Die Steuerpolitik spielt eine prominente Rolle im Bundestagswahlkampf. „Union, FDP und AfD versprechen umfangreiche Steuerentlastungen, die das Staatsdefizit um bis zu vier Prozentpunkte des Bruttoinlandsprodukts (BIP) hochtreiben und vor allem Besser- und Hochverdienende entlasten“, fasst das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) zusammen, was bei der Prüfung der Steuersenkungspläne der Parteien herausgekommen ist.
Nicht nur wollen Union, FDP und AfD gerade die Reichen und Besserverdiener besonders entlasten. Sie würden mit ihren Plänen auch noch das Schuldenproblem der Bundesrepublik verschärfen.
„Union, FDP und AfD versprechen umfangreiche Steuerentlastungen. Diese reichen von 111 Milliarden Euro im Jahr bei der Union bis 188 Milliarden Euro bei der FDP – das sind 2,5 bis 4,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP)“, stellt das DIW fest. Für einen ausgeglichenen Staathaushalt wäre das regelrecht Gift.
Denn: „Entsprechend steigt das Finanzierungsdefizit des Staatshaushalts – das derzeit für 2025 und 2026 auf etwa zwei Prozent des BIP geschätzt wird. Die Entlastungen entstehen durch Senkungen des Einkommensteuertarifs, Abschaffung des Solidaritätszuschlags, Senkungen des Unternehmenssteuersatzes um mindestens fünf Prozentpunkte sowie Erleichterungen bei Abschreibungsbedingungen und Verlustverrechnung. Hinzu kommen Entlastungen bei Erbschaftsteuer und Grunderwerbsteuer, die Senkung des Mehrwertsteuersatzes für Gastronomiedienstleistungen sowie Entlastungen bei der Stromsteuer und bei den Stromnetzentgelten.“
Bei der AfD sieht es nicht viel anders aus. Und diese „Entlastungen“ kommen vor allem den Reichen und Superreichen zugute, die eigentlich keine Entlastungen brauchen.
„Durch die Entlastungen bei der Einkommensteuer, den vermögensbezogenen Steuern und vor allem den Unternehmenssteuern kommen die Entlastungen vor allem bei den Besser- und Hochverdienenden an. So gehen bei der Union gut die Hälfte und bei der FDP knapp die Hälfte der Steuerentlastungen an die einkommensreichsten zehn Prozent der Bevölkerung, etwa ein Viertel an das reichste Prozent“, stellt das DIW fest.
„Bei der AfD ist der Anteil bei den Hochverdienenden etwas niedriger, durch die Entlastungen bei der Energie- und der Grundsteuer kommt mehr in der Mitte und unten an. Bei der FDP wird das reichste Prozent um durchschnittlich fast 50.000 Euro je Einwohner im Jahr entlastet, bei der AfD um 41.000 Euro und bei der Union um 34.000 Euro. Von den Entlastungen der AfD bei Energiesteuern, CO₂-Bepreisung und Rundfunkbeitrag profitieren die geringen und mittleren Einkommen stärker.
Das gilt auch für die Umlage der Grundsteuer auf die Einkommen- und Körperschaftsteuer, die von unten nach oben verteilt. Insgesamt kommt bei der unteren Hälfte der Bevölkerung nur ein kleiner Teil der Entlastungen an – bei Union und FDP nur gut elf Prozent, bei der AfD ein Viertel.“
Den kompletten Beitrag mit allen Zahlen findet man hier.
Von Steuergerechtigkeit ist in den Plänen dieser drei Parteien nichts zu finden, stellt das DIW fest: „Auch bei den relativen Entlastungen kommen die Besser- und Hochverdienenden im obersten Einkommensdezil und im obersten Prozent der Einkommensverteilung am besten weg.
