Dann, wenn es sich lohnt, legt der Lehmstedt Verlag seine Ein-Tage-Städte-Führer auch auf Englisch vor. Potsdam ist so ein Fall. Es gehört zu den Reisezielen, die über Deutschland hinaus wirken. Immerhin steht hier der Sanssouci Palace, der eindrucksvoll zeigt, was ein Frederick II. so als Sommerresidenz für sich betrachtete.

Natürlich muss man dabei immer auch die preußischen Schlösser in Berlin, Charlottenburg und Potsdam mitdenken – prächtige gewaltige Kästen, die zum Repräsentieren gebaut wurden und für die nervenden Amtsgeschäfte. Sanssouci beeindruckt ja auch deshalb, weil sich hier ein Fürst tatsächlich einen hübschen kleinen Fluchtort hat bauen lassen – nach französischem Vorbild. Hier durfte er Franzose sein. Hier war er’s auch. Hier hatte er den von ihm geschätzten Philosophen Voltaire zu Gast, der am Ende eiligst die Flucht ergriff, weil auch der scheinbar so aufgeklärte König der Preußen unter seinem Uniformrock ein Selbstherrscher blieb.
Trotzdem mögen die Brandenburger ihren großen Friedrich irgendwie bis heute – haben ihm dort, in Sanssouci, nach über 200 Jahren das von ihm gewünschte Grab gewährt – neben seinen geliebten Hunden. Nur wenig erinnert heute noch daran, dass Potsdam zu Friedrichs und seiner Nachkommen Zeiten eher nicht die verträumte Residenzstadt war, sondern eine Garnisonsstadt, in der das Militär den Ton angab. The Great Military Orphanage zum Beispiel, das Militärwaisenhaus, das schon durch seinen Namen verrät, was ein preußischer Krieg zuallererst produzierte: tote Väter und Waisen.

Von der einstigen Garrison Church, der Garnisonkirche, ist nur das Glockenspiel geblieben. Doch die Potsdamer haben wie die Dresdner den Vorteil: Hier sitzt die Landesregierung, da wird das Geld zum Wiederaufbau mit der großen Schaufel ausgeteilt. Die Garnisonkirche, die im 2. Weltkrieg zerbombt wurde, soll bis 2017 wieder aufgebaut werden. Und auch das Potsdamer Stadtschloss – The City Palace – wird wieder ertüchtigt: Hier schafft sich die Brandenburger Regierung ein hübsches Domizil.

Wer es gern etwas kleiner mag, findet ja in Potsdam auch die kleinen Kostbarkeiten, die hier so exotisch wirken – wie eben die romantische Geste in einer alten Militärstadt. Die Orangerie wäre zu nennen, mit der Friedrich Wilhelm Numero Vier seine italienischen Träume auslebte (Orangery Palace), The Chinese Teahouse, wo Friedrich Numero Zwo seine Porzellansammlung unterstellte, oder das Alte Rathaus (The Old Town Hall), das selbst wie eine etwas groß geratene chinesische Tee-Büchse aussieht.

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Pflichtübung natürlich: The Dutch Quarter, das Holländische Viertel, das den Potsdamern unter Friedrich Wilhelm Numero Eins (The Soldier King) überhaupt nicht gefiel, weil die Häuser sauber ausgerichtet dastanden wie die Soldaten bei der Parade. Heute stören eher die – sauber aufgereihten – Autos vor den Freisitzen. Denn The Durch Quartier ist das kulturelle und lebendige Herz des alten Potsdam, Touristenmagnet und Wirkungsort für “artisans and artists”. Szeneviertel auf Neudeutsch.

Der Grund liegt wohl in den irdischen Maßen: drei Fenster breit die Backsteinhäuser mit Giebel zur Straße, der andere Typ ist fünf Fenster breit. Das lockt – zum Glück – keinen Fondsinvestor an. Da kriegt er nicht genug Fläche unter für die üblichen Groß-Filialisten.

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Potsdam in one day
Kerstin Lehmstedt, Lehmstedt Verlag 2012, 4,95 Euro

Und ein Jubiläum naht tatsächlich: 2016. Denn unter 1416 steht auf dem Faltumschlag mit Karte und Chronology: “Potsdam falls into the hands of the Hohenzollern”. Ein nicht ganz unwichtiges Ereignis in der deutschen Geschichte. Wobei natürlich viele Reisende aus Übersee und UK wohl eher wegen Cecilienhof Palace, Glienecker Brücke und Babelsberg kommen. Jüngere Geschichte zum Anfassen – mit einem gewissen Gänsehauteffekt.

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