Dieses Buch ist ein kleiner Irrläufer. Eigentlich sollte Steffen Mohrs kleine Krimisammlung "Himmlische Kriminalfälle" bei der L-IZ landen - doch dann rutschte dieses kleine Bekenntnisbuch in die Sendung. Pater Karl Wallner ist manchem auch ganz weltlich gesinnten Zeitgenossen vielleicht sogar bekannt: Er ist quasi der PR-Mann vom Stift Heiligenkreuz, dem Kloster der "singenden Mönche".

Mönche singen freilich immer. Der A-cappella-Gesang ist seit Jahrhunderten Teil ihrer Gottesdienste. Sie taten das für sich, zum Lobpreis Gottes, zur Feier der Tage. Erst in den letzten Jahren entdeckten Musikliebhaber und Plattenfirmen die musikalische Schönheit der gregorianischen Gesänge wieder. Mancher verstand die CDs mit den Aufnahmen auch gar nicht als religiöse Bekenntnisse, sondern eher in einem großen, esoterischen Zusammenhang. Denn eines ist zu Beginn des 21. Jahrhunderts ziemlich deutlich geworden: In einer immer schneller rasenden Welt suchen immer mehr Menschen nach einer neuen Erdung, einem tieferen Sinn in ihrem Leben und logischerweise auch nach einem weniger oberflächlichen Erleben dessen, was einem da geschenkt ist.

Manche finden es in den Kirchen, manche bei einer gewagten Rückkehr zur Natur, manche, indem sie einfach Teile der reichen Kultur aus unserer Vergangenheit in ihren Alltag holen. Wie etwa die 2008 erschienene CD “Chant – Music for Paradise”, mit der die Mönche aus dem Kloster Heiligenkreuz berühmt wurden. Obwohl es keine speziell einstudierten Gesänge sind, sondern die Lieder, die zum Klosteralltag gehören.In diesem Buch nun versucht Pater Karl Wallner zu werben für seine Kirche, die er natürlich Die Kirche nennt. Und er tut es auf frische Weise. Wohl wissend, dass Kirche im 21. Jahrhundert auch ihre modernen Krisen hat. Dazu gehören Kirchenaustritte, dazu gehört die anhaltende Konkurrenz zu anderen Religionsgemeinschaften. Dazu gehört auch die Konkurrenz zum kritischen, areligiösen Denken. Auch ein Mönch, der eigentlich miterlebt, wie begeisterungsfähig junge Menschen durchaus für religiöse Zusammenhänge sein können, stellt sich so seine Fragen, warum Kirche in Europa auf dem Rückzug zu sein scheint, andernorts aber blüht.

Liegt es an Monsieur Voltaire, der im 18. Jahrhundert mit spitzer Feder seinen Kampf gegen alle fundamentalistischen Religionen begann und damit der Aufklärung eine ganz wichtige Note gab? Auf Voltaire ist Wallner gar nicht gut zu sprechen, auch wenn er die Aufklärung ins 19. Jahrhundert verlegt und – in einem nun fast klassischen Kurzschluss – die Totalitarismen des 20. Jahrhunderts nun ausgerechnet der Aufklärung in die Schuhe schiebt. Areligiosität ist aber eben noch nicht Aufklärung. Und viele Aufklärer waren zutiefst gläubig.

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Denn natürlich kann man versuchen, die Welt bis ins Letzte zu erkennen. Das ist die Faustsche Fragestellung. Aber bei den wirklich wichtigen Fragen landen auch die Forscher in Bereichen, in denen es mehr Fragen als Antworten gibt. Und über die Theorie des “Big Bang”, die Wallner auch so gern zitiert, ist die moderne Physik schon ein Weilchen hinaus.

Was natürlich die ganz persönlichen Einstellungen zu der großen Frage “Ja, wie entstand denn das nun alles – das Leben, das Universum und der ganze Rest?” nicht ändert. Die endgültige Antwort hat niemand. Die klugen Physiker haben viele Fragen. Aber sie können nicht hinreisen an den großen Urbeginn und Fotos machen vom Urknall. Wenn es ihn denn überhaupt gab, wenn nicht ganz andere Erklärungsmodelle sinnvoller sind.Und wo die Physiker rätseln, was machen da die gewöhnlichen Menschen? Mancher fragt sich natürlich: Wer hat dann das alles gemacht? – Das Schöne an allen religiösen Interpretationen des großen Urgrundes ist: Sie besetzen das Unfassliche mit dem Unfasslichen per se – Gott. Das gibt Trost. Und man hat einen, dem man zutiefst dankbar sein kann für das Alles. Man muss nur dran glauben.

Wallner ist 48 und man merkt, dass er selbst nachdenkt über das alles. Auch mit Wehmut. Denn das ist ein Alter, da hätte auch er sich gern Kinder und Enkel gewünscht. Es ist das Alter, in dem man sich der Vergänglichkeit menschlichen Lebens bewusster wird. Das Leben ist kurz – und auch Gläubige stürzen in tiefe Sinnkrisen, wenn sie merken, dass ihr Leben nicht wirklich erfüllt ist, dass die tägliche Hatz nach Geld und Erfolg wohl zu wenig ist. Und so denkt Wallner eben nicht nur übers Beten nach und die Allgegenwart Gottes, den Weg in den Himmel und die Schöpfung der Welt – sondern auch über die Fragen, die Manchen wirklich zum Glauben bringen: Welchen Sinn gebe ich eigentlich meinem Leben?

Nicht “Welchen Sinn hat das Leben?”. Das funktioniert nicht. Selbst innerhalb des christlichen Glaubens funktioniert das nur mit einem aktiven Draufeinlassen – auf “Kirche”, wie Wallner es nennt. Und dabei stillschweigend ausschließt, dass das auch außerhalb von Kirche funktionieren könnte.

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Kirche tut gut
Karl Wallner, St. Benno Verlag 2012, 7,95 Euro

Verrät man zu viel, wenn man sagt: Tut es doch? – Natürlich gibt es zu wenig davon, keine Frage. Zu viele Menschen jagen den falschen Versprechungen des Tages hinterher, dem Quäntchen Ruhm, das ihnen einer versprochen hat, dem teuren Neid auf teure Erwerbungen, dem Glanz der Macht oder den Verführungen des Käuflichen allerorten.

Es ist tatsächlich die Aufgabe, die jeder Einzelne für sich lösen muss: Seinem Leben einen Sinn und ein Ziel zu geben. Wer das nicht hat, wird korrumpierbar, hilflos und trostlos wohl auch. – So gesehen: ein schönes Büchlein zum Nachdenken über den Sinn des Lebens. Und über die gar nicht so kleine Frage: Was machen wir daraus?

www.stift-heiligenkreuz.org

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