Ein wenig kann man ja diesen Stolz nachempfinden, den die Hallenser auf ihre Saale und ihre schöne Stadt am Wasser empfinden, auch wenn man sich aus Hallescher Sicht eher mit Elbflorenz vergleicht als mit Pleißathen. Dabei liegt ja Leipzig eher an der Weißen Elster als an der Pleiße. Aber Wasserlandschaft ist eben Wasserlandschaft. Und Halle hat wohl deutschlandweit eine der schönsten. Man muss sich nur auf die Socken machen.

Peter Traub hat es getan, auch wenn Uwe Jacobshagen als erster im Titel steht. Alphabet bleibt halt Alphabet. Und natürlich war Uwe Jacobshagen mit seiner Kamera viel, viel öfter unterwegs. Denn die Saale im Wechsel von Licht und Jahreszeiten ist eines seiner Lieblingsmotive. Hier ist er – am liebsten in frühen oder späten Stunden, wenn die Sonne flach steht und die Schatten besonders eindrucksvoll sind – immer wieder unterwegs.

Noch lieber an windstillen Tagen, denn dann ist auch die Saale ein glatter Spiegel, in dem sich alles noch einmal verdoppelt: die Burg Giebichenstein, die Peißnitzbrücke, die Häuser der Salinehalbinsel, der Sophienhafen … Bilder voller Ruhe. Und in weiten Teilen ist es auch so ruhig, wenn dann einer wie Peter Traub sich die Wanderschuhe anzieht und am Pfingstanger im Süden losspaziert – immer am Ufer der Saale entlang, in überschaubaren Etappen.Dabei wirft er anfangs noch einen kurzen, beiläufigen Blick auf das große Flussgebiet noch weiter südöstlich – die Saale-Elster-Aue. Wer ein Rad hat, könnte von hier direkt nach Leipzig fahren. Aber Peter Traub hat etwas anderes vor: Er will den Leser mitnehmen auf einem Weg mitten durch die Stadt, ohne dass man von der Stadt überhaupt viel zu sehen bekommt. Nur da und dort wird es einen Abstecher geben. Aber tatsächlich kann man am Fluss entlang einfach nordwärts wandern, erlebt Inseln, Wiesen, Parks und Gärten, Auenwälder und Porphyrberge, hat am Ende auch noch kolossale Aussichten – und selbst der Eingeborene staunt, wie wenig man die ganze Zeit merkt, dass man durch eine lebendige Großstadt spaziert.Die Stadt ist am Fluss gewachsen und mit dem Fluss. Und das macht Halle auch heute noch unverwechselbar, bringt Qualitäten hervor, die anderen Großstädte so nicht haben. Nur der immer umtriebige Leipziger schaut eher ein bisschen grimmig hinüber. Dabei ist das gar nicht nötig. Im Gegenteil: Heutige Großstädte entfalten ihre Attraktivität, weil sie eben nicht alle gleich aussehen und jede ihren eigenen Charakter haben. Geschwärmt wird überall. Und ein stilles Schwärmen ist das auch, was Peter Traub da aus der Feder fließt. Auch wenn er sich kundig gemacht hat über all die Brücken, Häfen, Weiden und Anger, Parks und Inseln. Denn alles hat eine Geschichte.

Wenn man sie kennt, geht man mit offeneren Augen durch die Landschaft, auch wenn man nicht unbedingt – wie versprochen – Nixen zu sehen bekommt. Was auch nicht so günstig ist für die weiteren Lebensaussichten, wie einige Fischer und Hirten wohl begriffen haben, als es zu spät war.

