Eigentlich war das auch schon 2005 klar, als die Idee, intakte Wälder in Tropenländern für CO₂-Kompensationen zu nutzen, indem man mit den CO₂-Gutschriften ihre Funktionsfähigkeit erhält, nicht ohne strenge Kontrolle funktionieren würde. Die Idee schien einleuchtend. Aber wer würde garantieren, dass die Wälder tatsächlich geschont würden und keine Entwaldung stattfindet? Eine Untersuchung, an der auch das iDiV beteiligt war, kommt jetzt zu einem ernüchternden Ergebnis: Nur eine Minderheit der Projekte konnte tatsächlich nennenswerte Erfolge bei der Eindämmung der Entwaldung vorweisen. Lediglich 19 % erreichten ihre angegebenen Emissionsziele.

Oder so formuliert: 81 Prozent der verkauften CO₂-Zertifikate waren Luftnummern, rausgeschmissenes Geld ohne jeglichen positiven Effekt für das Klima. Im Gegenteil.

REDD+ ist ein Programm, bei dem Länder Geld dafür bekommen, dass sie ihre Wälder erhalten und damit das Klima schützen. Die Verrechnung erfolgt über CO₂-Gutschriften. Ein internationales Forschungsteam – größtenteils mit Hauptsitz am Guangdong Laboratory of Artificial Intelligence and Digital Economy (SZ) in China und Beteiligung von Prof. Dr. Jonathan Chase vom Deutschen Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) und der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) – analysierte 52 REDD+-Initiativen mit insgesamt 66 Projektkomponenten.

Wie wurde die Wirkung von REDD+ gemessen?

Die Forschenden nutzten sogenannte „synthetische Kontrollmethoden“, um die tatsächliche Entwicklung in Projektgebieten mit hypothetischen Szenarien ohne Schutzmaßnahmen zu vergleichen. Diese Gegenüberstellung basiert auf ähnlichen Regionen in 14 tropischen Ländern Lateinamerikas, Afrikas und Südostasiens, die vergleichbare Umwelt- und Sozialbedingungen aufweisen, jedoch keine REDD+-Projekte implementiert haben.

So konnten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler abschätzen, ob REDD+-Maßnahmen tatsächlich zur Verringerung der Entwaldung beigetragen haben – und ob die ausgestellten CO₂-Gutschriften auf realen Klimanutzen beruhen.

„Unsere Analyse zeigt, dass das Problem echt ist – aber nicht unlösbar“, sagt Mitautor Prof. Dr. Jonathan Chase, Leiter der Forschungsgruppe Biodiversitätssynthese bei iDiv und der MLU. „Durch transparente Vergleichsgrundlagen lässt sich erkennen, welche Projekte wirklich etwas bewirken.“

Teilweise Erfolge, aber auch massive Überbewertungen

Etwa ein Drittel der Projektkomponenten (32 %) zeigte deutlich geringere Entwaldung als erwartet – insbesondere einige Projekte in Brasilien schnitten positiv ab. Gleichzeitig verzeichneten fast 20 % der Einheiten (11 von 66) sogar mehr Waldverlust als ihre Vergleichsflächen.

In rund 35 % der Initiativen lagen die angegebenen Ausgangswerte für Entwaldung deutlich über den tatsächlichen Daten. Besonders auffällig: In Kolumbien wurde das Risiko der Entwaldung teils um das Zehnfache überschätzt – ein klares Indiz für übermäßige CO₂-Gutschriften.

Das Team untersuchte 48 Projekte mit öffentlich zugänglichen Daten zu ausgestellten Gutschriften. Bis Ende 2022 wurden rund 228 Millionen CO₂-Gutschriften vergeben, von denen 127 Millionen bereits zur Kompensation von Emissionen genutzt wurden.

Doch nur etwa 35 Millionen dieser Gutschriften basieren laut Studie auf tatsächlich vermiedener Entwaldung – das entspricht lediglich rund 13,2 % der handelbaren Gutschriften.

„Der Markt braucht Gutschriften, die halten, was sie versprechen“, betont Chase. „Wir schätzen, dass derzeit nur etwa jede achte Gutschrift echten Klimanutzen bringt. Mit besseren Ausgangsdaten, unabhängiger Bewertung und vielfältigen Projektportfolios lässt sich das Vertrauen wiederherstellen.“

REDD+ neu denken – statt abschaffen

Die Forscher geben sich trotzdem optimistisch, dass der Ansatz doch noch funktionieren könnte. Trotz der Kritik sieht das Forschungsteam in REDD+ weiterhin ein vielversprechendes Instrument im Kampf gegen den Klimawandel. Immerhin zeigten auch unterdurchschnittliche Projekte teilweise positive Effekte.

Entscheidend sei, dass die REDD+-Maßnahmen sorgfältig umgesetzt und wissenschaftlich fundiert bewertet werden. Ziel sei es nicht, REDD+ aufzugeben, sondern es so zu verbessern, dass jede ausgestellte CO₂-Gutschrift einen echten Klimabeitrag leistet.

Originalpublikation: Tang Y., Yang C., Wu H., Xu Z., Tan L., Tu W., Li B., Li Z., Wang Z., Guo K., Xiong S., Chen S., Zhang B., Tian J., Hu Y., Chen Z., Chase J.M., Li Q. (2025). Tropical forest carbon offsets deliver partial gains amid persistent over-crediting, Science.

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