Noch ein Mädchenbuch. Man staunt ja, was in Leipziger Verlagen so alles verlegt wird. In jüngster Zeit also vermehrt Bücher von Mädchen für Mädchen. Auch wenn die Mädchen in der Regel schon deutlich über 18 sind. In diesem Fall sogar noch ein wenig älter. Petra, Sybille und Kerstin sind alle drei eigentlich schon gestandene Frauen, erfolgreich im Beruf, im Haushalt und in der Bewältigung der üblichen Familiendramen.

Sie sind seit ihrer Schulzeit befreundet, treffen sich regelmäßig, können sich noch darüber wundern, dass aus ihren hochfliegenden Träumen der Jugendzeit nichts wurde. Aber warum nichts draus wurde, erzählen sie auch. Sie sind ja nicht ohne Grund in Österreich aufgewachsen, das in so Vielem den Lebensschablonen von Deutschland (West) ähnelt. Man findet einen tollen Kerl, gründet Hausstand und Familie und schränkt die Suche nach einem Arbeitsplatz aufs nähere Umfeld ein. Das geht alles ruckzuck. Das geht auch bei Mädchen in Ostdeutschland ruckzuck. Die Klassenbeste wird Buchhalterin, die Fröhlichste bekommt vier Kinder und die Bissigste wird immerhin noch taffe – pardon: toughe – Managerin in einer Werbebude.

Hinter welcher von den Dreien steckt die Autorin?

Natürlich ist das Leben mit 40 nicht vorbei. Aus Mädchenromanen werden Frauenromane. Jetzt hat man das alles – Haus, Mann und den Rest der Träume. Manchmal gibt’s einen blauen Brief und dumme Auskünfte vom Arbeitsvermittler. Manchmal flattern auch noch Schmetterlinge im Bauch, wie es Sibylle passiert, die sich in einen jungen flotten Fotografen verliebt. Während es bei Petra, die ihren Job verloren hat, mächtig zu kriseln scheint und bei Kerstin alles irgendwie in Butter ist, nur ein bisschen chaotisch wegen der Kinder.
Die Damen im besten Alter erzählen die Geschichte jeweils aus ihrer Sicht. Jede ist mal dran, ein bisschen über die anderen herzuziehen, aus der Jugend und dem eigenen Alltag zu plaudern. So entfaltet sich so langsam eine Geschichte, die – wenn noch dazu Schnee läge – die ideale Vorlage für eine ORF-Weihnachtsromanze wäre. Denn die wichtigste Grundregel für einen Frauenroman lautet: Am Ende wird alles gut und das letzte Kapitel kommt mit Konfetti, Sekt und Kerzen auf der Torte. Kommt es auch.

Vorher geht vieles drüber und drunter, bekommt der schöne Florian eine Bratpfanne über den Kopf (weil Sibylle vergessen hat, ihren Freundinnen die Sache mit Florian zu verraten), Helmut verlässt wütend das gemeinsame Heim (weil ihm Kerstin einen zwei Jahre alten Seitensprung nicht verraten hat) und Manfred treibt sich mit der Nachbarin herum (was die drei Freundinnen dazu animiert, ihm detektivisch nachzuspionieren). man sieht die Szenen richtig vor sich – das Wiener Café, die verkleideten Ladys im Auto, der bratpfannengeschädigte Herr Florian auf dem Kanapee, die dramatischen Szenen, als Sibylle den Artikel in der Zeitschrift liest, die ihren Florian beim Knutschen mit einer blonden Schönheitskönigin zeigt …

Man sieht: Die Märchen aus dem französischen Feenland sind alle noch lebendig. Nur die Prinzen sind irgendwann füllig und bärtig und leider, leider treu geworden. Das Leben ist nicht mehr aufregend, nicht mehr rosarot oder golden. Was nun? Was anfangen damit? – Um den 40. Geburtstag von Petra verknotet sich das alles ein wenig, gerät etliches durcheinander. Aber am Ende gibt es – wie im Märchen – drei Überraschungen.

Man hätte sich das Buch also auch hübsch eingewickelt vorstellen können in Rosa oder Hellblau wie die Romane von Hera Lind. Kann ja noch nachgeholt werden. Vorstellbar wären auch schöne Werbefotos von exquisiten Kleidungsstücken, einem frisch rasierten Damenbein oder einer zufriedenen Genießerin im Wellness-Hotel. Kommt alles drin vor. Auch die Pizza, die es auf den Umschlag geschafft hat. Aber an der Stelle vermisst man irgendwie doch Meg Ryan, so wie in “Harry und Sally”, völlig überdreht und durch den Wind und dann flennend am Telefon.

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Ein Unglück kommt selten allein
Sandra Panagl, Einbuch Buch- und Literaturverlag 2012, 13,40 Euro

Aber auch das kann ja noch kommen. Die wirklich guten Geschichten beginnen ja – frei nach Tucholsky – immer erst nach dem Abspann. Wenn man weiß, wer für die Beleuchtung zuständig war, die belegten Brötchen und den Stunt mit der Sahnetorte (kommt auch drin vor). Das Typische für Frauen- und Mädchenromane ist: Sie hören mit den vielen Taschentüchern beim Happyend auf. Irgendwie wollen Mädchen wohl wirklich nur das Eine: Dass alles, alles gut wird.

Und was sagt Theobald Tiger dazu? – “Na, un denn -?”

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