Das Thema wird immer brisanter: fehlende Schulen in den sächsischen Großstädten und insbesondere in Leipzig. Schon in den vergangenen Jahren machten überfüllte Klassen in einigen Leipziger Schulen von sich reden, die Verwaltung versuchte gegenzusteuern, indem Kinder in andere Schulen umgelenkt wurden. Doch immer mehr Eltern lassen sich das nicht gefallen, so das Ergebnis einer Landtagsanfrage.

Im Schuljahr 2016/17 sind gegen die Zuweisung zu einer bestimmten Schule Eltern in insgesamt 190 Fällen rechtlich vorgegangen. Davon wurde in 13 Fällen ein Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz vor Gericht eingereicht. Insgesamt 125 der 190 Verfahren waren erfolgreich im Sinne der Antragsstellerinnen und Antragsteller, 65 waren nicht erfolgreich.

Die Zahlen hat Petra Zais, bildungspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Sächsischen Landtag, durch eine Kleine Anfrage in Erfahrung gebracht. „Auch der aktuelle Lehrkräftemangel und die steigenden Schülerzahlen sollten nicht dazu führen, dass die freie Schulwahl eingeschränkt wird. Der deutliche Anstieg der Widersprüche im Vergleich zum vergangenen Schuljahr (Schuljahr 2015/2016 78 Widerspruchsverfahren) zeigt, dass Eltern das Recht auf freie Schulwahl verstärkt einfordern. Der Trend zur Wunschschule, besonders in den Großstädten, ist ungebrochen.“

Insgesamt spricht Kultusministerin Brunhild Kurth (CDU) von Widersprüchen „in dreistelliger Zahl“, vor allem in den Großstädten Leipzig, Chemnitz und Dresden. Durch Rücknahme des Widerspruchs nach Anhörung, durch die Anmeldung an einer anderen Schule, durch Umlenkung an eine andere Schule oder durch Umzug haben sich aber ein Großteil der Verfahren erledigt.

Trotzdem fällt auf, dass die Stadt Leipzig bei diesen Vorgängen einsam heraussticht. Mit dem allgemeinen sächsischen Lehrermangel allein kann das nicht begründet werden.

Bei den Widersprüchen und gerichtlichen Verfahren geht es in der Hälfte der Fälle um Grundschulen. Auffällig häufig sind dabei Leipziger Grundschulen betroffen: Zwei Drittel der insgesamt 190 Vorgänge (129) entfielen auf die Leipziger Regionalstelle der Sächsischen Bildungsagentur (SBA), zu der auch die Landkreise Leipzig und Nordsachsen gehören, dabei 78 auf Grundschulen. In den SBA-Regionalstellen Dresden und Bautzen gab es je 12 Fälle, im SBA-Bereich Zwickau 4 und in den SBA-Regionalstellen Chemnitz 33 Fälle.

Allein auf die Stadt Leipzig entfallen 97 Fälle – mehr als die Hälfte aller sachsenweit gezählten Fälle. Und in fast allen Fällen bekamen hier die Eltern Recht, konnte das Kind an die bevorzugte Schule wechseln.

Und die Statistik macht eben auch deutlich, woran es liegt.

Strittig sind in den meisten Fällen die Auswahlverfahren an den Schulen sowie die gleichmäßige Auslastung in den Grundschulkassen und die Vermeidung einer Unterschreitung der Mindestschülerzahl von im Bestand bedrohten Grundschulen.

Wobei in Leipzig eindeutig die Überlastung der Schulen eine Rolle spielt. Um ein Überlaufen bestimmter Schulen zu vermeiden, wird versucht, Kinder an eine andere Schule im Stadtbezirk umzulenken. Doch das lassen sich viele Eltern nicht gefallen und setzen durch, dass die Kinder trotzdem an die bevorzugte Schule kommen – egal, wie voll die Klassen dort schon sind.

Die sächsische Sparpolitik zeitigt ihre Folgen. Gerade in Leipzig, wo über Jahre schlicht zu wenig Geld vorhanden war, um das Schulbauprogramm voranzutreiben. Man hängt dem Bedarf um mehrere Jahre hinterher.

Und hinter den Fallzahlen wird auch deutlich, in welchen Stadtvierteln in Leipzig es schon besonders eng geworden ist. Hier waren die Plätze an der 68. Oberschule Leipzig (11 Fälle) in der Breitenfelder Straße in Gohlis am heftigsten umkämpft, gleiches gilt für die nahe gelegene Friedrich-Schiller-Schule/Gymnasium der Stadt Leipzig (8 Fälle).

An Grundschulen, auch wenn diese insgesamt die am stärksten betroffene Schulart sind, verteilen sich die zahlreichen Fälle auf viele verschiedene Schulen.

„Die Schülerzahlen steigen weiter. Vor allem im Grundschulbereich sollte im Interesse kurzer Schulwege eine Klassenbildung auch außerhalb der Mindestschülerzahlen möglich sein. Mit den aktuellen Entwicklungen am Gymnasium wird auch diese Schulart wieder in den Fokus rücken“, kommentiert Petra Zais die Zahlen. „Hier sollten insbesondere die Kreisfreien Städte Unterstützung zur Schaffung des erforderlichen Schulraums erhalten. Andernfalls droht ein weiterer Anstieg an ‚Umlenkungen‘ – und damit ein Anstieg an Widersprüchen und Klagen gegen diese Entscheidungen.“

Kleine Anfrage Petra Zais „Einklagen von Schulplätzen Schuljahr 2016/2017“ (Drs 6/7210).

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