Natürlich erschien zur am Mittwoch eröffneten Ausstellung "Sachsen - Werke aus der Sammlung Deutsche Bank" auch ein Katalog. Oder das, was man dafür noch halten soll. Mit diesen Begleitbildbänden zu Ausstellungen wird ja immer kreativer umgegangen, man vergibt die Gestaltung an Kreativagenturen. Das Ergebnis ist dann selbst ein Kunstwerk. Gedruckt in Berlin.

Gestaltet von der Schweizer Agentur Onlab. Lektoriert in Köln. Gedruckt auf zwei Papiersorten – eine natur, eine weiß. Auf weißem Grund werden die 240 Arbeiten der 32 in der Ausstellung vertretenen Künstler präsentiert – in Briefmarkengröße die meisten, eine Auswahl auch größer. Alle sortiert in die sechs Kapitel, mit denen die Ausstellungsmacher versuchen, die durchaus antagonistischen Arbeitswelten der Künstler, die teilweise im Osten versuchten, ihr Werk zu schaffen, teilweise aber auch frühzeitig schon in den Westen gingen, in Dialog zu bringen.

Sofort greifbar im ersten Kapitel “Helden / Antihelden”, das von der bildnerischen Kritik am Heldenbild der Kriegszeit reicht bis zu Neo Rauchs unterkühlten Arbeitergestalten. Der Textteil ist auf naturfarbenem Papier – er enthält neben Vor- und Grußwort auch eine ausführliche Einführung von Friedhelm Hütte, dem “Global Head of Art” der Deutschen Bank, der ein wenig zur Kunstsammlung der Deutschen Bank erzählt, über die Beziehungen der Bank zu Leipzig und seine eigenen Erfahrungen mit der Kunst und den Kunstmachern aus Sachsen.

Noch genauer geht in seinem Beitrag Sebastian Preuss auf die Entwicklung der Kunstszene in Sachsen ein, auf die intensive Auseinandersetzung der Künstler insbesondere an der Dresdner Kunsthochschule mit der Malerei der Moderne. Man knüpfte dort – trotz aller verschrobenen Vorstellungen der Parteifunktionäre vom “Sozialistischen Realismus” – direkt wieder an, wo die Nazis 1933 die Schere angesetzt hatten – was in der DDR-Kunst eine Tradition ergab, die auch zeitweise Millionen Besucher in die Kunstausstellungen in Dresden gelockt hat.Auch die Leipziger Malschule knüpfte später an die expressiven und surrealen Maltraditionen von Moderne und Vormoderne an und wurde – nachdem die wichtigsten Maler in den 1960er Jahren Zielscheibe von Kritik, Gängelung und Drangsalierung wurden – ab den 1970er Jahren zu so etwas wie dem Zentrum der anerkannten Großkunst der DDR. Durchaus ein streitbares Thema. Aber nicht in der Art, wie das mit verschiedenen Ost-West-Ausstellungen in den letzten 20 Jahren passierte, in denen zumeist westdeutsche Kuratoren ihr ganzes Unverständnis über die Kunstentwicklung hüben wie drüben ausbreiteten.

Dass es den Streit auch unter Künstlern gab – keine Frage. Aber Preuss zeigt in seinem Beitrag auch, wie junge Künstler in der DDR immer wieder ihre Freiräume suchten – und die meisten gingen bei jenen Professoren in die Schule, die später als staatsnah und staatstragend diffamiert wurden, obwohl gerade sie mit ihren Arbeiten immer wieder auch die DDR-Kunstpolitik in Frage stellten und für Diskussionen in der DDR-Presse sorgten. Denn in die Dresdner Kunstausstellungen musste niemand befohlen werden – da fuhren die aufgeweckteren DDR-Bürger hin, um endlich mal wieder Luft zu holen und zu sehen, dass es es auch noch andere Sichtweisen gab auf ihr Land und ihr Leben.

Abseits davon war das Ausstellungswesen der DDR freilich kontrolliert und zensiert – was jedoch auch hier die kritischsten Köpfe nicht daran hinderte, sich immer neue Freiräume zu suchen und die staatlichen Sachwalter auch herauszufordern. Wofür etwa der Leipziger Herbstsalon steht. Und abseits des offiziell Gewünschten gab es im Land auch Dutzende Künstler, die auch trotz aller Widerstände ihren Ausdruck suchten. Gerhard Altenbourg ist ein Beispiel für diesen Rückzug aus dem offiziellen Kunstgetriebe genauso wie Carlfriedrich Claus, dem im Katalog ein eigener Beitrag von Sarah E. James gewidmet ist.Der Katalog zeigt natürlich, was auch die Ausstellung zeigt: Wie abseits dieser politischen und teilweise persönlichen Animositäten dennoch Dialoge entstanden. Wie die Künstler auch der jüngeren Generationen immer wieder neue Ausdrucksformen suchten für das, was sie bewegte. Und heute berühmte Vertreter der sächsischen Kunstszene wie Uwe Kowski, Neo Rauch, Olaf Nicolai oder Ulf Puder begannen ihren Weg schon in den DDR-Jahren. Diese Kunstlandschaft war fruchtbar, auch weil die Lehrer dieser Jüngeren selbst offen waren für den kritischen Diskurs. Und weil sich die Szene mit immer neuen Talenten anreicherte.

Dass sich die Kunstlandschaften in Ost und West unterschieden, hat natürlich auch mit unterschiedlichen Rezeptionen zu tun. Während gerade die Dresdner Maler direkt wieder an die Moderne der 1920er Jahre anknüpften, wendete man sich im Westen fast stehenden Fußes der amerikanischen Postmoderne zu. Was dann auch dazu führte, dass Künstler, die an ältere Traditionen anknüpften, auf dem westdeutschen Kunstmarkt lange Zeit gar keine Chance hatten. Was dann übrigens seltsamerweise gerade der Leipziger Tafelmalerei ab den 1970ern erstaunlichen Ruhm einbrachte, vom Ruhm eines Neo Rauch ganz zu schweigen.

Es ist also auch ein kleiner Ausflug in die Vorurteile der Leute, die in der Regel für das Entstehen von Aufmerksamkeit und Marktinteresse verantwortlich sind. Die meisten Käufer kaufen ja nicht, was sie verstehen, sondern was ihnen als gute Wertanlage gilt. Was selbst Friedhelm Hütte auf der Pressekonferenz zur Ausstellung kurz andeutete. Es geht auch der Deutschen Bank so: Es gibt Kunstwerke, deren Erwerb kann man Jahr für Jahr abschreiben wie einen gebrauchten Computer oder einen Kaffeeautomaten. Und es gibt Kunstwerke, die sich durch ihre Qualität als so wertbeständig erweisen, dass sie in die Vermögenswerte der Bank mit aufgenommen werden.

Wenn die Deutsche Bank mal die Liste der Künstler veröffentlichen würde, die in die eine oder andere Kategorie fallen, wäre das für einen Teil der Kunstwelt ganz bestimmt ein großes Erschrecken. Und ein wirklich tragendes Urteil über die Beständigkeit dessen, was Künstler so schaffen, wird sowieso erst das nächste Jahrhundert fällen. Dann hat sich die Spreu vom Weizen getrennt. Jetzt liegt und steht und hängt noch alles beieinander. Manches verdienstvoll einfach durch den Mut zum Ausprobieren und Konterkarieren, anderes schon so komplex, dass auch künftige Betrachter davor stehen und sich gemeint fühlen werden.

Im Anhang zum Katalog findet man auch noch die Biografien der Künstler und ein Inhaltsverzeichnis, das so ein wenig Orientierung gibt, wo man wen im Katalog finden kann. Ein bisschen experimentell, wie gesagt. Aber ein durchaus spannender Dialog über Grenzen und Zeiten hinweg, in dessen Mittelpunkt eine Landschaft steht, die mit den realen sächsischen Landschaften eher nichts zu tun hat. Dafür mit den großen bildnerischen Auseinandersetzungen des späten 20. Jahrhunderts. Einiges davon so emotional vorgetragen, dass man schon ahnt, welche Kämpfe da einige der Ausgestellten mit sich, ihrer Umgebung, den Zuständen und der Zeit ausgetragen haben. Und zuweilen bis heute austragen.

“Sachsen – Werke aus der Sammlung Deutsche Bank”, Katalog zur Ausstellung im Museum der Bildenden Künste, 19 Euro

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