Sie hat deutliche Kritik bekommen, die sächsische Wissenschaftsministerin Sabine von Schorlemer. Denn sie hat die sächsischen Hochschulen - trotz Bewerberansturm und Studierendenrekord - angewiesen, 1.042 Dozentenstellen zu streichen. Die "Freiheit", selbst auszusuchen, wo sie kürzten oder zwangsweise Institute schlossen, überließ sie ihnen. In der LVZ verteidigt die Wissenschaftsministerin nun ihre Haltung. An der sie nicht zu rütteln gewillt ist.

Denn dadurch, dass sie den Hochschulen nur Streich-Kontingente gab, schob sie die undankbare Rolle des Scharfrichters einfach weiter. Eine Haltung, die Holger Mann, Sprecher für Hochschule und Wissenschaft der SPD-Fraktion im Sächsischen Landtag, nicht akzeptieren kann. Auch nicht, nachdem die Leipziger Volkszeitung (LVZ) der Ministerin eine Seite einräumte, ihre Politik zu erklären und und auch irgendwie die Zahlen, mit denen sie operiert. Welche Regierung hat denn nun eigentlich beschlossen, dass 1.042 Stellen abgebaut werden?

“Von der ?Anwältin der Hochschulen? darf man andere Impulse erwarten als abermals den Schwarzen Peter an die Hochschulen abzugeben und jegliche Verantwortung von sich zu weisen. Denn die Landespolitik setzt die Rahmenbedingungen, innerhalb derer Hochschulen entscheiden können”, kritisiert Holger Mann die Sachverhalte, wie sie von Schorlemer benennt. “Die jetzt zum Abbau zu benennenden Stellen sind kein Relikt der Kürzungen der CDU-Alleinregierung, wie von Schorlemer behauptet, sondern gehen auf den Kabinettsbeschluss ?ZAb 2020? vom 2. März 2010 zurück. Zu dieser Zeit saß die Ministerin bereits am Kabinettstisch und hätte Schlimmeres verhindern können, da bereits absehbar war, dass es keinen drastischen Studierendenrückgang im Freistaat Sachsen geben würde.”

Doch im LVZ-Interview behauptet sie unhinterfragt: “Moment – ein Drittel des sächsischen Haushaltes fließt in Bildung und Forschung. Und derzeit geht es um den Abbau von unter 70 Stellen pro Jahr an allen Hochschulen – bei aktuell 9.255 Stellen. Das wurde bereits 2003 beschlossen und nochmal um mehrere Jahre geschoben.”

Aber sie lässt auch durchblicken, woher die Sparstrenge kommt. Denn das Streichkonzert resultiert ja aus den panischen Voraussagen des sächsischen Finanzministers, der solche Stellenstreichungen in fast allen Ressorts durchgedrückt hat. Von Schorlemer: “Das gibt es in keinem anderen Bereich. Aber auch wir müssen verantwortungsvoll mit unseren Ressourcen umgehen. Und genau wie alle Bereiche der öffentlichen Verwaltung, seien es Polizisten, Richter oder Beschäftigte in der Forstwirtschaft, müssen die Hochschulen ihren Beitrag leisten.”Dass es den von Finanzminister Georg Unland (CDU) prophezeiten Einbruch der Staatseinnahmen nicht gegeben hat, wird auch von Schorlemer nicht reflektiert. Im Interview deutet sie an, dass sie sogar überrascht wurde von der Entwicklung der Studierendenzahl. Und man habe doch gegengesteuert. Mit dem “Überlastpaket”.

“Im Augenblick haben wir mit dem Überlastpaket eine Überkompensation des Stellenabbaus vorgenommen”, sagt sie im Interview.

“Sich heute mit dem Überlastpaket oder Bildungspaket zu brüsten, ist unredlich. Das Überlastpaket stammt aus Bundesmitteln des Hochschulpaktes, die den Hochschulen für ihre Arbeit selbstverständlich zur Verfügung stehen sollten”, sagt Holger Mann zu diesem Passus. Und auch die 225 Stellen für die Lehrerausbildung, die 2015 und 2016 entstehen sollen, hätten nichts mit Überangebot zu tun. Im Gegenteil: Hier stopft der Freistaat ein Loch, das er mit der Streichung der Lehrerausbildung in Chemnitz erst geschaffen hatte. Erst 2013 hat auch das Kultusministerium akzeptiert, dass man den Lehrerstellenabbau so nicht weitertreiben kann. Also wurde – man erinnert sich – ein “Bildungspaket” geschnürt.

