Das dürfte auch Dr. Jana Pinka, Sprecherin für Umweltpolitik und Ressourcenwirtschaft der Linksfraktion, verblüffen, was sie dieser Tage als Antwort von der sächsischen Staatsregierung bekommen hat. Am 26. Juli hatte der Vattenfall-Konzern offiziell verkündet, dass die Umsiedlungsvorbereitungen für den Tagebau Nochten II gestoppt werden. Pinka wollte nun wissen, was die Staatsregierung nun tun wolle.

Immerhin hatte die Regierung die ganzen Monate zuvor damit zugebracht, für den Erhalt des Braunkohleabbaus in der Lausitz zu werben – bei der schwedischen Regierung, in Brandenburg, im Bund. Man hatte Briefe und Memoranden geschrieben. Und dann diese Nachricht von Vattenfall: “Mit Blick auf die unsicheren energiepolitischen Rahmenbedingungen für den Braunkohlenbergbau und die Stromerzeugung aus Braunkohle in Deutschland hat Vattenfall zu Ende Juni dieses Jahres bis auf Weiteres alle Aktivitäten gestoppt, die mit der unmittelbaren Vorbereitung von Umsiedlungen im Zusammenhang mit der Fortführung des Tagebaus Nochten in das Abbaugebiet 2 stehen.”

Mit den unsicheren Rahmenbedingungen hatte der Konzern den Stopp begründet. Tatsächlich gibt es auch langfristig keinen Bedarf für die Kohle im Abbaufeld Nochten II. Um die Kraftwerke in der Lausitz zu beliefern, reichen auch die schon erschlossenen Abbaufelder vollkommen.

Die Meldung war eindeutig. Und Sachsens Energieminister Martin Dulig (SPD) bekam das zumindest mit. Dass die wirtschaftlich begründete Meldung von Vattenfall nicht in seine Vorstellungen passte, machte er gleich umgehend deutlich: “Es ist eine betriebswirtschaftliche Entscheidung des Unternehmens. Aber wir sind nicht sehr erfreut darüber. Denn durch diese Entscheidung werden die Einwohner in Schleife und Trebendorf in ihren Erwartungen – die durch jahrelange Verhandlungen zu den geplanten Umsiedlungen und der vorgesehenen Erschließung von Nochten 2 bei ihnen geweckt wurden – maßlos enttäuscht.”

Die Enttäuschung hilft nur nichts: Wenn man Kohle nicht mehr kostendeckend in Strom umwandeln kann, dann werden nicht nur Kohlemeiler vom Netz gehen – auch in der Lausitz. Dann ist es wirtschaftlicher Unfug, auch noch weitere Abbaufelder zu erschließen. Denn auch Umsiedlungen und Umverlegungen von Infrastrukturen kosten Geld.

Aber zumindest ist festzuhalten: Dulig hatte von der Vattenfall-Entscheidung gehört.

Der Rest der Regierung aber augenscheinlich nicht. Denn auf Pinkas Nachfragen zu den Rechtsfolgen der Vattenfall-Entscheidung antwortet für die Staatsregierung per 29. Juli die Sozialministerin Barbara Klepsch (CDU) stellvertretend: “Der Sächsischen Staatsregierung ist keine Entscheidung bekannt, auf deren Grundlage das Vorhaben zur Fortführung des Tagebaus Nochten mit Inanspruchnahme des Abbaugebietes 2 einschließlich der Umsiedlungen, wie im Antrag auf Zulassung des Rahmenbetriebsplanes beim Sächsischen Oberbergamt dargestellt, nicht weitergeführt werden würde.”

Irgendetwas muss Vattenfall da also falsch gemacht haben. Wahrscheinlich hätte der Konzern die Entscheidung notariell beglaubigen und per Einschreiben an die Poststelle der Staatsregierung schicken sollen. Anders ist die Antwort nicht zu verstehen.

Denn auch den Rest der Fragen beantwortet Klepsch im Namen der Staatsregierung so, als hätte sich gar nichts geändert – also im Grunde gar nicht: “Die in Frage 1 benannte Regelung wird gegenstandslos, wenn der Anlass nicht mehr gegeben ist.”

So ungefähr wird bestimmt auch der Kaiser in der berühmten Geschichte von Hans Christian Andersen geantwortet haben, als ihm zugetragen wurde, das Volk habe seine schönen neuen Kleider gar nicht gesehen. Warum auf solche Anfragen reagieren, wenn die Schneider einem etwas anderes erzählt haben?

Und das ist gerade für die betroffenen Bürger verdrießlich.

Jana Pinka hatte nämlich auch gefragt: “In welcher Weise und mit welchen Maßnahmen und Vorkehrungen stellt die Staatsregierung sicher, dass die derzeitig nicht mehr von einer Umsiedlung betroffenen Bürgerinnen und Bürger bzw. die in diesen Gebieten lebenden Menschen künftig nicht weiterhin auf der Grundlage der in Frage 1 genannten Ausnahmeregelungen gegenüber anderen Bürgerinnen und Bürgern in Sachsen rechtlich ungleich behandelt bzw. in ihren Rechten benachteiligt werden?”

Barbara Klepsch: “Es wird auf die Ausführungen in der Vorbemerkung verwiesen.” Warum sollte man etwas ändern, wenn man von nichts weiß?

Die komplette Vattenfall-Mitteilung vom 26. Juni:

Vattenfall fährt aktive Umsiedlungsvorbereitung für Nochten 2 zurück

Kommunalberatung, Bergbauseelsorge und Soziales Netzwerk werden fortgesetzt

Mit Blick auf die unsicheren energiepolitischen Rahmenbedingungen für den Braunkohlenbergbau und die Stromerzeugung aus Braunkohle in Deutschland hat Vattenfall zu Ende Juni dieses Jahres bis auf Weiteres alle Aktivitäten gestoppt, die mit der unmittelbaren Vorbereitung von Umsiedlungen im Zusammenhang mit der Fortführung des Tagebaus Nochten in das Abbaugebiet 2 stehen. Entsprechende Verträge mit regionalen Dienstleistern sind gekündigt worden. Davon betroffen sind unter anderem Planungsleistungen sowie die Erstellung von Gutachten und Bestandsaufnahmen.

Nicht von Kündigung betroffen sind die Kommunalberatung für die von Umsiedlung betroffenen Gemeinden Schleife und Trebendorf, die Seelsorge für betroffene Einwohner, das Soziale Netzwerk und der Ausgleich für bergbaubedingten Mehraufwand der Gemeindeverwaltung.

In den vergangenen Monaten hatten sich die Perspektiven für die Lausitzer Braunkohle dramatisch verschlechtert. Ursache dafür ist einerseits die Diskussion über die künftigen politischen Rahmenbedingungen, andererseits sieht sich die Branche mit stark gesunkenen Strompreisen an der Börse konfrontiert. Eine positive Entwicklung ist derzeit nicht absehbar. Auch ein möglicher vorläufiger Kompromiss der Bundesregierung zu einem neuen Strommarktdesign garantiert noch keine Planungssicherheit für einen neuen Eigentümer der Braunkohlensparte von Vattenfall. Dieser wird die energiepolitischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die Erweiterung von Lausitzer Tagebauen bewerten und entscheiden, ob und in welchem Ausmaß die jetzt gekündigten Dienstleistungen weiterhin benötigt und erneut vertraglich gebunden werden.

Die mit dem Abbaugebiet 1 in Zusammenhang stehenden Umsiedlungsaktivitäten sind von dieser Maßnahme nicht betroffen.

Die Anfrage von Dr. Jana Pinka.

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