Wer Kinder hat, muss einfallsreich sein. Denn die Biester brauchen Beschäftigung, haben einen nicht zu zähmenden Unternehmungs- und Entdeckerdrang. Und sie können Eltern fertigmachen, denen am Wochenende nichts einfällt, was man mal unternehmen könnte in so einer großen Stadt wie Leipzig. Priska Lachmann weiß, wovon sie schreibt. Sie ist selbst Mutter dreier Kinder. Da lernt man in Leipzig ganz neue Ecken kennen.

Und man lernt auch wieder, mit den Augen der Kinder auf die Stadt zu schauen. Und nicht nur auf die Stadt. Erfahrene Eltern wissen, dass man die ganze Rasselbande an sonnigen Tagen auch mal in den Zug oder aufs Fahrrad setzen muss, um einfach mal rauszufahren vor die Tore der Stadt, wo es einige geradezu bezaubernde Angebote für Kinder gibt, so bezaubernd, dass die aus dem Schlaf gerissenen Eltern sich einfach mit Decke und Picknickkorb am Rande niederlassen und den Quirlen beim Spielen zuschauen können.

Zum Beispiel auf dem Waldspielplatz im Oberholz in Großpösna, auf dem Kinderbauernhof in Borsdorf oder im Tierpark Lützen. Auch die großen Seen laden ein, viele mit besonderen Angeboten für Kinder – so wie der Kulkwitzer See mit dem „geheimen Strand“, die Alpaka-Lama-Farm und der Markkleeberger See mit Modelleisenbahn- und Klettervergnügen am Auenhainer Strand.

Aber auch in der Stadt gibt es jede Menge zu entdecken. Und zwar nicht nur das, was alle kennen – den Zoo etwa, das Kindermuseum oder das Druckkunstmuseum … wobei: Schon hier wird deutlich, dass Priska Lachmann sich sehr genau umgeschaut hat nach Orten, an denen ihre Kinder tatsächlich neue, spannende Sachen entdecken und vor allem ausprobieren können. Und dazu sind in den letzten Jahren erstaunlich viele Angebote entstanden, manches ganz versteckt, sodass man es nur entdeckt, wenn man wie ein Kind denkt, etwa die Inspirata, die Kinder schon früh mit der Faszination der Wissenschaften bekannt macht, das Unikatum oder die Halle 14.

Wer die Tipps von Priska Lachman durchliest (samt Adresse, lebhafter Schilderung der Angebote und Anreise-Möglichkeiten), der bekommt eine ganz neue Leipzig-Stadtkarte im Kopf. Der beschaut sich die Kulturangebote mit der elementaren Frage im Kopf: Kann ich das auch mit Kindern machen? Vielleicht sogar mit allen? Und da tauchen dann die unterschiedlichsten Angebote auf, die völlig unterschiedliche Kinderlaunen befriedigen – ein Nachmittag im Garten Annalinde ist völlig anders als einer auf der ältesten Minigolfanlage, ein Besuch im Apothekergarten oder (nebenan) im Schmettlingshaus ist anders spannend als einer im Regenwaldmuseum Phyllodrom, einer im Kletterabenteuer im Bretschneider-Park anders als einer auf dem Linke-Hof in Baalsdorf.

Man wird beinah selbst wieder zum Kind, fühlt sich eingeladen zum Klettern, Matschen, Tierestreicheln. Oder zum Hinaufkrabbeln auf allerlei Türme (wie den auf der Bistumshöhe und den im Rosental, der sogar wackelt). Im Cineding entdeckt man eins der kleinen Kinos, die regelmäßig tolle alte Kinderfilme zeigen, hinterm Conne Island entdeckt man lauter Extremisten … ach Quatsch: Eine echte Skater-Bahn mit Spielplatz. Da traut sich garantiert kein grantiger alter Mann hin.

Das Theater der Jungen Welt hat zwar nicht mehr ins Buch gepasst, dafür gibt es einen Besuch im Dachtheater im Haus Steinstraße und die Entdeckung der legendärsten Eisdiele der Stadt (nein, es ist nicht der „Pinguin“). In der Dieskaustraße findet man auf einmal eine richtige Kinder-Erfinder-Werkstatt und in der Eisenbahnstraße ein richtiges Kinder-Erlebnis-Restaurant. Und wer es noch nicht weiß, erfährt, dass auch Gewandhaus und Bildermuseum schöne Kinder-Angebote vorhalten, die eine frühe, echte Berührung mit Kunst und Musik ermöglichen.

Und man merkt auch, dass Priska Lachmann und die sie begleitende Fotografin Juliane Weicker auch immer die Frage mitbedacht haben: Was stellen eigentlich die Eltern an, während ihre Kinder toben, erfinden, ins Abenteuer abtauchen?

Deswegen rücken auch die kleinen Plätze am Rand der Abenteuer ins Bild – wie das Café Oink in Plagwitz, der Katzentempel am Johannisplatz oder der Sommergarten der Villa Hasenholz. Und etliche Entdeckungen kann man sowieso gemeinsam machen – so wie den Klangberg in Probstheida, die Kanu-Tour auf dem Karl-Heine-Kanal oder die Waffelbäckerei direkt am (neu gestalteten) Karl-Heine-Platz, das HeLo. Dasselbe trifft auf den Hörspielsommer, das sommerliche Freiluft-Kino im Clara-Park und einen Ausflug zum Stadtgut Mölkau zu.

