Ein ganz ehrgeiziges Projekt hat das Stadtgeschichtliche Museum in dieser Woche gestartet: Eine Ausstellung und eine damit verbundene Spurensuche nach Leipzigs Denkmalen, ihren Vorgeschichten, den Diskussionen, oft auch ihrem Abriss und Verschwinden. Und dazu soll es drei Begleitbände geben. Der erste erschien gleich zur Ausstellungseröffnung am 24. September im Alten Rathaus: "Politische Denkmale in Leipzig".

Anlass ist natürlich der Wettbewerb um das Leipziger Freiheits- und Einheitsdenkmal. Ursprünglich wollte OBM Burkhard Jung zum 25. Jahrestag der Friedlichen Revolution am 9. Oktober 2014 den Grundstein für das Denkmal legen. Doch der Wettbewerb wurde ja bekanntlich im Sommer durch einen Stadtratsbeschluss beendet. Leipzigs Verwaltung hat sich noch ein Türchen offen gelassen, um eventuell eine zweite Runde zu starten.

Doch in Runde 1 wurden schon über 440.000 Euro ausgegeben. Hätte man die 1 Million Euro, mit der die Stadt jetzt den Katholikentag sponsern will, noch dazu getan, hätte man schon genug Geld beisammen gehabt, um den Wilhelm-Leuschner-Platz wieder in einen ästhetisch schönen Stadtplatz zu verwandeln. Der Bürger muss nicht mehr fragen, wo in Leipzig das Geld zum Fenster rausgeschmissen wird. Er muss nur zuschauen. Teil 2 des Publikationsprojekts soll sich dann mit der “Einordnung der Aufgaben eines Freiheits- und Einheitsdenkmals im nationalen Kontext durch internationale Fachautoren” beschäftigen, Teil 3 soll den Leipziger Gestaltungswettbewerb dokumentieren.

Man darf gespannt sein, ob die Autoren mutig genug sind, den Eiertanz in Gänze zu beschreiben.

Aber der erste Teil, der jetzt in der vom Stadtgeschichtlichen Museum herausgegebenen Reihe “M” erschien, zeigt im Grunde schon recht deutlich, wie wenig politische Denkmale tatsächlich in der Zeit und der sich verändernden Stadt verankert sind. Viel zu oft glauben die aktuell Herrschenden, dass sie mit all ihren knöchernen Idealen für alle Ewigkeit eingesetzt sind. Politik neigt zur Selbstbeweihräucherung und zur Überschätzung. Dafür steht schon gleich das erste in diesem Heft behandelte Denkmal, das 1888 eingeweihte Siegesdenkmal auf dem Leipziger Marktplatz, mit dem sich – genauso wie mit dem 1897 aufgestellten Bismarckdenkmal, vor allem das reiche Leipziger Großbürgertum manifestierte. Beide Denkmale gerieten schon frühzeitig in die Kritik der entstehenden Sozialdemokratie. Ende der 1920er Jahre gipfelte der Kampf um diese pompösen Denkmale des Wilhelminischen Kaiserreiches in einem veritablen Leipziger Denkmalstreit, der nur deshalb noch nicht in einem Abriss endete, weil die Weimarer Republik auch ein Denkmalschutzgesetz erlassen hatte, das auch die protzigen Artefakte des vergangenen Kaiserreichs schützte.

Tatsächlich wurden beide Sinnbilder des vergangenen Kaiserreichs erst nach 1945 entfernt – das Bismarckdenkmal auch erst nach einem heftigen Kampf der Geister. Dass dann die neuen sozialistischen Machthaber auf ihre Weise zur selben Machtdarstellung neigten, zeigten dann die einschlägigen Geschichten um das Stalindenkmal, das Aufmarschgelände zum “Sozialistischen Ehrenhain” auf dem Südfriedhof und die gigantische 33-Tonnen-Skulptur “Aufbruch” am Rektoratsgebäude der Universität.

Tatsache ist, dass gar nicht alle politischen Denkmale, die zwischen 1850 und 2014 in Leipzig aufgestellt und gebaut wurden, in diesem Heft Platz finden. Wobei die Grenzen oft genug fließend sind: Ist ein Denkmal für die Toten eines der von Deutschland angezettelten Kriege – von 1871 bis 1945 – schon ein politisch gedachtes Kriegerdenkmal oder tatsächlich ein Mahnmal für die Toten?

Beim Völkerschlachtdenkmal streiten sich ja bis heute die Geister. Oft genug missbraucht zu pompösen Aufmärschen von Kriegervereinen und anderen “Massenorganisationen” wurde es ja im Lauf seiner Geschichte. Doch gerade das Wirken von Clemens Thieme dahin, in Leipzig eben keines der damals in Deutschland üblichen Kaiser-Siegesdenkmälern zu bauen (typisches Beispiel: Niederwalddenkmal), hat die Deutungsmöglichkeiten für das große Denkmal auf dem Gelände der Völkerschlacht vervielfacht. Das macht es interpretierbar – im Guten wie im Schlechten. Ein echter Stein des Anstoßes. Thieme würde wohl sagen: Ziel erreicht. Wenn über so ein Denkmal auch 100 Jahre nach seiner Einweihung 1913 noch gestritten wird, dann funktioniert es, auch wenn sich heutzutage vor allem Künstler immer wieder kritisch mit dem Klotz beschäftigen.Zum politischen Denkmal mutierte auch das Wagnerdenkmal in Leipzig. Zwar deuten die Autoren des Beitrags im Heft dazu an, der 1. Weltkrieg habe die Verwirklichung des Klingerschen Wagnerdenkmals verhindert.

