Schwups, da isses, das Wort: Hauptstadt. Ab jetzt ist es schwarz auf weiß zu lesen: Leipzig ist die sächsische Krimi-Hauptstadt. Hartwig Hochstein hat's geschrieben, nunmehr nicht mehr nur Krimi-Rezensent und Herausgeber, sondern auch selber Autor einer kriminellen Kurzgeschichte, die für die Helden leider nicht gut ausgeht: "Kriminelle Fantasie".

Es ist der zweite Band von kriminellen Kurzgeschichten vom Leipziger Krimi-Stammtisch, an dem sich die Mehrzahl derer zusammengesetzt haben, die in Leipzig seit Jahren Krimis schreiben. Die Leipziger Krimi-Bibliothek füllt sich immer mehr. Hätte Polizeipräsident Bernd Merbitz so viele Kriminalkommissare, wie sich mittlerweile in Leipziger Krimis tummeln, er wäre ein glücklicher Präsident.

Ob der fhl Verlag und Hartwig Hochstein wirklich geglaubt haben, die “Stammtischmorde” würden kein Verkaufserfolg? Wir glauben’s nicht. Krimis verkaufen sich aktuell besser als so manch anderes Genre.

Auch weil hier die Ängste und Abgründe einer Gesellschaft geschildert werden, die die hohe Politik gern wegblendet. Auch wenn diese Dramen immer mal wieder einen Medien-Hype auslösen. Dann verschwinden sie wieder. Bis zum nächsten Blutbad, das keiner nie und nimmer nirgendwo erwartet hätte. Da bricht das Anarchische ein in die ach so heile Welt des Bürgers. Monster, Bestien, Killer.

Dabei sind die Hälfte dieser Bestien brave Bürger. Manche in hohen Würdenämtern, manche in wirtschaftlicher Zwangslage, Eifersüchtige, Neidische, Raffgierige, Triebtäter, Süchtige, Spieler … Das Böse ist immer, man kann es ja so schön zitieren, immer und überall. Stoff genug, für eine solche Gruppe unterschiedlicher Schreibcharaktere, die sich in ihren Stoffen auch ganz unterschiedlichen Krimi-Traditionen verpflichtet fühlen. Da ist der moderne, technisch-wissenschaftliche Krimi, der bei Sophie Sumburane durchschimmert, da ist die alte englische Lust am Makabren, mit der Andreas Stammkötter und – als Gastautor aus Köln – Edgar Franzmann spielen. Letzterer wurde als Sprecher der Autoren-Vereinigung Syndikat eingeladen, den Leipziger Zwölfer zu ergänzen.Da schimmert aber auch der politisch-kritisch intendierte Krimi durch – wie bei Jan Flieger oder Romy Fölck. Was nicht ausschließt, dass die Autorinnen und Autoren auch Raum lassen für emotionale Konflikte, die eben mal nicht mit Gift oder Pistole gelöst werden. Denn in gewisser Weise ist alles Kriminelle stets die Fortsetzung üblicher Konfliktlösung mit kriminellen Mitteln. Oft genug entpuppen sich die kriminellen Helden – wie in der Wirklichkeit – als lädierte Gestalten, unfähig, ihr Leben selbstbestimmt zu leben.

Das geht den Helden in Frank Kreislers “Herz am Spieß” ganz ähnlich wie dem Mörder in Mandy Kämpfs “Tanz in den Tod”. Was die Arbeit der Polizisten nicht ungefährlicher macht. Denn wenn Menschen erst einmal auf der falschen Spur sind, hilft auch gutes Zureden nicht, wie die Heldin in Stefan B. Meyers “Feierabend!” erleben muss. Auch hier scheinen echte Leipziger Ereignisse die Idee geliefert zu haben für ein kleines Road-Movie – natürlich ohne Happyend für die kriminellen Hauptdarsteller.

Fast alle Geschichten bewegen sich auf hohem und auch für Profi-Krimi-Leser fesselndem Niveau. Manchmal kann man auch nicht aufhören zu lesen, obwohl man schon ahnt, dass das gar nicht gut ausgeht. Die Frage ist wohl nicht, ob sich diese Leipziger Stammtischmorde gut verkaufen. Die Frage wird wohl eher sein: Wie hält man das Niveau? Denn wenn man die Leser erst mal davon überzeugt hat, dass diese illustre Runde, die da als Satellit um den fhl Verlag herumschwirrt, neben spannenden Krimis auch jedes Jahr eine exzellente kleine Kurzgeschichten-Sammlung hinbekommt, dann wird sich jeder Folgeband an den Vorgängern messen lassen müssen.

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Stammtischmorde II.
Hartwig Hochstein, fhl Verlag 2013, 12,00 Euro

Kurzgeschichten sind zwar kurz – aber gerade deshalb auch eine hohe Kunst. Der Vorteil der Leipziger Runde ist: Es sind mittlerweile so viele begabte Autorinnen und Autoren dabei, dass auch mal hochkarätige Namen fehlen können und es wird trotzdem ein aufregendes Bändchen.

Deswegen die Warnung für alle, die eh schon sensible Mägen und schwache Herzen haben: Nicht unbedingt vorm Schlafengehen lesen. Auch nicht auf einsamen Bänken im Johanna-Park oder nach etwas komplizierten Familienmahlzeiten.

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