Das Klingeln wird lauter und lauter. Und ganz langsam wendet sich nun, nach der bayrischen Entscheidung und der gestrigen Hessenwahl, der Blick stärker gen Osten. Die nächsten Landtagswahlen in Deutschland werden am 1. September 2019 in Sachsen und in Brandenburg stattfinden, gefolgt von Thüringen am 27. Oktober. Drei Bundesländer, in denen die AfD die höchsten Umfragewerte hat. Ganz vorn dabei ist selbst unter den ostdeutschen Ländern Sachsen mit derzeit 24,5 Prozent. Überhaupt ist Ostdeutschland ein schweres Terrain für Freidemokraten, meist geht es um Landtagseinzug ja oder nein.

Was noch 2014 in Sachsen mit 3,8 Prozent nach der Regierungsbeteiligung an der Seite der CDU und damit einem Abschied aus dem sächsischen Landesparlament gründlich danebenging, hofft die FDP 2019 wieder hinzubekommen. Und so schwierig Wahlumfragen ein Jahr vor dem Countdown und zuvor am 26. Mai stattfindenden Kommunalwahlen letztlich sind: aktuell sieht es für die sächsischen Liberalen unter den drei Ländern am besten aus. In Brandenburg ergeben die aktuellsten Umfragen verschiedenster Institute aus 2018 im Mittel 4,6 Prozent, in Thüringen auf den Punkt genau 5 Prozent und in Sachsen immerhin 5,9 Prozent.

Es scheint also wenn auch knapp so doch machbar, wieder Sitze im Sachsenparlament erringen zu können. Ein weiteres Indiz dafür sind die 8,2 Prozent, die bei der Bundestagswahl 2017 für die FDP aus dem Freistaat kamen. Dank einer durchaus frischen Art Bundes-Wahlkampf allerdings, stark zugeschnitten auf Parteichef Christian Lindner, die eigenen Kandidaten aus Sachsen traten wenig in Erscheinung. Hinzu kommt nach der ausgeschlagenen Regierungsbeteiligung im Bund ein gewisses Manko in der Wählerwahrnehmung auf Bundesebene. In Hessen jedenfalls ging es gerade für die FDP nur moderat von 5,0 auf 7,5 Prozent aufwärts, die großen Punkte machten eher die Grünen und die AfD.

Da braucht es also in Sachsen 2019 wohl starke Kandidaten, auch der bisherige Bekanntheitsgrad könnte eine Rolle spielen. Das Gewicht bei den Zweitstimmen liegt dabei tendenziell in den gewachsenen sächsischen Großstädten Chemnitz, Dresden und Leipzig. 2017 kamen alle FDP-Kandidaten aus diesen Zentren über den Landesdurchschnitt von 8,2 Prozent bei den Zweitstimmen, in Dresden sogar auf 9,95 und in Leipzig ergaben die beiden Bundeswahlkreise auf überraschende 8,55 Prozent der Wählerstimmen. Auch in Chemnitz lag man mit 8,4 Prozent noch knapp über dem Schnitt.

Je ländlicher es wurde, um so weniger Prozente gab es für die FDP. In Mittelstädten wie Bautzen oder Görlitz erreichte die FDP trotz Rückenwind aus dem Bund 2017 nur 7,0 bis maximal 7,6 Prozent, blieb also unter dem 8,2er-Durchschnitt im Freistaat.

Genau hier könnte die FDP so die nötigen Punkte für den Sprung über die 5-Prozent-Hürde sammeln, was die Aufstellung gerade aus Leipzig nicht unwichtiger macht. Landesparteichef Holger Zastrow sieht es ähnlich, wenn er im Nachgang an die Leipziger Nominierungen mitteilte: „Für die Freien Demokraten sind gute Ergebnisse in den Großstädten zum Schlüssel für den Erfolg im ganzen Land geworden.“

Mit Argusaugen dürfte man seit dem vergangenen Wochenende nicht nur seitens der FDP dabei auch die Neuaufstellung der “Freien Wähler” in Sachsen beobachten. Mit Antje Hermenau (ehemals Die Grünen) hat sich die bereits in den Gemeinde- und Landkreisvertretungen gut vertretene Vereinigung eine bekannte Frontfrau zur Landesgeschäftsführerin gewählt und will bei der kommenden Landtagswahl ebenfalls mitmischen.