Aber auch von Max Klinger selbst weiß man, dass er mit Wagner und mit diesem Denkmal haderte. Anders als später Emil Hipp, der das Wagner-Denkmal am Elsterbecken entwarf und dann nach 1933 auf Wunsch Hitlers auch dem gewollten Charakter eines neuen Nationaldenkmals anpasste. Die Formensprache fügte sich nahtlos ein in die Formensprache der NS-Zeit. Verständlich, dass die Stadt Leipzig das Denkmal auch nach 1945 nicht mehr haben wollte. Das neue Wagner-Bild, das Stephan Balkenhol dann auf dem alten Klinger-Sockel (den Klinger nicht selbst hergestellt hat) sichtbar machte, brachte eben nicht nur die Probleme Leipzigs mit seinen diversen Wagner-Denkmalen ins Bild, sondern auch die kontroverse Diskussion um Wagner selbst.

Und wenn man auf politische Denkmale in der NS-Zeit zu sprechen kommt, dann darf natürlich auch nicht der Abriss des Mendelssohn-Denkmals auf Weisung des NS-Bürgermeisters Haake vergessen werden. Nicht nur das Aufstellen von Denkmalen kann politisch sein, auch ihr Abriss. Und anders als die jeweils Regierenden glauben, hat das nie etwas mit Ewigkeit oder Gedenken zu tun, sondern meist mit schlichtem Machtgehabe und mit Machtverlust. So war das auch bei den alten Römern: Wer sich ein Denkmal setzen ließ, demonstrierte seine Macht. Und wenn es gestürzt wurde, war’s vorbei mit Glanz und Gloria.

Und wenn schon das Wort Nationaldenkmal fällt, dann wird damit auch der nächste fadenscheinige Teil der Geschichte ums Leipziger Freiheits- und Einheitsdenkmal deutlich, der schiere Größenwahn, nun einfach per behördlichem Beschluss in Leipzig ein neues Nationaldenkmal hinsetzen zu wollen. Nicht ein einziges Mal wurde diskutiert, ob diese Anrufung des nationalen Kontextes überhaupt Sinn macht, ob einer Stadt wie Leipzig nicht – wie nun 25 Jahre lang – eine friedliche Bescheidenheit besser zu Gesicht steht. Und zwar in internationalem Kontext.

Es stehen auch allerlei Denkmale in Leipzig, die tatsächlich zum Gedenken aufrufen – für die Ermordeten KZ-Häftlinge von Abtnaundorf etwa, die getöteten Zwangsarbeiter von Thekla, die zerstörte Synagoge in der Gottschedstraße (und damit die Tausende ermordeter Leipziger Juden) oder das Goerdeler-Denkmal am Neuen Rathaus. All das Denk-Male, deren Sinn auf der Hand liegt, die zur Erinnerung beitragen. Genauso werden ja auch der Sowjetische Ehrenhain und das Polnische Ehrenmal auf dem Ostfriedhof angenommen.

Bei anderen Denkmalen stutzt man erst mal, wie beim Denkmal für das Internationale Antifaschistische Komitee, bei dem die Autoren gar nicht erst hinschreiben, dass es in der Nikolai-Rumjanzew-Straße steht in Kleinzschocher, gleich vorn, wo sie von der Ratzelstraße abbiegt. Aber nicht alle Denkmale aus DDR-Zeit sind unbeliebt. Beispielhaft in diesem Heft ist das Denkmal für Clara Zetkin am Johannapark.

Und das Heft zeigt natürlich auch, dass auch moderne Denkmale nach 1989 nicht unbedingt so unbedacht zelebriert werden müssen wie das Freiheits- und Einheitsdenkmal. Exemplarisch dafür stehen die Nikolaisäule und der Chipperfield-Brunnen auf dem Nikolaikirchhof. Aber auch der Gedenkort für die Paulinerkiche auf der Etzoldtschen Sandgrube und die bronzene Panzerspur im Salzgässchen gehören zu diesen klugen Annäherungen an die Geschichte.

Das Heft macht also die Breite der Möglichkeiten, wie in Leipzig Politik und Geschichte in festen Stein- oder Metallplastiken “verewigt” wurden, sichtbar. Es ist reich bebildert. Die Texte sind allesamt kurz und knapp, sonst wäre es ein sehr dickes Buch geworden. Es ist nicht alles drin. Das hätte ganz und gar den Rahmen gesprengt. Und es wird auch recht deutlich, wie sehr Politiker in der Regel daneben liegen, wenn sie sich ein Denkmal wünschen. Jetzt kann man gespannt sein, was sich das Stadtgeschichtliche Museum in den beiden anderen Bänden des Projekts traut.

Stadtgeschichtliches Museum Leipzig (Hrsg.) “thema.M17. Freiheit Einheit Denkmal, Teil I, Politische Denkmale in Leipzig”, Leipzig 2014, 72 S., ISBN 978-3-910034-20-4

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