätzliche Bürgerbeteiligung mahnte CDU-Stadträtin Sabine Heymann an.

Das Amt für Stadtrgün und Gewässer verwies in seiner Stellungnahme, die der Petitionsausschuss übernahm, darauf hin, dass das Straßenbaumkonzept Beschlusslage ist: „Im Straßenbaumkonzept 2030 wird die Philipp-Rosenthal-Straße im betrachteten Bereich als räumlicher Handlungsschwerpunkt für Straßenbaumerstpflanzungen identifiziert.

Es erfolgte eine umfassende Planung der Baumstandorte in der Philipp-Rosenthal-Straße mit Prüfung des ober- und unterirdischen Leitungsbestandes, des Bodens und Straßenaufbaus sowie der Belange der Verkehrs- und Stadtentwicklung und des Denkmal- und Brandschutzes. Dabei geht die Planung der Baumstandorte umsichtig mit der Nutzungsänderung des öffentlichen Raums durch Baumpflanzungen um.“

Es geht mal wieder um Autostellplätze

Dass es Bernd Roth und seinen Nachbarn vor allem um ihre Stellplätze fürs Auto ging, hatte man sehr wohl registriert: „Dem Petitionsschreiben ist zu entnehmen, dass vorrangig die Reduzierung des Pkw-Parkplatz-Angebotes im öffentlichen Straßenraum der Philipp-Rosenthal-Straße Anlass für die Petition ist. Durch die Pflanzung von zehn Straßenbäumen wird der für den ruhenden Verkehr nutzbare Straßenraum vor der Philipp-Rosenthal-Straße 48a-64 um ca. 11 % reduziert.“

Und das nicht wirklich, um die Autobesitzer zu ärgern, sondern aus lauter Gründen, die mit der Klimaerhitzung auch für Leipzig immer relevanter werden, wie das Amt für Stadtgrün und Gewässer betont: „Der Ausbau des Straßenbaumbestandes in Straßenräumen mit teilweisen Grünstrukturen, wie in der Philipp-Rosenthal-Straße, übernimmt dabei als Sofortmaßnahme eine wesentliche Rolle.

Straßenbäume sorgen nicht nur für eine saubere Luft – sie kühlen vor allem dicht bebaute Straßenzüge an den zunehmend heißen und trockenen Sommertagen, reduzieren die Gefahr der Überhitzung und tragen so zur Erhaltung der Gesundheit und Lebensqualität bei. Hieraus ergibt sich für die Stadtverwaltung die Verantwortung, Straßenbäume als gleichberechtigten Teil der städtischen Infrastruktur zu behandeln. Der Verzicht auf die Pflanzungen würde diesen Zielsetzungen entgegenstehen.“

Das Amt für Stadtgrün und Gewässer wolle dem Wunsch des Petenten gern nachkommen und stehe für ein Gespräch mit den Anwohnern zur Verfügung, um die Hintergründe und Zusammenhänge ausführlich zu erläutern, heißt es weiter.

Aber wie gesagt: Die Bäume wurden schon im Oktober gepflanzt. Es wäre eine Eulenspiegelei, sie wieder aus der Straße zu reißen. Denn genau das zeichnete sich in der Ratsversammlung am 15. Januar ab, als der Vorschlag des Petitionsausschusses, die Petition abzulehnen, mit 32:32 Stimmen zu einem echten Patt in der Ratsversammlung führte. Aber Stimmengleichheit bedeutet nach den Regeln der Ratsversammlung: Die Vorlage gilt als abgelehnt. Für ein positives Votum braucht es mindestens eine Stimme Mehrheit.

Also stand nun auf einmal Bernd Roths geharnischte Petition selbst zur Abstimmung. Und wieder wurde es knapp. Doch diesmal lautete das Ergebnis 31:33 Stimmen. Damit war auch seine Petition abgelehnt worden. Da dürfte auch im Amt für Stadtgrün und Gewässer so Mancher aufgeatmet haben: Die zehn Bäume bleiben stehen.

Empfohlen auf LZ

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Es gibt 13 Kommentare

In der Philipp-Rosenthal-Straße weist die Klimaanalyse Tag eine Wärmebelastung für den Abschnitt der Baumpflanzungen aus, die z.B. 6 K über der in der Chemnitzer Straße vor der Langen Lene liegt. Im Hinblick auf die weiter voranschreitende Erwärmung sind bisher einheimische Bäume, die hier ehemals nahe ihrem klimatischen Optimum lagen, an mittelmäßig hitzegefährdeten Standorten leider nicht mehr gut geeignet. Die gepflanzten Silberlinden, deren natürlicher Verbreitungsschwerpunkt in Südosteuropa in wärmerem Klima liegt – demnächst wahrscheinlich lag – und mit der einheimische Insekten durchaus etwas anfangen können, scheint mir für die Pflanzung eine zukunftsorientierte Wahl zu sein, die sich nahe an den heimischen Lindenarten orientiert.

