Er gehört nicht zu den spektakulären Leipziger Parks, von denen immer geredet wird. Obwohl die Geschichte des Friedensparks wesentlich dissonanter ist als die der anderen großen Parks. Denn sein Ursprung ist ein Friedhof: der ehemalige Neue Johannisfriedhof, der ab 1846 den Alten Johannisfriedhof als Hauptbegräbnisplatz der Leipziger ablöste. Dass es mal ein Friedhof war, erkennt man heute noch.

In der neuen Heftreihe zu Gärten und Parks in Leipzig hat Pro Leipzig dem Friedenspark ein eigenes 32-Seiten-Büchlein gewidmet. Ideal für jeden, der den 20 Hektar großen Park im Leipziger Osten einmal erkunden möchte. Man muss ihn nicht erkunden wollen. Man kann ihn auch so nutzen, wie es die Parkliebhaber sowieso schon tun – joggend, Ball spielend, spazierend. Vielleicht mit dem unterschwelligen Gedanken dabei: Das war mal die Hauptallee des Friedhofs. Die großen Bäume sind über 150 Jahre alt, gepflanzt in Zeiten, da die Leipziger selbst noch verärgert waren über die Baumlosigkeit dieses neuen Friedhofs. So recht wollte dort niemand beerdigt werden. Der Alte Johannisfriedhof war schöner.

Doch er platzte auf einmal aus den Nähten. Die Bewohnerzahl der Stadt hatte sich seit 1800 von 30.000 auf 60.000 verdoppelt. Die Vorstädte wuchsen. Und die Stadtväter, die den neuen Friedhof anlegen ließen, glaubten sogar, der neue Friedhof würde reichen. Er sah doch großstädtisch aus mit seinem Eingangsportal und den beiden Beamtenhäusern aus gelben Klinkern rechts und links (von denen noch eins steht) und der Friedhofskapelle von Hugo Licht, die 1883 errichtet wurde. Mauern mit genug Platz für Gedenktafeln umgaben den Friedhof, auch die neun Abteilungen waren durch Mauern getrennt.Und irgendwann ließen sich auch Leipzigs Berühmtheiten auf dem Friedhof begraben. Er war “ein Lexikon der Stadtgeschichte”, schreibt Peter Fibich. Hier lagen und liegen sie alle, die Brockhaus, Reclam, Schreber, Tröndlin und Roßbach, auch Auguste Schmidt und Louise Otto Peters liegen hier. Wer glaubt, die Grabsteine auf dem Alten Johannisfriedhof erinnerten an sie, irrt. Denn diese wurden nur umgesetzt, bilden – wie bei Verlegerfamilie Brockhaus – ein Lapidarium. Die Mühe, die Gebeine zu bergen, machte man sich in den 1970er Jahren nicht, als der Friedhof beräumt wurde.

Zu klein geworden war er schon 100 Jahre zuvor. Da hat Leipzig die 100.000-Einwohner-Marke überschritten und man hatte begriffen, dass der Zug in Richtung Großstadt dampfte. Und dass das jetzt in einem rasenden Tempo passieren würde. Ein neuer Friedhof, der Südfriedhof, entstand. Der Neue Johannisfriedhof wurde noch weiter genutzt, bis Anfang der 1950er Jahre. Es ist der Teil, von dem man sich wünscht, Peter Fibich würde mehr darüber erzählen, denn außer ein paar Resten an der Parkmauer gibt es keine Hinweise mehr auf die frühere Friedhofsbelegung. Anders als beim Alten Johannisfriedhof. Ein kleines Lexikon der Berühmtheiten hätte eigentlich mit ins Heft gehört. Auch damit deutlicher wird, mit welcher Geschichtsvergessenheit hier in den 1970er/1980er abgeräumt wurde. Mauern wurden genauso zusammengeschoben wie das Meer der vielen Grabsteine. Der Rodelberg im Ostteil des Parks ist nichts anderes als ein Berg von Grabsteinen und sonstigen Friedhofsbauteilen. Nur knapp 100 Grabmale hat man eingelagert – so lieblos, dass in den 1990er Jahren nur noch etwas über 50 erhalten waren und auf dem Alten Johannisfriedhof aufgestellt werden konnten.

Große Pläne hatte man für den neuen Park. Lauter Spielplätze und Sportanlagen und sogar eine Schwimmhalle sollten hier Platz finden. Das scheiterte, wie so vieles, an der Geldknappheit der großen Planer. Zum Glück, wird Mancher sagen, der heute durch die Baumalleen spaziert und auch die vielen exotischen Bäume aus der Friedhofszeit entdeckt. Nach 2000 wurde der Park dann zur Herberge für weitere Nutzungen, den Apothekergarten von 2001 zum Beispiel, wo die Universität in einer stilvollen Anlage lauter Heilpflanzen zeigt und erklärt, gegenüber der Duft- und Tastgarten, der 2007 eröffnet wurde und den alten Tastgarten aus dem Rosenthal abgelöst hat.

Im Westteil des Parks kam 2011 der Gedenkort für die rund 100 Kinder dazu, die in der NS-Zeit Opfer des Euthanasie-Programms geworden sind. Hier ist auch die Bronzeschale, die den verstorbenen Kindern der Stadt einen Gedenkort gibt.

Im Westteil des Parks erinnern Skulpturen wie die “Studentinnen” daran, dass der Park vor allem als Erholungspark für Leipzigs Studierende gedacht war. Die nutzen die Sportplätze und Grünflächen heute ganz selbstverständlich – nicht nur zu Sport und Erholung, auch zum Lernen.

Eine Karte im Mittelteil macht die Erkundung des Parks recht einfach.

Peter Fibich “Friedenspark”, Pro Leipzig, Leipzig 2014, 5 Euro

proleipzig.eu

www.garten-leipzig.net

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