Auch diverse Ritter wurden nicht allzu glücklich mit ihrem Stück Land am Wasser, Mönche erlebt man als durchaus tatkräftige Unternehmer, die Halloren sowieso, auch wenn ihre große Salzgeschichte tatsächlich nur noch Geschichte ist. Da und dort in Spuren zu besichtigen. Bild und Text freilich laden nicht zum Trauergang durch eine vergangene Wirtschaftsgeschichte ein. Es gibt Dinge, die gehen vorbei. Die Wörmlitzer treiben ihr Vieh nicht mehr zu Pfingsten auf die Weide, die Fischer und Treidler und Müller machen keine dicken Geschäfte mehr. Dafür ist die Saale heute ein kleines Paradies für die Paddler und Motorbootbesitzer. Ein überschaubares. Man kann zwar träumen, mit dem Motorboot vielleicht mal nach Leipzig zu fahren – doch selbst aus Hallescher Perspektive sieht das eher nicht nach einen Massenansturm auf einen neuen Kanal aus. Selbst schon die Tour saaleabwärts zur Elbe und in die Brandenburger Gewässer ist eine Tortur. Wie würde sich Halle verändern, wenn hier tatsächlich ein großer Wassertourismus aufliefe? Nicht auszudenken. Das, was Uwe Jacobshagen und Peter Traub gesehen und erlebt haben, wäre dann vorbei.Denn ihre Art, die Saale in der Stadt Halle zu entdecken, braucht die Ruhe, wahrscheinlich auch ein hübsches Wetter. Was nicht unbedingt heißt, dass es immer Sommer sein muss. Auch im Herbst und im Winter entfaltet die Landschaft an der Saale ihre Schönheit, macht aber auch wieder sichtbar, dass es an einem Fluss keine Ruhe gibt, auch wenn die Menschen die Saale in den letzten Jahrhunderten ein wenig gebändigt haben. Ein Hochwasser wie das im Juni 2013 zeigt immer wieder recht deutlich, dass, wer am Wasser baut, auch bereit sein muss, mit dem (Hoch-)Wasser zu leben. Zu den Menschen am Fluss, die Peter Traub trifft und interviewt, gehört denn auch der Boots- und Imbisshausbetreiber Andreas Reschke, der einmal erzählt, wie gelassen man mit dem Fluss umgehen kann, wenn man ihn einfach so akzeptiert, wie er ist. Nach dem großen Aufräumen kommen die Gäste wieder und am Riveufer sausen wieder Radfahrer und Fußgänger vorüber.

Natürlich entdeckt gerade der Leipziger eine andere Welt, wenn er Halle noch nie aus dieser Perspektive kennen gelernt hat. Jede Flussstadt hat ihre eigenen Schönheiten. In Halle sind sie fast alle mit Geschichten, Biografien und Legenden verbunden. Bei den Pulverweiden darf man sich tatsächlich Pulvermühlen vorstellen, die in alten Zeiten recht häufig in die Luft flogen, am Holzplatz sieht man die Berge von angeflößtem Holz für die Salinen – natürlich nur noch als Vision. Selbst die Zeiten, als Halle erst auf Gas und dann auf Strom umstieg, sind schon über 100 Jahre her. Reste der alten Industrielandschaft säumen da und dort die Ufer. Das alte lärmende Treiben eines Wirtschaftshafens ist im Sophienhafen kaum noch zu ahnen – dafür entstehen neue Lofts mit Blick aufs Wasser.

Mitten in der Stadt macht man dann mit dem Autor ein paar Abstecher auf Gottesäcker, Würfelwiesen und in einen Lafontainschen Dichtergarten. Überhaupt: Die Dichter gehören zu Halle und zu Peter Traubs Erzählrepertoire. Immerhin waren Goethe, Eichendorff und die Arnims hier – und schwärmten später auch noch davon.

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Ein Spaziergang an der Saale
Peter Traub; Uwe Jacobshagen, Mitteldeutscher Verlag, 19,95 Euro

Erst im Norden der Stadt wird es dann wilder – nach den Felsen des Giebichensteins, den Klusbergen und dem Amselgrund. Da kommen dann die Galgenberge (die natürlich so heißen, weil hier mancher ganz amtlich zu Tode gebracht wurde), der Ochsenberg und die Dölauer Heide, wo sich einst die Wölfe noch wohl fühlten und nicht mal der Pfarrer ohne Eskorte zur nächsten Kirche eilte.

Das Buch ist – reich gesegnet mit den lichtverliebten und stimmungsvollen Fotos Uwe Jacobshagens – eine farbenfrohe Einladung, selbst einmal auf Entdeckungstour zu gehen. Liegt ja quasi gleich um die Ecke. Man braucht nur festes Schuhwerk, einen gut gefüllten Rucksack und eine Hucke voll Zeit, um auch unterwegs nicht ins Eilen zu kommen. Dann das, was die beiden Autoren hier gefunden haben, findet man nur, wenn man sich Zeit lässt. Es lohnt sich.

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