@EarlGrey
Ich habe die Liste komplett durchgesehen. Es gibt in der Liste auch heimische Bäume, die dort als geeignet klassifiziert sind. Die hat die Stadt aber trotzdem nicht gepflanzt. Zudem musst du unterscheiden zwischen Hauptnetzstraße (ggf. noch mit beengten Verhältnissen) und Nebenstraße. Die Belastungen im Nebenstraßennetz (wo auch die meisten Bäume neu gepflanzt wurden) sind erheblich geringer als in einer Hauptnetzstraße mit Salzeintrag im Winter, hoher Schadstoffbelastung der Luft etc. pp.
Wie entsteht diese Liste? Man meldet ob bei Art X ein hoher Verlust zu verzeichnen war oder nicht. Der Verlust resultiert aber auch durch die Pflege bzw. unterlassene Pflege. Standort Stadt bedeutet zudem dennoch, dass die Bedingungen ganz unterschiedlich sein können. Leipzig hat bspw. einen hohen Grundwasserstand, der mit der Wiedervernässung der Aue noch zunehmen wird. Hier brauchst du doch nicht mit Bäumen für explizite Trockenstandorte kommen, wenn du diese in den ersten 5 Jahren wässerst und diese dann tiefe Wurzeln ausbilden. Wenn du mal schaust, wo es 2018ff in Folge der Trockenheit die Ausfälle gab, dann war das überwiegend die Rubrik “junge Bäume” (gepflanzt nach 2010) sowie Bäume in zu kleinen Baumscheiben. Man hat deshalb auch die Pflegedauer durch den Fachbetrieb mit 6 Wassergaben á 100l auf 5 Jahre erhöht und die Baumscheiben sind heute etwas größer als noch bis in die 2000er Jahre.

@EarlGrey
Sollen die Insekten jetzt umschulen und sich von Pflanzen ernähren, die ihnen weder schmecken noch ihnen bekommen? Das ist so als würde man einer Person mit Laktoseintoleranz ausschließlich Kuhmilchprodukte vorsetzen. Die Konsequenz ist, dass die Insekten verhungern und aussterben.

Wenn ein Parkhaus nur zu 20% ausgelastet ist, steht es wohl an der falschen Stelle.
Alternativ kann man auch die kostenlosen Parkplätze in der Nähe abschaffen, wird ja auch schon so gemacht. 🙂

Rudi, bzgl. der Artenauswahl kannst Du gern nochmal im Straßenbaumkonzept nachlesen, S.56ff “Artenauswahl in Gegenwart und Zukunft”.

Bernd Roth könnte als nächstes mal seine “Baugenossenschaft” fragen, ob sie ihm und seinen Wutbürgerfreunden ein Parkhaus auf eigenen Grund baut. Dann gehen die Hände in aller Regel ganz schnell wieder runter.

Christian, nun ist die Philipp-Rosenthal-Straße aber auch nicht die ungrünste Straße der Stadt. Wenn ein Anwohner aus dem Fenster schaut ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass er auf Wiese, Sträucher oder Bäume guckt. Wenn er daran zweifelt, dass der Nutzen weiterer zehn (!) Bäumchen nachweisbar ist, und das Augenmaß an der Stelle etwas verloren gegangen ist, kann ich das erst mal verstehen.

Generell zu den Neupflanzungen im gesamten Stadtgebiet noch eine Anmerkung. Der Fokus scheint auf möglichst ausgefallenen Bäumen zu liegen. Heimische Arten sind die absolute Ausnahme. Das bedeutet letztlich aber, dass für die Insekten trotz Baumbepflanzungen keine Nahrung vorhanden ist. Im Amt gegen Stadtgrün und Gewässer scheint man die Ursachen für das Artensterben noch immer nicht begriffen zu haben. Anders lassen sich Weiß-Eschen, Tulpenbäume, Magnolien, Roteichen, Amberbäume, Silberlinden etc. pp. nicht erklären. Sie haben für die heimische Fauna keinen Nutzen.

@thomas_2
Das Parkhaus Talstraße steht zu 80% leer. Gefördert mit Mitteln der Stellplatzablöse. Auf dem Klinikgelände gibt es ein weiteres großes Parkhaus. Auch das soll relativ schlecht ausgelastet sein (habe ich nicht geprüft). Kostenlos parken kann man auch in der Linnèstraße – ist auch gleich nebenan.

Nun, die Menschen wollen das Auto zwar abstellen, aber eben kostenlos.
Dass Quartiersgaragen nicht groß angenommen wurden, hat sich ja schon gezeigt.
Weil, da müsste man ja bezahlen.

Absurd finde ich es deswegen, weil wir in Leipzig bereits gespürt haben, was Hitze bedeutet und das jeder Baum mithilft, diesem entgegenzuwirken. Man benötigt vor allem große Grünpflanzen, statt Stein, Beton oder Asphalt.
Wir sollten froh sein, dass wir noch Platz für Pflanzungen generieren können.
Wie oft werden “Ersatzpflanzungen” für betonierte Innenhöfe, Fällungen oder nun bebaute Brachen vor den Toren Leipzigs getätigt, dort, wo sie Leipzigs Stadtgebiet überhaupt nichts mehr bringen!

Zudem dauert es eine Weile, bis ein Baum eine große Krone entwickelt hat und entsprechend wirkt.
Wollen Sie deswegen wegen 10% Platzeinbuße auf der Straße so lange warten, bis die Anwohner die unwahrscheinliche Einsicht entwickelt haben, und evtl. weniger PKW unterbringen wollen?

Außerdem gibt es doch ein Straßenbaumkonzept.
Wusste das keiner?

Warum ist das absurd?
Bei Neubauten wurde der Stellplatzschlüssel reduziert. Öffentliche Parkplätze werden reduziert. Quartiersgaragen “sind nicht notwendig” (sprich: werden nicht gebaut / gefördert).
Nun: Die Autos sind aber da. Über 50% aller Haushalte in Leipzig haben ein Auto. Die Menschen wollen das auch irgendwo abstellen können (muss ja nicht kostenlos sein!).

Absurd, dass das Ergebnis so knapp ausfiel.
Gibt es hierfür ein öffentliches Abstimmungsergebnis, wer gegen die Bepflanzung gemäß beschlossenem Straßenbaumkonzept gestimmt hat?

Schreiben Sie einen Kommentar