„Überzeugendes Angebot“ am 27. Oktober gewählt

Kreisvorsitzender Friedrich Vosberg (FDP). Foto: L-IZ.de
Leipziger Kreisvorsitzender Friedrich Vosberg (FDP). Foto: L-IZ.de

Der FDP-Stadtvorsitzende Friedrich Vosberg, selbst Kandidat 2017 zur Bundestagswahl in Leipzig und nun im Wahlkreis 29 (von gesamt 60 in Sachsen) für Leipzig nominiert, zeigte sich nach der Wahl der Leipziger Kandidaten am vergangenen Samstag überzeugt: „Unsere Direktkandidaten stellen eine bunte Mischung dar. Sie sind unser Angebot an die Leipziger für die Landtagswahl … ein überzeugendes Angebot für die Leipziger und für Sachsen insgesamt.“

Und mit Blick auf die Aufstellung der Kandidaten für die Landesliste am 19. Januar 2019 verwies Vosberg auf eben jenes Gewicht der Leipziger FDP, wenn es um die wichtige parteiinterne Wahl um vordere Listenplätze geht: „Mit über 300 Mitgliedern sind wir der zweitstärkste FDP Kreisverband im Freistaat und wollen mit einem Freidemokraten aus Leipzig im Landtag vertreten sein.“ Gesamt hat die FDP in ganz Sachsen knapp über 2.000 Mitglieder, da fallen 300 Leipziger Liberale aus der größten sächsischen Stadt nach den erfolgreichen Bundestagszahlen schon ziemlich ins Gewicht.

Überraschend und vielleicht auch als eine Art Erneuerung der Leipziger FDP zu verstehen, ist unter diesem Blickwinkel die Leipziger Liste aus Kandidaten, welche, abgesehen von Stadtvorsitzendem Vosberg, bislang in der politischen Wahrnehmung kaum eine Rolle spielten. Für alle Nominierten wäre die parlamentarische Arbeit, zumal im Landtag, Neuland, keiner der derzeit drei Stadträte der FDP ist vertreten. Vor allem fehlt wohl überraschend Stadtrat René Hobusch, welcher im Wahlkreis 31 antreten wollte und hier den Leipziger Spitzenplatz am 27. Oktober nach Wahlentscheidung an den politischen Neuling Michael M. Pfüller verlor.

Holger Zastrow, Vorsitzender der FDP Sachsen beim "Dreikönigstreffen" in Döbeln. Foto: Michael Freitag
Holger Zastrow, Vorsitzender der FDP Sachsen, beim “Dreikönigstreffen” in Döbeln. Foto: Michael Freitag

Ab jetzt haben die bislang wenig bekannten Kandidaten der Leipziger FDP also ein Jahr Zeit, sich den Wählern vorzustellen. Am 19. Januar 2019 werden sie alle erst einmal parteiintern auf Landesebene überzeugen und sich beim Kampf um die Listenplätze gegen andere Parteikollegen durchsetzen müssen. Angesichts der derzeitigen Prognosen sind dann nur die ersten 10 Listenplätze eine relativ sichere Bank für einen Einzug ins Parlament, nur neun stehen davon aber real zur Verfügung.

Der Spitzenplatz 1 wird durch eine Mitgliederbefragung vom 1. bis 21. Dezember 2018 entschieden, Kandidaten sind hier Landesparteichef Holger Zastrow und der Chemnitzer Tobias Segieth. Das einjährige FDP-Neumitglied Segieth gilt dabei jedoch als chancenlos, seine Wahl wäre praktisch gleichbedeutend mit einer Abwahl Zastrows an der sächsischen FDP-Spitze. So wird der Ausgang dieser Wahl eher als ein Stimmungsbild über die Zustimmung oder Ablehnung der sächsischen FDP-Basis zu Zastrows Kurs zu sehen sein.

Bereits vorher, am 3. November 2018 geht es für die Liberalen erneut in Klausur. Dann treffen sie sich zum Landesparteitag in Neukieritzsch, wo es gleich noch um die Europawahl gehen wird. Auch diese findet im sächsischen „Superwahljahr“ 2019 am 26. Mai parallel zur Kommunalwahl statt. Dafür wiederum müssen alle Parteien ihre Kandidaten bis zum 19. März 2019 aufstellen.

Die Direktkandidaten der Leipziger FDP zur Landtagswahl 2019

Wahlkreis 27: Michael Gehrhardt (39), selbstständig
Wahlkreis 28: Rudolf Georg Ascherl (29), Arzt an der Universitätskinderklinik
Wahlkreis 29: Friedrich Vosberg (50), Rechtsanwalt
Wahlkreis 30: Judith Münch (24), Studentin der Biochemie
Wahlkreis 31: Michael M. Pfüller, LL.M., (36), Wirtschaftsjurist, Standortleiter eines Beratungsunternehmens
Wahlkreis 32: Kristin Franke (36), Kinderbuchautorin und Verlegerin
Wahlkreis 33: Christof Kraus (55), Architekt und Unternehmer

Hinweis d. Red.: In einer früheren Version ist es leider zu einer Verwechslung zwischen Erst- und Zweitstimme bei den Angaben zu Wahlergebnissen der FDP bei der Bundestagswahl in einzelnen Städten gekommen. Wir bitten diesen Fehler zu entschuldigen.

Zur Arbeit der (FDP)-Freibeuterfraktion und die aktuellen Entscheidungen im Stadtrat Leipzig auf L-IZ.de

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