Vom 1. Mai bis zum 31. Oktober gibt es auf Schloss Rochlitz eine besondere Ausstellung zu sehen. Sie zeigt - zumindest in ersten Ansätzen - dass die Reformation auch ein wichtiger Keim für die Emanzipation der Frau war. Wie kann es auch anders sein, wenn sich ein kluger Mann hinstellt und die alte Hierarchie infrage stellt und den Menschen wieder freisetzt: "Hier stehe ich ..." - Dann gilt das für Männlein wie Weiblein genauso.

Und so verstanden es auch einige Frauen in der Lutherzeit. Sie griffen zur Feder, sie ergriffen Partei, sie machten Politik und stießen ihre Ehemänner an, wenn die nicht wollten. Exemplarisch dafür steht Herzogin Elisabeth, geborene Landgräfin von Hessen und Ehefrau von Johann von Sachsen, dem Thronerben Georg des Bärtigen, eines der mächtigsten Fürsten im Heiligen Deutschen Reich, aber streng altgläubig und ein grimmiger Widersacher Luthers. Was der im benachbarten Kursachsen tun durfte, war in seinem Herzogtum keineswegs erwünscht. Auch wenn mit dieser jungen Hessin da frischer Wind ins Land kam und alles danach aussah, als würde mit dem Tod Georgs nun mit Johann und Elisabeth der Wechsel ins protestantische Lager kommen würde.

Doch alles kam anders: Johann starb vor Georg und Elisabeth wurde Witwe. Ihr Witwensitz wurde Schloss Rochlitz, aber auch das war nicht das Ende ihre Lebensreise. Denn mit Herzog Moritz, der 1539 tatsächlich die Reformation einführte, legte sie sich ebenfalls an. Denn Moritz war zwar Protestant, hielt sich aber, als die katholischen Kräfte um den Kaiser gegen die protestantischen Fürsten im Schmalkaldischen Krieg zu Felde zogen, zum Kaiser, also zur Gegenseite.

Da lagen Elisabeths Interessen aber eindeutig auf der Seite ihres Bruders in Hessen und sie spann von Rochlitz aus die Fäden, versuchte ihre Partei zu unterstützen so gut es ging. Bis sie fliehen musste. So einfach und simpel, wie mancher Krieg in den Schulbüchern aussieht, ist er selten. Wie alle Geschichte. Und der größte Teil muss neu und umgeschrieben werden. Auch das zeigt die Ausstellung im Schloss Rochlitz, auch wenn die Zahl der Frauen, die hier gewürdigt werden, noch recht überschaubar ist. Was Gründe hat. Denn wenn man Frauen in der Geschichtsschreibung 500 Jahre lang einfach weglässt, dann ist es auch für die Forschung nicht einfach herauszubekommen, welches Stück vom Kuchen eigentlich das ihrige ist. Denn dabei waren sie immer.

Und schon die kurzen Ausführungen zu Elisabeth von Rochlitz, zu Herzogin Elisabeth von Braunschweig-Lüneburg, zu Argula von Grumbach, zu Katharina von Bora usw. machen deutlich, dass wir im Grunde wenig wissen über das Mitwirken von Frauen an der großen Geschichte. Und wo wir etwas wissen, ist es nicht eingebaut in die üblichen Erzählungen. So ist uns auch meist nicht bewusst, welche Revolution Luther auch in der Gesellschaft, im Frauenbild und im Verständnis der Ehe ausgelöst hat. Man interpretiert die Vergangenheit ja gern aus der Position der Gegenwart und misst die damaligen Rollenbilder am heute Erreichten. Das kommt als Reflexion in diesem Band auch vor. Auch als kleine Plakatstrecke am Ende des Bandes, darunter auch ein Bild eine Femen-Protests. Denn wirklich abgegolten ist auch das, was in der Reformation aktuell wurde, bis heute nicht.
Auch wenn Luthers Bild von Frau und Familie in der Rückschau sehr altbacken wirkt – für seine Zeit war es modern. Und etliche seiner Reformatorenkollegen lebten noch viel intensiver eine fast gleichberechtigte Partnerschaft – im Band nachzulesen am Beispiel der “idealen” Pfarrersfrauen Wilbrandis Rosenblatt, Katharina Zell und Walpurga Bugenhagen. Agula von Grumbach, die sich mit Streitschriften direkt einmischte in die Diskussionen der Zeit, wurde schon erwähnt. Sie fällt auch deshalb auf, weil auch zu Luthers Zeit nur die wenigsten Frauen schreiben und lesen konnten. Das humanistische Bildungsideal wurde erst mit der Reformation zu einem Standard in deutschen Landen. Die Teilhabe am gesellschaftlichen Disput definiert sich aber fast zwangsläufig über die Fähigkeit zum schriftlichen Austausch. Das ist auch im Zeitalter von Twitter und E-Mail noch so.

Und natürlich gehört dazu immer auch ein männlicher Partner, der bereit ist, zuzuhören. Es kommen auch ein paar Frauen vor in diesem Band, die an ihren sturen und rückwärtsgewandten Männern verzweifelten. Nicht jeder klugen Frau gelang es, den Mann an ihrer Seite zu formen. Aber wie sehr sich das Frauenbild trotzdem änderte, das machten erstaunlicherweise die Bilder der Zeit deutlich. Nicht nur Fürstenbilder änderten sich, rückten die Fürstin auf einmal gleichwertig an die Seite des regierenden Fürsten. Das Vorbild dafür waren die Bilder von Luther und Katharina von Bora, die erstmals ein gleichberechtigtes Ehepaar geradezu kanonisierten. Bis heute übrigens. Das Idealbild der Familie, das heute gepflegt wird, ist das lutherische.

