Es ging nicht nur um Hitzebelastung in der Bürgerbefragung des Leipziger Umweltdezernats von 2014, die jetzt ausgewertet vorliegt. Es ging auch um eine ganze Reihe anderer Folgeerscheinungen des Klimawandels. Und das Erstaunliche: Einigen Leipzigern ist sehr wohl bewusst, was da alles vor sich geht und dass auch giftige Pflanzen und neue Krankheiten sich ausbreiten.

Wobei es auch bei diesen Themen darauf ankommt, wie sehr sie die Leipziger direkt betreffen, verängstigen und beschäftigen. Auch wenn das Umweltdezernat sich schon wünschen würde, dass die Leipziger mehr wüssten über eingewanderte neue Tier- und Pflanzenarten, die jede auf ihre Weise die heimische Flora und Fauna stören. Diesmal geht es nicht um den Waschbären, das Lama oder neugierige Strauße. Sondern zum Beispiel um den Eichenprozessionsspinner, der mittlerweile jeden Sommer zum Thema wird, weil er den Eichen in Leipzig und Umgebung zu schaffen macht.

Der Eindringling erweckt zumindest so viel Aufmerksamkeit, dass 38 Prozent der Leipziger von ihm schon mal gehört haben. Ebenfalls 38 Prozent haben schon vom Riesen-Bärenklau gehört, einer Pflanze, die mal im Kaukasus beheimatet war, jetzt aber Ärger in Europa macht – wer diese Pflanze berührt, muss mit sofortigen verbrennungsähnlichen Ausschlägen auf der Haut rechnen. Berühren sollte man die gefährliche Pflanze nur im Schutzanzug.

Und nicht nur diesen giftigen Eindringling möchte das Leipziger Grünflächenamt gern gemeldet haben, wenn er irgendwo auftaucht. Auch das Beifußblättrige Traubenkraut, genannt Ambrosia, möchte sie gern sofort gemeldet bekommen, wenn’s irgendwo steht. Die Pollen der Ambrosie sind höchstgradig allergieauslösend. Diese Pflanze ist aus Nordamerika nach Europa eingewandert und gilt als schwer bekämpfbar.

Das Land Brandenburg hat extra eine App entwickelt, mit der die Brandenburger das Vorkommen von Ambrosia melden können. Deswegen hat die Stadt Leipzig die Teilnehmer der Umfrage auch gefragt, was sie von so einer App hielten – immerhin 36 Prozent der Befragten hielten sie für nützlich, 27 Prozent würden sie eventuell nutzen. Aber wohin führt das, wenn für jede gefährliche Pflanze eine App eingeführt wird? Sollte man nicht lieber eine simple Erkennungssoftware entwickeln, mit der man unbekannte Pflanzen identifizieren und – wenn sie gefährlich sind – melden kann?

Denn die meisten Menschen erkennen das Unkraut ja nicht, wenn sie es sehen. 35 Prozent der Befragten gaben an, dass ihnen Ambrosia bekannt sei. Aber heißt das auch, dass sie das Kraut erkennen würden? Tigermücke und Sandfliege durften noch angekreuzt werden, sind aber noch viel weniger bekannt.

Die Tigermücke wandert aus tropischen Breiten zu uns ein und gilt als Überträger von Dengue- und Gelbfieber. Die Sandfliegen oder Sandmücken sind seit 2008 in Deutschland nachweisbar und sie übertragen so seltsame Krankheiten wie das Phlebotomusfieber oder das Oroya-Fieber.

Nicht aufgezählt wurden die Zecken. Die sind praktisch weltweit verbreitet, verändern aber mit der zunehmenden Erwärmung ihre Verbreitungsgebiete – so wie der Gemeine Holzbock, der bekannteste Überträger von Borreliose in Deutschland, der sich in den vergangenen Jahren immer weiter über den süddeutschen Raum ausgebreitet hat.

Und von Borreliose haben immerhin 78 Prozent der befragten Leipziger schon gehört. Von Malaria, die von der Anopheles-Mücke übertragen wird,  immerhin auch 75 Prozent. Das Gelbfieber ist mit 55 Prozent bekannter als die übertragende Mückenart.

Von der Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME), die ebenfalls durch den Gemeinen Holzbock übertragen wird, haben 50 Prozent der Befragten gehört. Und das Denguefieber ist zumindest 29 Prozent ein Begriff.

Die Krankenhäuser in Sachsen müssen sich auf alle diese Krankheiten einstellen.

Aber irgendwie will die Mehrheit der Leipziger trotzdem nicht wissen, was da auf sie zukommt. Nur 45 Prozent äußerten ein weitergehendes Informationsinteresse. Was schon verblüfft. Denn die Befragung belegt auch gleichzeitig, dass ein wachsender Anteil der Bevölkerung unter den Veränderungen schon dauerhaft leidet – als Allergiker.

Wobei natürlich wissenschaftlich nicht geklärt ist, warum der Anteil der Allergiker in den letzten Jahrzehnten so stark gestiegen ist. Bei den Jüngeren zwischen 18 und 44 Jahren liegt der Anteil der Menschen in Leipzig, die an mindestens einer Allergie leiden, zwischen 40 und 50 Prozent. Durchschnittlich leiden Allergiker sogar unter 2,5 bis 2,7 verschiedenen Allergien. Vielleicht ist unsere technische und mit Chemie aufgeladene Umwelt mit schuld daran. Aber Beifuß und Ambrosia tauchen durchaus schon unter den Allergieauslösern auf, die den Leipzigern zu schaffen machen.

Wahrscheinlich täten Bundesländer und Kommunen einfach etwas Sinnvolles, wenn sie barrierefreie und gut verständliche Websites mit Informationen zu gefährlichen Zuwanderern aus Flora und Fauna aufsetzen – mit einem guten Erkennungsprogramm und mit leicht bedienbaren Melde-Buttons, mit denen man sofort die verantwortlichen Stellen informieren kann.

Denn bei Riesen-Bärenklau und Ambrosia ist es so, dass die Mitarbeiter des Grünflächenamtes sofort ausrücken und das gefährliche Zeug einsammeln. Es muss gar keine Extra-App für Ambrosia sein. Denn erstens weiß man ja nicht, welchem ungebetenen Kraut man unterwegs begegnet. Und in der Regel erwacht das Interesse der Menschen erst, wenn sie direkt vor so einer Pflanze stehen.

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