Soziales Verhalten hat eine Menge mit Mitgefühl zu tun. Wenn ich nicht nachfühlen kann, wie andere leiden, ist meine Motivation, sozial zu handeln, äußerst eingeschränkt. Kriege und Vorurteile entstehen aus diesem fehlenden Verständnis für andere. Aber man kann die soziale Empathie lernen, fand jetzt eine Leipziger Forschergruppe heraus.

Die Voraussetzung kennen die Meisten. Oder sollten die Meisten kennen: Andere Menschen leiden zu sehen, löst starke soziale Emotionen aus. Diese können durch negative Empfindungen geprägt sein, aber auch durch Mitgefühl, welches durch Sorge für das Wohl des anderen charakterisiert ist. Je näher uns diese Menschen stehen, umso stärker sind die Gefühle. Manchmal können sie sogar hilflos machen.

Forscher am Leipziger Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften konnten nun zeigen, dass ein Mitgefühlstraining mit Hilfe von Meditation die Aktivität von Gehirnregionen verstärkt, die mit positiven Emotionen, Affiliation und Belohnung assoziiert sind. Positive Emotionen können so gezielt gefördert werden und sowohl hilfreich im Umgang mit emotionalem Stress sein als auch die Motivation zu prosozialem Verhalten erhöhen.

Die Arbeit mit Meditationsexperten und meditation-unerfahrenen Probanden – hier vor einem der MRT-Scanner des Leipziger MPIs – lieferte wichtige Hinweise auf die Wirkung mentalen Trainings.

Bei der Meditationstechnik “Metta”, die auch als Liebende-Güte-Meditation bekannt ist, wird in einer Haltung stiller Konzentration versucht, Gefühle von Freundlichkeit und Wärme, die man für sehr nahe stehende Menschen wie die eigenen Eltern oder Kinder empfindet, auf alle Menschen auszudehnen.
Wie Studien der letzten Jahre zeigen, hat dies einen doppelten Nutzen: Auf Metta basierendes mentales Training stärkt positive Emotionen im Alltag und dadurch persönliche Ressourcen. Zugleich erhöht größeres Mitgefühl die Motivation, anderen zu helfen. Unbekannt war bis jetzt, was das Mitgefühlstraining auf neuronaler Ebene auslöst und wie sich Mitgefühl auf den Umgang mit emotional stressigen Situationen auswirkt.

Um dieser Frage nachzugehen, maßen Forscher der Abteilung Soziale Neurowissenschaft am Leipziger Max-Planck-Institut unter der Leitung von Prof. Tania Singer zunächst die Hirnaktivität von Versuchsteilnehmern ohne Meditationserfahrung, während diese kurze Videosequenzen von Menschen in Notsituationen sahen. Im Anschluss an jedes der 10 bis 18 Sekunden langen Videos gaben die Probanden an, wie viel Empathie sie fühlten und wie positiv oder negativ ihr Erleben war. Es traten überwiegend negative Emotionen gepaart mit Empfindungen der Empathie für das Leid anderer auf, einhergehend mit erhöhter Aktivität in Hirnregionen, die mit negativen Affekt sowie Empathie für das Leid anderer assoziiert sind.

“Diese empathische Reaktion, bei der wir fremde Gefühle wie die Eigenen erleben können, ist wichtig, um einander zu verstehen”, sagt Olga Klimecki. “Wenn die negativen Emotionen aber zu sehr überhand nehmen, kann das zur schweren Belastung werden”.Nach der ersten Messung der Hirnaktivität fand eine eintägige Übung in Liebender-Güte-Meditation statt, die ein Meditationslehrer leitete. Eine Kontrollgruppe erhielt ein Gedächtnistraining. Um den Effekt des Trainings aufrecht zu erhalten, praktizierten die Teilnehmer die geübte Methode im Rahmen der Studie und zu Hause. Einige Tage später wurde erneut gemessen. Nun reagierten die meditationsgeschulten Teilnehmer auf die Videos mit mehr positiven Emotionen. Im Gehirn war verstärkte Aktivität in Regionen messbar, die mit positivem Affekt, Liebe und Nähe assoziiert sind. Diese Veränderungen waren spezifisch für die Mitgefühlsgruppe und wurden nicht bei der Gedächtnisgruppe beobachtet.

“Wichtig ist, dass dabei die Empathie, also das Nachfühlen des fremden Schmerzes nicht verschwand, sondern positive Empfindungen hinzu kamen”, betont Klimecki. “Mitgefühl scheint zu ermöglichen, mit der negativen Realität in Kontakt zu bleiben, während gleichzeitig positive Gefühle aufgebaut werden.” Davon könnten besonders Menschen profitieren, die häufig mit dem Leiden anderer konfrontiert sind, wie etwa Angehörige von Schwerkranken oder Klinikpersonal.

Zunächst aber müsse die langfristige Wirkung und Umsetzbarkeit von Mitgefühlstraining besser erforscht werden, schreiben die Forscher in ihrer Studie “Functional neural plasticity and associated changes in positive affect after compassion training”. Zu diesem Zweck bereiten die Wissenschaftler der Abteilung Soziale Neurowissenschaft um Direktorin Tania Singer derzeit eine umfangreiche einjährige Langzeitstudie vor, die Anfang 2013 beginnt.

Tipp: Im Rahmen der Leipziger Langen Nacht der Wissenschaften am Freitag, 29. Juni, können Interessierte mehr über diese Forschung erfahren: Olga Klimecki nimmt am “Science Slam” teil, der von 21:30 bis 22:30 Uhr in der Universitätsbibliothek Albertina (Beethovenstraße 6) stattfindet.

Prof. Dr. Tania Singer hält am selben Abend den Vortrag “Die Neurowissenschaft von den sozialen Emotionen: Erfassung, Entwicklung und Plastizität”. Hören kann man ihn von 21:00 bis 22:00 Uhr im Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften (Stephanstraße 1A).

www.cbs.mpg.de

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