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Aber auch die bis dahin fast starre Ikonographie der Frau in der christlichen Malerei änderte sich. Und nicht nur die. Simone Schellenberger macht in ihrem Beitrag sichtbar, wie sehr sich in der Malerei Lucas Cranachs des Jüngeren das Christus-Bild änderte, exemplarisch in seinen zahlreichen Variationen zu “Lasst die Kinder zu mir kommen”. Dirk Welich zeigt einen ähnlichen Vorgang in Bildern mit dem Motiv “Christus und die Ehebrecherin”. Dass sich dahinter auch noch eine intensive Diskussion um das neue Eherecht verbarg, muss natürlich auch erzählt werden. Da war ja selbst Luther noch in einem Zwischenreich. Bevor er seine Thesen an die Kirchentür hämmerte, war es ganz und gar und allein die Kirche, die über Recht und Unrecht in der Ehe zu befinden hatte. Ehescheidung gab es nicht. Ehebruch wurde gerade an Frauen bitter bestraft. Es war die Lutherzeit, die das Eherecht erst einmal in die Sphäre des Staates verschob und die Frau damit auch aus ihrer Rolle als simples Anhängsel des Mannes herausholte. Was noch nicht Gleichberechtigung bedeutete, aber eine ganze Welt der Mehr-Achtung für den weiblichen Teil der Gesellschaft bedeutete.

Was sich dann wieder in bestimmten biblischen Motiven ausdrückte, die damals reihenweise in den Werkstätten de Cranachs bestellt wurden – Bilder der Caritas zum Beispiel, über die Anke Fröhlich schreibt, die deshalb auffallen, weil Caritas jetzt nicht mehr die ätherische, fast weltentrückte Gestalt der bisherigen Malerei war, sondern nackt dargestellt wurde – zumeist mit einer ganzen Schar ebenso nackter und wohl behüteter Kinder. Und ganz ähnlich war es mit einem Motiv, mit dem schon Lucas Cranach der Ältere wahrscheinlich richtig viel Geld verdient hat: “Judith und Holofernes”.

Judith ist die mutige jüdische Jungfrau, die in einem der apokryphen Bücher der Bibel ins Feldlager der Feinde geht, dem feindlichen Feldherrn Holofernes ihre Liebe anbietet und hinterher mit seinem abgeschnittenen Haupt aus dem Zelt spaziert. Zu Cranach Zeit ließen sich jungen, selbstbewusste Bürgerfrauen augenscheinlich reihenweise als Judith porträtieren – in der rechten Hand das (manchmal noch blutige) Schwert, vor sich den abgeschnittenen Kopf des Holofernes. Wobei Bettina Uppenkamp in ihren Beitrag noch ein bisschen rätselt, warum sie das wohl taten und welche Botschaft sie mit diesem Bild vermitteln wollten.

Dass die Bilder wohl Auftragswerke mit konkret dargestellten Damen der Zeit waren, darauf weisen da und dort Attribute der jungen Schönen hin – wie ein Horn an einer Kette auf einem wahrscheinlichen Judith-Porträt der Margarete de Rochefort, Comtes de Hornes, über das Carolin Pult ein Kapitel geschrieben hat. Wobei das Bild eben leider nicht durch seine historische Bedeutung interessant wird, sondern durch die Tatsache, dass im 20 Jahrhundert augenscheinlich ein echter Dilettant versucht hat, das Bild zu verschönbessern – was es (zumindest bis zu einer professionellen Restaurierung) gründlich verdorben hat.

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eine STARKE FRAUENgeschichte
Sax-Verlag 2014, 9,90 Euro

Aber es sind viele eindrucksvolle Gemälde aus der Cranach- und der Dürer-Werkstatt, die derzeit im Schloss Rochlitz eben auch das Bild der Frau in der Reformation zeigen, die man in weiten Teilen auch noch deutlicher Renaissance nennen kann. Denn mit dem veränderten Mensch- und Gesellschaftsbild wurde ja bekanntlich auch die Welt der Kunst erneuert, wurden klassische christliche Ikonographien abgelöst durch neue Standards, die uns selbst in der Rückschau als selbstbewusste, kluge, erstaunlich vertraute Menschen begegnen. Auf einmal wurden sie neben den Fürsten und Bürgern sichtbar – die Frauen die eben nicht mehr nur im schwarzen Habit, fast geschlechtslos abgemalt wurden, quasi als Signum für ihre untergeordnete Rolle in einer streng geordneten Welt.

Was dann auch die Grenzen der Ausstellung sind, die sich sehr auf den reformatorischen Kern der Veränderung beschränkt. Aber mit irgendetwas muss man ja mal anfangen. Und dass ein Großteil des Bandes sich auf die Wiederentdeckung einer wichtigen politischen Gestalt wie Elisabeths von Sachsen fokussiert, gehört ebenso dazu. Wenn man so scharf fokussiert nicht beginnt, wird es niemals Geschichtsbücher geben, die Männer- und Frauengeschichte als selbstverständlich Verbundene betrachten. Es gilt eben nicht nur für gute Krimis. Es gilt auch für die Geschichte und die viel zu lang geduldeten Unterlassungen der Historienschreiber: Cherchez la femme.

Und komm ja nicht wieder, wenn du sie nicht gefunden hast.

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