Für FreikäuferLZ/Auszug aus Ausgabe 51Ob das mittelsächsische Städtchen Döbeln selbst eine Reise wert ist, wird dieses Mal mangels Zeit vor Ort offenbleiben müssen – die einen sagen so, die anderen rufen, kann man wegbleiben. Geografisch ist die 24.000-Einwohnerstadt mit einer durchaus ansehnlichen Innenstadt das Herz Sachsens, mitten im Dreieck Leipzig, Dresden und Chemnitz gelegen. Entgegen der sonstigen Lage der FDP konnten sich hier sogar – wie in Leipzig – zwei Liberale 2014 in den Gemeinderat wählen lassen, 7,5 Prozent der Stimmen gab es da noch, zur Landtagswahl im gleichen Jahr kam dann mit gerade noch 3,8 Prozent das Aus im Landtag Sachsen.

Nicht der schlechteste Ort für die FDP also, um sich beim „Drei Königstreffen“ zu versammeln und rund 90 FDP-Mitglieder waren an diesem 6. Januar bis etwa 10 Uhr eingetrudelt. Vor allem, um den Ausführungen von Torsten Herbst, einer von drei neuen Bundestagsabgeordneten aus Sachsen und 80 Liberalen gesamt seit der Wahl 2017 und dem sächsischen Landesvorsitzenden Holger Zastrow zu lauschen. Und sie alle spürten so etwas wie Wind unter den Flügeln, immerhin gab es einen ziemlichen Aufschwung auf 10,7 Prozent, nachdem man mit 4,8 Prozent im Jahr 2013 aus dem Bundestag flog.

Auch in Sachsen stieg der Anteil der Partei um über 5 Prozent auf 8,2 – flächendeckend übersprang man also auch im Freistaat wieder die 5-Prozent-Hürde.

Der frischgebackene Bundestagsabgeordnete Torsten Herbst mühte sich unter teils starkem Beifall damit ab, den Ausstieg der FDP aus den Koalitionsverhandlungen mit der CDU/CSU und den Grünen mit mehr Erneuerungsmöglichkeiten in der Opposition zu begründen – im Osten habe er dafür eine breite Zustimmung gespürt.

Vor allem im Braunkohle-Aus sah der Dresdner für die FDP Sachsen derzeit keine Option. Da hätte aus seiner Sicht die CDU den Grünen so oder so zuviel angeboten, dies sei schädlich „für die Industriearbeitsplätze“ in Sachsen. Einen Vorschlag für den dennoch anstehenden Strukturwandel in der Lausitz für rund 13.000 Angestellte rings um die Braunkohle hatte er nicht dabei. Den derzeitigen Zustand, dass die SPD einerseits kraftvolle Opposition, andererseits aber in der geschäftsführenden Bundesregierung sei, nannte er „hochinteressant“.

Die Hauptfelder für die Zukunft sah der FDP-Generalsekretär Sachsens für seine Partei in der Erhöhung der Investitionen der Unternehmen in Deutschland, welche derzeit eher im Ausland investieren würden – hier würde ein „Werteverzehr stattfinden“, die Abschreibungen der Unternehmen seien höher als die neu geschaffenen Werte und Anlagen. Bei der Digitalisierung sei Deutschland zudem auf Platz 17 weltweit, ein „Entwicklungsland“ also, die neuen Unternehmen in diesem Bereich sind in den vergangenen Jahren nicht mehr in Deutschland entstanden. „Die Champions in der digitalen Welt kommen längst nicht mehr aus Deutschland oder Europa.“

Holger Zastrow (r.) über die CDU Sachsen und seinen Eindruck über den Ministerpräsidenten Michael Kretschmer (CDU). Video: L-IZ.de

Knackiges Beispiel für die bislang unterlassene Netz-Erschließung für eine digitalisierte Zukunft auch in Sachsen: „Während an der Dresdner TU bereits am 5G-Netz geforscht wird, fahren sie 20 Kilometer aus Dresden raus und sind im Funkloch“, so Herbst. Auch in der Bildungsausstattung gebe es in Sachsen keinen Grund, sich zufrieden zurückzulehnen – ganz im Gegenteil. FDP-typisch die Forderung, den Unternehmern mehr von ihrem Erfolg zu lassen, vor allem aber bei Neugründungen von Firmen solle man durch weniger Bürokratie endlich „keine Steine mehr in den Weg legen“.

Bei den Sicherheits-Vorstellungen, mehr gegen extreme Gewalterscheinungen zu unternehmen, vergaß Herbst neben „Linksextremen“ und „kriminellen Ausländern“ am Ende den Rechtsextremismus explizit zu erwähnen. Von der AfD grenzte er seine Partei dann dennoch ab, die FDP wäre die Partei, die eben nicht mit „rassistischen Tweets und Themen“ agiere. Für die CDU Sachsen gab’s dann noch das Attest, dass die „Selbstherrlichkeit und Überheblichkeit der Staatspartei“ mit der Bundestagswahl vorbei wäre, eine Chance, wie Herbst betonte, bevor es in die Debattenrunde mit den anwesenden Mitgliedern ging.

Koalitionen mit der CDU? Für Zastrow ist Angela Merkel das Problem. Video: L-IZ.de

Sehr zur Freude von Holger Zastrow, der die Gelegenheit nutzte, um ordentlich gegen Sachsens Ministerpräsidenten Michael Kretschmer (CDU) auszuteilen. „Die CDU macht einen schwerwiegenden Fehler und das ist unsere Chance“, kommentierte der FDP-Landesvorsitzende die Wahl des „jungen Mannes“, der noch in Berlin „die Hauptverantwortung für die fehlende Grenzsicherheit mitgetragen habe“. Ein Feld, welches Kretschmer schon vor seinem Amtsantritt mehrfach ansprach und nun verbessern will, bei Zastrow fand „das was ich in der Zeitung darüber lese“, wenig Gnade.

Indirekt bezeichnete Zastrow in seinem Redebeitrag Kretschmer persönlich als Phrasendrescher, einen Problemlöser jedenfalls konnte er in ihm in der Vergangenheit nicht erkennen. Neue Ideen habe er keine. Einmal in Fahrt, gab es auch für Kanzlerin Angela Merkel ein schlechtes Zeugnis. Mit dieser habe man seitens der FDP ja genug Erfahrungen gemacht. „Die Kanzlerin agiert durch Regierungshandeln, schön Kekse verteilen“, was im „Koalitionsvertrag steht, interessiere sie nicht. „Ich glaube, die Kanzlerin ist das Problem, sie steht auch neuen Regierungsmodellen im Weg.“

Wenig Sympathie für die AfD bei Zastrow. Video: L-IZ.de

Im Auseinandergehen gab es dann an der Tür noch einen neuen Parteienevergreen. Die große Frage, wie man denn nun zukünftig mit der Landflucht und den zunehmend explodierenden Großstädten Leipzig, Dresden und Chemnitz umgehen wolle. Mehr Geld in sich allmählich entvölkernde Regionen oder Investitionen in die urbanen Ballungsräume, um von da aus wieder Stück um Stück den ländlichen Raum zu stärken?

Das eifrige Hin und Her in dieser Nachdebatte dürfte noch zu Kopfzerbrechen in allen Parteien Sachsens vor der Landtagswahl 2019 führen. Nicht zuletzt wegen der drei blau eingefärbten Wahlkreise rings um Dresden am ostsächsischen Rand. Schwieriges Terrain auch für die FDP – die meisten Stimmen erhielten die Liberalen bei der Bundestagswahl mit teils über 10 Prozent in den großen Zentren Sachsens.

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