Noch vor wenigen Generationen gehörte der Tod zum Alltag der Menschen. Die Sterblichkeitsrate war hoch. Das Sterben engster Familienangehöriger war Teil des Lebens. Seitdem hat sich beim Verhältnis des modernen Europäers zum Tod viel verändert. Und Mancher ist ratlos, wenn es ihn selbst betrifft. Denn auch Trauern haben viele schon verlernt.

Man lebt, als sei alles unendlich. Die Karriere kennt nur eine Richtung: aufwärts. Der Alltag kennt nur noch eine Farbe: bunt. Wer das Leben nicht als Party begreift, ist irgendwie nicht von dieser Welt. Dabei hat Werner Gutheil seinen kleinen, handlichen Ratgeber gar nicht als Kritik geschrieben. Gutheil (50) ist Krankenhausseelsorger am Klinikum der Stadt Hanau. Da hat er tagtäglich mit dem Abschied zu tun, der Ratlosigkeit der Angehörigen, aber wohl auch der Ratlosigkeit der Sterbenden. Darüber erzählt er natürlich nicht. Das gehört ins Beichtgeheimnis. Aber auch wenn er – mit umfassender Sachkenntnis – erklärt, woran Angehörige alles denken müssen, wenn einer ihrer Liebsten stirbt, klingt an, wie schwer es Vielen heute fällt, den Tod zu akzeptieren.

Er gehört scheinbar nicht mehr dazu, ist hinausrationalisiert worden aus den Abläufen des Lebens, abgeschoben in Altersheime, Krankenhäuser, Beerdigungsinstitute. Was auch mit dem Wandel der Arbeitswelt, der ausufernden Mobilität im Arbeitsleben und dem Schrumpfen der einst mehrere Generationen umfassenden Familie zu tun hat. Man lebt drauflos, versucht immer nur jung zu bleiben, ärgert sich über Fältchen, graue Haare und die ersten Zipperlein.Doch dass ein Leben endlich ist und schrecklich kurz, das wird Vielen erst spät bewusst. Und so ist Gutheils Buch nicht nur ein Ratgeber zu allem, worauf im Trauerfall alles zu achten ist – selbst dann, wenn man Vieles dem beauftragten Beerdigungsinstitut überlassen kann. Aber selbst dann muss man Entscheidungen treffen, wenn sie der Verstorbene selbst noch nicht getroffen hat. Und all diese Entscheidungen haben mit dem eigenen Verhältnis zum Verstorbenen, zum Tod und zur Trauer zu tun. Und damit freilich auch zum eigenen Leben. Verschließt man sich in der Trauer oder teilt man die schwere Zeit mit anderen – mit Angehörigen, Nachbarn, einem Trostspender, einer Trauergruppe?

Gutheil ist katholischer Priester. Und betont auch, dass er sein Buch vor allem aus katholischer Sicht geschrieben hat. Auch mit Schwerpunkt auf den kirchlichen Trauerriten, die eben nicht einfach nur so da sind, sondern den Verstorbenen und die Trauernden mit einbinden ins Gemeindeleben. Das kann Halt geben in schwieriger Zeit, Trost und Zuversicht.

Aber ganz am Ende, wo er erklärt, warum er den Schwerpunkt so setzte, sagt Gutheil auch ein richtiges Wort. Da spricht er von Ökumene und betont, dass Ökumene allein als das gemeinsame Feiern der christlichen Kirchen nicht zu verstehen sein kann, dass eine ernst gemeinte Ökumene alle einschließt, auch die Nichtgläubigen. Eine Stelle, an der man merkt, wie sehr auch katholische Priester mittlerweile darüber nachdenken, was eigentlich in einer Gesellschaft passiert, in der immer mehr Menschen den Bezug zur Kirche verlieren.Die großen Themen des Lebens aber bleiben ja – von der Geburt über die Partnerschaft, die Familiengründung bis hin zu Verlust, Krankheit und Tod. Man kann so tun, als gäbe es das alles nicht. Das ist – man schaue sich nur die üblichen Motive der Werbung an – eine falsche und fast erschreckende Welt, so künstlich eingefärbt, dass zwar viele Menschen glauben, diese Heile-schöne-Produkte-Welt sei erstrebenswert und dann den angepriesenen Müll auch noch kaufen – aber das alles hat mit dem Leben hienieden und den wirklichen Freuden und Leiden der Menschen nichts zu tun.

Und so wird das, was anfangs eher wie ein zurückhaltender Ratgeber wirkt, auch zu einer kleinen Betrachtung über die Endlichkeit aller Freuden und die gar nicht so kleine Rolle, die die Trauer im Leben der Menschen spielt. Oder spielen sollte. Auch als eine Gefühlserfahrung, die den Betroffenen bereichert. Denn natürlich hört die Liebe zu einem verlorenen Menschen nicht einfach auf, wenn er nicht mehr atmet. Und die Phase, in der man ernsthaft und offenen Herzens Abschied nehmen kann, ist kurz. Und meist ist es gut, wenn man es nicht allein tut, wenn man auch Kinder nicht ausschließt und sie lernen lässt, dass auch ein reiches Leben irgendwann endet und ein Mensch, der einem so wichtig war wie Oma und Opa, aus der Welt geht.

Oft ist es tatsächlich erst dieser Abschied, der schmerzhaft bewusst macht, wie groß die Liebe eigentlich war, und wie sehr der gestorbene Mensch einen wichtigen Teil des eigenen Lebens und Fühlens ausgemacht hat. Das ist nicht leicht auszuhalten. Und deswegen ist es vielleicht auch kein dummer Gedanke, sich das Büchlein schon viel früher zu Gemüte zu führen. Es erinnert auch daran, dass man das Leben nicht aufschieben kann, nicht vertagen auf irgendeinen Moment nach dem amtlich genehmigten Eintritt in den Ruhestand. Leben ist immer jetzt.

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In Gottes Hand geborgen
Werner Gutheil, St. Benno Verlag, 6,50 Euro

Und sicher gehört auch das Nachdenken dazu, wie man mit den Gestorbenen und der Erinnerung später umgeht – ob man ein Grab möchte, um einen Ort der Erinnerung zu haben, ob man Erinnerungsstücke aufbewahrt und welche. Und wie man die Gestorbenen in der Erinnerung bewahrt.

Ein Klärungsprozess, um den Trauernde nicht herumkommen. Denn erst damit bekommt das eigene Leben wieder Kontur und Halt.

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