“Mit dem Bildungspaket bezahlt der Freistaat nur die zusätzlichen Leistungen, welcher er in Form von deutlich mehr und gut ausgebildeten Lehrer/innen erwartet. Gemein ist beiden Paketen jedoch, dass sie zunächst nur bis 2016 laufen, keine Planungssicherheit für die Hochschulen bieten und den Trend zu prekärer Beschäftigung weiter fördern”, kritisiert Holger Mann etwas, was im LVZ-Interview ebenfalls nicht hinterfragt wurde: Denn abgebaut werden unbefristete Dozenten-/Professorenstellen. Was im Gegenzug entstanden ist, sind befristete Stellen im Mittelbau. Doch man kann keine Institute erhalten, wenn man die Professorenstellen streicht.”Falls Wissenschaftsministerin von Schorlemer tatsächlich an einer ausgewogenen Fächerlandschaft in Sachsen interessiert ist und ?Kleine Fächer? schützen möchte, steht ihr das Instrument der Zielvereinbarung zur Hand. Wer MINT-Quoten definieren kann, kann auch zum Schutz der Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften beitragen” erklärt Holger Mann, wie es gehen könnte, wenn man nicht einfach in Kontingenten und Produktionseinheiten denkt. “Bleibt zu hoffen, dass die Ministerin zu ihrer Verantwortung steht. Ein ?Haltet den Dieb!? hilft nicht weiter, sondern nur das Überdenken der Hochschulentwicklungsplanung und die Rücknahme des Stellenabbaubeschlusses im Landtag. Nur so können die Hochschulen in die Lage versetzt werden, ein ausgewogenes Studienangebot vorzuhalten.”

In der “Zuschussvereinbarung” der Staatsregierung mit den Hochschulen hat von Schorlemer 2013 auch die Pflicht der Hochschulen zum Stellenabbau festgeschrieben: “In Zielvereinbarungen zwischen SMWK und den Hochschulen gemäß § 10 Abs. 2 SächsHSFG wird die Profilschärfung der Hochschulen durch Schwerpunktsetzung unter Berücksichtigung des Angebotes benachbarter Hochschulen festgelegt. Dies umfasst auch die konkrete Umsetzung des Stellenabbaus gemäß Anlage 2. Die Hochschulen bewirtschaften ihre Stellen so, dass der in dieser Vereinbarung festgeschriebene Stellenabbau erbracht wird.”

Und es steht auch gleich die Sanktion mit drin: “11. Folgen der Nichterfüllung: Für den Fall, dass Hochschulen ihre Verpflichtungen nicht oder nicht vollständig erfüllen, kann der Freistaat Sachsen seine Leistungen an diese Hochschulen entsprechend reduzieren. Die hierdurch eingesparten Mittel stehen dem SMWK im Rahmen der Drei-Säulen-Budgetierung zur Verteilung an andere Hochschulen zusätzlich zur Verfügung.”

Heißt im Klartext: Wer aus der Reihe tanzt, büßt Geld ein. Weniger Studierende aufnehmen darf die Uni Leipzig aber auch nicht. Bis 2016 muss sie eine Studierendenzahl von “20.500 bis 25.200 Studenten (ohne Medizin)” aufrecht erhalten. Alles nachzulesen.

Die Kritik der TU Chemnitz: www.tu-chemnitz.de/tu/presse/aktuell/1/5577

Die Einzelheiten zum Stellenabbau im Freistaat Sachsen im Stellenentwicklungsbericht der Sächsischen Staatsregierung zum Haushaltsplan 2013/14 als PDF zum download.

Die Verteilung der künftig wegfallenden Stellen an den sächsischen Hochschulen für 2013 bis 2016 in der Zuschussvereinbarung als PDF zum download.

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