Wer all das noch nicht kennt als Papa und Mama, der wird mit diesem Buch eine Menge hilfreicher Tipps bekommen, die das Leben mit den abenteuerlustigen Kleinen verändern. Da lautet dann die Antwort auf die ewige Frage der Kleinen „Was machen wir heute?“ eben: „Lasst euch überraschen.“

Und dann kann man die Kleinen so richtig auf die Folter spannen, wenn man mal in eine völlig andere Straßenbahn steigt und einfach nicht verrät, warum es jetzt nach Paunsdorf geht (zu den Wildpferden nämlich) oder nach Markranstädt (zu einer richtigen funktionierenden Windmühle) oder nach Machern (in einen abenteuerlichen Schlosspark).

So manches Altvertraute (wie den Leipziger Wildpark oder den Abenteuerspielplatz am Auensee) darf man zu Recht vermissen. Aber wer mit Priska Lachmann erst einmal einen Sinn dafür entwickelt hat, was man mit Kindern in und um Leipzig tatsächlich alles anstellen kann, um sie richtig glücklich zu machen, der findet auch diese Orte und schreibt sich selbst einen Ratgeber „noch 111 Orte mehr, die man mit Kindern in Leipzig entdecken kann“.

Denn dann hat man ein Gespür dafür, was Kinder an einer Stadt wirklich spannend finden – Gucklöcher zum Beispiel, wie das an der Bethlehem-Gemeinde oder echte Kletterbäume, wie die am Silbersee in Lößnig. Und mit dem Parkfriedhof in Plagwitz und dem Trostkater Rüdiger kommt auch das Elementare im Leben ins Bild: Trauer und Vergänglichkeit. Ganz ähnlich wie beim Schnullerbaum im Park an der Liebigstraße oder beim kosmischen Ausflug in die Sternwarte in Schkeuditz.

Man merkt, dass die Autorin hier wirklich mit ihren Kindern auf Expedition war und nicht einfach wieder die üblichen Attraktionen abgeklappert hat, sondern sich wohl auch sehr auf das Urteil der Kleinen eingelassen hat. Das sich natürlich ändert und entfaltet, wenn Eltern die Chance wirklich nutzen, mit ihren Sprösslingen auf Exkursion zu gehen und selbst etwas erfahren wollen über die Stadt, in der sie leben und für gewöhnlich immer dieselben Wege ablaufen.

Es lohnt sich unübersehbar, gerade in freien Zeiten ganz bewusst von den ausgelatschten Wegen abzuweichen und sich die Neugier der Kinder wieder zu eigen zu machen. Man landet bei versteckten Wassermühlen, im Laden einer Kräuterhexe oder auch im verstecktesten Spielplatz zwischen Leipzig und Markkleeberg.

Und für manche Eltern wird das Buch auch eine Rettung sein, weil sie darin immer etwas finden, das sie der meuternden Bande aufs Auge drücken können, wenn die partout lieber vorm Fernseher verschnarchen will. Nichts gibt’s: Schuhe an, Strohhut auf, Verpflegung eingepackt! Heute geht’s nach Nummer 83. Die gibt es zwar nur ein Mal im Jahr. Aber wer sie verpasst, ist wirklich selber schuld.

Priska Lachmannn 111 Orte für Kinder in Leipzig, die man gesehen haben muss, Emons Verlag, Köln 2019, 16,95 Euro.

Hinweis der Redaktion in eigener Sache (Stand 1. Oktober 2019): Eine steigende Zahl von Artikeln auf unserer L-IZ.de ist leider nicht mehr für alle Leser frei verfügbar. Trotz der hohen Relevanz vieler unter dem Label „Freikäufer“ erscheinender Artikel, Interviews und Betrachtungen in unserem „Leserclub“ (also durch eine Paywall geschützt) können wir diese leider nicht allen online zugänglich machen.

Trotz aller Bemühungen seit nun 15 Jahren und seit 2015 verstärkt haben sich im Rahmen der „Freikäufer“-Kampagne der L-IZ.de nicht genügend Abonnenten gefunden, welche lokalen/regionalen Journalismus und somit auch diese aufwendig vor Ort und meist bei Privatpersonen, Angehörigen, Vereinen, Behörden und in Rechtstexten sowie Statistiken recherchierten Geschichten finanziell unterstützen und ein Freikäufer-Abonnement abschließen.

Wir bitten demnach darum, uns weiterhin bei der Erreichung einer nicht-prekären Situation unserer Arbeit zu unterstützen. Und weitere Bekannte und Freunde anzusprechen, es ebenfalls zu tun. Denn eigentlich wollen wir keine „Paywall“, bemühen uns also im Interesse aller, diese zu vermeiden (wieder abzustellen). Auch für diejenigen, die sich einen Beitrag zu unserer Arbeit nicht leisten können und dennoch mehr als Fakenews und Nachrichten-Fastfood über Leipzig und Sachsen im Netz erhalten sollten.

Vielen Dank dafür und in der Hoffnung, dass unser Modell, bei Erreichen von 1.500 Abonnenten oder Abonnentenvereinigungen (ein Zugang/Login ist von mehreren Menschen nutzbar) zu 99 Euro jährlich (8,25 Euro im Monat) allen Lesern frei verfügbare Texte zu präsentieren, aufgehen wird. Von diesem Ziel trennen uns aktuell 450 Abonnenten.

Alle Artikel & Erklärungen zur Aktion Freikäufer“

Empfohlen auf LZ

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar