4,838 Milliarden Euro, die dem Freistaat Sachsen aus dem Sondervermögen „Infrastruktur und Klimaneutralität“ des Bundes für zwölf Jahre zur Verfügung stehen, das hört sich nach richtig viel Geld an. Zumindest, wenn man in Bruchrechnung nicht aufgepasst hat. Dann schnurrt die Summe auf gerade einmal 400 Millionen Euro zusammen, die der Freistaat im Jahr übers Land verteilt.

Nur: Was bringt das Geld eigentlich, wenn der Freistaat parallel dazu seine Förderprogramme einkürzt? Eine nicht ganz unwichtige Frage. 

Sachsens Staatsregierung und die kommunalen Landesverbände haben sich am Montag, 20. Oktober, über die Verteilung der 4,838 Milliarden Euro verständigt, meldete das Finanzministerium. Eine entsprechende Vereinbarung unterzeichneten am Montag Ministerpräsident Michael Kretschmer, die Stellvertretende Ministerpräsidentin, Petra Köpping, der Präsident des Sächsischen Städte- und Gemeindetages, Bert Wendsche, sowie der Präsident des Sächsischen Landkreistages, Henry Graichen, in Dresden.

„Es war von Anfang an mein Ziel, einen Großteil der Mittel für Maßnahmen auf der kommunalen Ebene einzusetzen und dass über deren konkrete Verwendung die Kommunen in weiten Teilen selbst in freier Verantwortung für die Regionen entscheiden können“, meinte Ministerpräsident Michael Kretschmer.

„Mit der Einigung ist uns eine faire und sachgerechte Aufteilung der zusätzlichen Bundesmittel zwischen dem Freistaat und der kommunalen Familie gelungen. Der besondere sächsische Gemeinschaftsgeist und Zusammenhalt zeigt sich für mich darin, dass wir uns solidarisch über vier langfristig zu realisierende besondere Investitionsbereiche verständigt haben.“

Was wird verteilt?

Von den rund 4,8 Milliarden Euro erhalten die Kommunen rund 2,8 Milliarden Euro zur Stärkung der kommunalen Investitionskraft. Mit rund 1,5 Milliarden Euro verwendet das Land 31,5 Prozent der Mittel für Investitionen. Weitere zehn Prozent (483,8 Millionen Euro) sind für besonders hervorgehobene Investitionsbereiche vorgesehen, die sowohl im Landes- als auch Kommunalinteresse stehen, teilt das Sächsische Finanzministerium mit.

Dazu gehören die Ertüchtigung der Landesfeuerwehr- und Katastrophenschutzschule in Nardt, der Masterplan Südwestsachsen, Digitalisierungsprojekte und Maßnahmen zur Unterstützung der sächsischen Olympiabewerbung. Im Ergebnis werden mindestens 60 Prozent der durch den Bund zur Verfügung stehenden Mittel für Investitionen in die kommunale Infrastruktur und Vorhaben im kommunalen Interesse zur Verfügung stehen.

Von den 2,8 Milliarden Euro für die Kommunen werden 1,7 Milliarden Euro in Form von Investitionsbudgets ausgereicht. Über diese sollen die Kommunen in größtmöglicher Eigenverantwortung vor Ort entscheiden können. Weitere 1,1 Milliarden Euro sollen über Förderprogramme des Landes in die kommunalen Investitionsbereiche Straßen- und Brückenbau (45 Prozent), Schulhausbau (45 Prozent) und kommunaler Krankenhausbau (zehn Prozent) fließen.

Nur ein Verschiebebahnhof

Genau da aber wird es spannend. Denn was ändert die Zuweisung eigentlich, wenn damit am Ende nur die Investitionskürzungen im Landeshaushalt ausgeglichen werden? Also genau das passiert, wovor die Kritiker des „Sondervermögens“ gewarnt haben: Dass mit den Geldern, die der Bund nun als Schulden aufnimmt, in Wirklichkeit nur Investitionen bezahlt werden, die normalerweise im gewöhnlichen Haushalt abgebildet werden müssen?

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Sachsen sieht trotz dieser scheinbar „zusätzlichen“ Gelder weiterhin ein Milliardenloch beim Schulbau.

Kommunaler Investitionsbedarf allein in den Jahren 2024 bis 2028 in Sachsen. Grafik: Kompetenzzentrum für kommunale Infrastruktur Sachsen am Institut für öffentliche Finanzen und Public Management der Uni Leipzig
Kommunaler Investitionsbedarf allein in den Jahren 2024 bis 2028 in Sachsen. Grafik: Kompetenzzentrum für kommunale Infrastruktur Sachsen am Institut für öffentliche Finanzen und Public Management der Uni Leipzig

Dazu erklärt Burkhard Naumann, Vorsitzender der Bildungsgewerkschaft GEW in Sachsen: „Im aktuellen Landeshaushalt wurden die Investitionen für den Schulbau massiv gekürzt. Statt mit dem Sondervermögen des Bundes mehr Schulen zu sanieren, wird es genutzt, um Haushaltslöcher zu stopfen. Damit schiebt Sachsen den Sanierungsstau an Schulen weiter vor sich her.

Noch immer fällt an einigen Schulen in Sachsen der Putz von der Wand und gute Raumluft ist mit veralteten Fenstern sowie fehlenden Verschattungen im Sommer wie im Winter unmöglich. Die Kommunen können das längst nicht mehr aus eigener Kraft bewältigen. Mehr Investitionen von Land und Bund sind dringend nötig. Wir fordern das Land auf, eine Strategie zum Schulbau für die kommenden Jahre vorzulegen.“

Die GEW Sachsen geht allein von einem Investitionsbedarf von ca. 4,5 Milliarden Euro für die Instandhaltung und Sanierung von Schulen in Sachsen bis 2030 aus. Eine Studie des Kompetenzzentrums für kommunale Infrastruktur Sachsen der Uni Leipzig von 2024 bezifferte den Investitionsbedarf der Kommunen in Sachsen allein für die Jahre 2024 bis 2028 auf 10,92 Milliarden Euro bezifferte. Schulen hatten daran allein einen Anteil von 3,369 Milliarden Euro. Und da das auch nach 2028 so weitergehen wird, ist abzusehen, dass schon allein der Posten Schulbauförderung hinten und vorne nicht reicht.

Investitionsbedarf der sächsischen Kommunen 2024 bis 2033. Grafik: Friedrich-Ebert-Stiftung
Investitionsbedarf der sächsischen Kommunen 2024 bis 2033. Grafik: Friedrich-Ebert-Stiftung

Landesregierung und Kommunen haben sich geeinigt, dass von den verbleibenden 1,1 Milliarden Euro an die Kommunen 45 Prozent in den Schulbau gehen, rechnet die GEW vor. Das entspricht 495 Millionen Euro auf zwölf Jahre verteilt oder durchschnittlich 40 Millionen Euro pro Jahr. Oder so formuliert: Bei den heutigen Baukosten ist das nicht einmal eine ganze Schule im Jahr.

Im Sächsischen Doppelhaushalt 2025/26 sind aktuell 50 Millionen Euro pro Jahr eingeplant, jedoch lediglich für bereits bewilligte Schulbauprojekte. Das heißt: Die Kommunen werden mit ihrem riesigen Investitionsstau auch und gerade bei Schulen wieder im Regen stehen gelassen. Der gefeierte Geldsegen ist nicht einmal ein Tropfen auf dem heißen Stein.

Allein für Schulen müsste Sachsen jährlich 660 Millionen Euro investieren, bis 2033 stattliche 6,6 Milliarden Euro, hat die Friedrich-Ebert-Stiftung in einer Studie für den DGB ausgerechnet. Zahlen, die jeder sächsische Finanzminister selbst abfragen könnte. Aber ganz offensichtlich tut das niemand in Dresden. Man steuert den Freistaat geradezu blind durch die Gewässer und unterlässt – wie die Zahlen ja deutlich zeigen – tatsächlich dringend notwendige Milliardeninvestitionen.

Oder um es so zu formulieren: Weder Bundesregierung noch sächsische Staatsregierung sind in der Lage, den tatsächlichen Investitionsbedarf in Land und Kommunen tatsächlich auszufinanzieren, während die Kommunen gerade reihenweise in die nicht mehr genehmigungsfähigen Haushalte rutschen, diese Investitionen also auch nicht aus eigener Kraft schultern können.

„Milliardeninvestitionen in Sachsens Kommunen“ hatte das Sächsische Finanzministerium seine Meldung zur Einigung betitelt und damit etwas suggeriert, was das gesamte Finanzpaket hinten und vorne nicht halten kann.

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Es gibt 2 Kommentare

Es ist erschütternd zu sehen, wie der Politikbetrieb nicht verstehen will; die eigentlich geplante finanzielle Hauruck-Aktion sowohl im Bund als auch im Land durch Einsparungen an die Wand fährt, und nur dazu benutzt, um für bestimmte Klientel am Status Quo festzuhalten zu können.

Im Bund hat man es mit dem Verschiebebahnhof sogar geschafft, bei 500Md. Euro MEHR, im laufenden Haushalt nun zu WENIG zu haben.

Bei so viel Ignoranz und Inkompetenz graust es mich, und es macht mich wütend.
Wer soll diesen ganzen Dilettantismus je wieder auf die rechte Bahn bekommen?
Lösungen sind bekannt, aber keiner hat den Mut, diese zu gestalten.
Es wird weiter schlimm gewurstelt – wider besseres Wissen.
Ich sehe auch keine wirklichen politischen Alternativen.

Man versteht ja dass “Ertüchtigung der Landesfeuerwehr- und Katastrophenschutzschule in Nardt, der Masterplan Südwestsachsen, Digitalisierungsprojekte” unter das Motto Kriegstüchtigkeit fallen könnten, aber “Maßnahmen zur Unterstützung der sächsischen Olympiabewerbung”? Egal, der Dirk holt die ganz dicken solidarischen Rüstungsbrocken und dann läuft der Laden wieder.

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