Das einkommensreichste Prozent wird bei der FDP um knapp zehn Prozent des Bruttoeinkommens entlastet, bei der AfD um acht Prozent und bei der Union um sieben Prozent. Die Einkommensverteilung nach Steuern wird also ungleicher, vor allem bei der FDP. Bei der AfD wird auch die untere Hälfte der Bevölkerung relativ stark entlastet, die Besserverdienenden profitieren weniger, dafür aber die Top-1-Prozent stärker.“
Die Steuerpläne der Linken hat das DIW hier nicht mit untersucht. Dafür die der SPD und der Grünen.
SPD und Grüne entlasten unten und belasten oben
„SPD und Grüne sind deutlich zurückhaltender bei den steuerlichen Entlastungen mit elf und 39 Milliarden Euro im Jahr, das entspricht 0,3 und 0,9 Prozent des BIP. Entlastungen für untere und mittlere Einkommen bei der Einkommensteuer, der Stromsteuer, Stromnetzentgelten oder der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel (SPD) und ein Klimageld (Grüne) sollen finanziert werden durch höhere Einkommensteuerbelastungen für Hochverdienende (SPD), die Abschaffung der Abgeltungsteuer, eine Superreichen-Vermögensteuer und den Abbau von Vergünstigungen bei Immobilienbesteuerung und der Erbschaftsteuer“, fasst das DIW zusammen.
„Das Elterngeld soll verlängert werden. Die Grünen wollen das Ehegattensplitting für neue Ehen einschränken und die SPD eine Finanztransaktionssteuer einführen. Ferner wollen die Grünen die Minijobs abschaffen und das Dienstwagenprivileg einschränken. Bereits kontrovers diskutiert wurden die Pläne zur Finanzierung der Kranken- und Pflegeversicherung, bei der die gesamte Bevölkerung in eine Bürgerversicherung einbezogen, die Beitragsbemessungsgrenze angehoben und die Vermögenseinkommen beitragspflichtig werden sollen.
Die Unternehmen sollen nicht durch eine Steuersenkung entlastet werden, sondern durch eine allgemeine Investitionsprämie von zehn Prozent auf Ausrüstungsinvestitionen, die bei der SPD nicht für Fahrzeuge gelten soll.“
Der Effekt der Steuermodelle von SPD und Grünen sieht dann auch etwas anders aus: „In der Verteilung ergeben sich in der unteren Einkommenshälfte ähnliche Entlastungen wie bei Union und FDP. Die Besserverdienenden in den oberen Einkommensdezilen werden weniger entlastet und die Hochverdienenden im obersten Prozent der Einkommensverteilung vor allem bei der SPD deutlich belastet.
Bei der SPD schlagen hier vor allem die Einkommensteuer-Erhöhungen und die Superreichen-Vermögensteuer zu Buche, sodass das einkommensreichste Prozent der Bevölkerung per Saldo mit 19 Milliarden Euro belastet wird, das sind durchschnittlich 22.000 Euro je Person oder knapp fünf Prozent des Einkommens.
Bei den Grünen wirkt sich dagegen die höhere Investitionsprämie einschließlich Fahrzeuge aus, ferner werden die Einkommensteuer-Spitzensätze nicht angehoben und die Superreichen-Vermögensteuer soll auf Milliardär/-innen beschränkt werden. Zugleich werden bei der Bürgerversicherung vor allem Besserverdienende belastet, während die Hochverdienenden nur relativ wenig davon betroffen sind.
Dies führt dazu, dass die ‚armen Reichen‘ (90 bis 99 Prozent der Einkommensverteilung) geringfügig belastet werden, während die Top-1-Prozent vor allem durch die Investitionsprämie entlastet werden, per Saldo um knapp ein Prozent des Bruttoeinkommens. Insgesamt wird vor allem bei der SPD die Einkommensverteilung gleicher, die explizit die unteren 95 Prozent der Einkommensverteilung zu Lasten der Hochverdienenden entlasten will. Das gilt auch für die Grünen, vorbehaltlich des obersten Perzentils.“
Die Pläne von FDP und AfD sind utopisch
Aber die gewaltigen Beträge, mit denen gerade Union, FDP und AfD behaupten, die Steuerzahler entlasten zu wollen (obwohl sie vor allem die Reichen noch weiter entlasten), sind vor einem sowieso schon klammen Staatshaushalt schlicht nicht finanzierbar und würden die Bundesrepublik in eine Schuldenspirale stürzen.
Oder mit den Worten des DIW: „Steuerentlastungen in Größenordnungen von mehr als vier Prozent des BIP, wie sie FDP oder AfD versprechen, sind utopisch angesichts der finanzpolitischen Herausforderungen, vor denen Deutschland in den nächsten Jahren steht. Infrastruktur, Bildung, demografischer Wandel, Fachkräftemangel, Migration, Energiewende, Wettbewerbsfähigkeit der Industrie und Verteidigung – all das sind Probleme, für die in den kommenden Jahren mehr Geld ausgegeben werden muss.
Schon weniger Steuereinnahmen von mehr als zwei Prozent des BIP wie bei der Union erscheinen überambitioniert. Mit Entlastungen von bis zu einem Prozent des BIP wie bei SPD und Grünen dürfte das Ende der Fahnenstange erreicht sein.“
Oder einmal so formuliert: Eigentlich besteht gar kein Spielraum für Steuerentlastungen. Tatsächlich muss der Staat in den nächsten Jahren sogar mehr einnehmen, weil er schlichtweg mehr finanzieren muss.
Und wo wird im Gegenzug gespart?
„Dass die Schuldenbremse in der nächsten Legislatur für öffentliche Investitionen oder Verteidigung gelockert wird, ist ziemlich sicher. Aber selbst dann summieren sich die verbleibenden Ausgabenbedarfe auf mehrere Prozentpunkte des BIP. Zusätzliche Entlastungen bei Steuern und Abgaben erfordern umfassende Einsparungen in den öffentlichen Haushalten.
Tatsächlich sollten die bestehenden Ausgabenprogramme nicht tabu sein, etwa Subventionen, aber auch Sozialleistungen. Wünschenswert wären hierzu umfassende Evaluationen und Effizienzverbesserungen in der öffentlichen Verwaltung. Aber jenseits von Einsparungen in Größenordnungen von 50 Milliarden Euro im Jahr lässt sich das nur langfristig erreichen.
Um die öffentliche Verwaltung effizienter zu machen, muss man in Strukturreformen investieren. Das kostet erst einmal Geld, um dann langfristig zu sparen. Darüber liest man wenig in den Wahlprogrammen der Parteien oder wenn, dann nur Allgemeinplätze“, stellt das DIW fest.
Und anders als die konservativen Parteien behaupten, werden Steuerentlastungen nicht unbedingt auch in wirtschaftliche Effekte umschlagen. „Höhere Wachstumseffekte über die hier geschätzten ‚Selbstfinanzierungseffekte‘ hinaus sind unwahrscheinlich“, merkt das DIW an.
Und spricht dann etwas aus, was in den Wahlkampfreden nicht zu hören ist. Denn wenn man die Steuerzahler auf der eine Seite so massiv um Steuerzahlungen entlastet, reißt das Löcher in die Staatskasse, die dann mit Steuererhöhungen an andere Stelle gestopft werden müssen. Klingt irre. Ist auch irre. Und vor allem ist es unter dem – falschen – Label der „Steuerentlastung” wieder nichts anderes als eine Umverteilung.
Der Elefant im Raum
Und wer müsste dann mehr zahlen? Das DIW skizziert da schon mal eine Vermutung.
Als tatsächliche Gegenfinanzierung bieten sich eine ganze Reihe von Instrumenten an, so das DIW: „Zur Finanzierung der Entlastungen kommt man an Steuererhöhungen nicht vorbei. Diese sollten möglichst auf ‚leistungslose‘ Einkommen, Vermögen oder Vermögensübertragungen konzentriert werden. Dies betrifft die Vorschläge zum Abbau von Steuervergünstigungen bei der Immobilienbesteuerung, wie sie die SPD und Grüne machen.
Auch die Grundsteuer könnte gestärkt werden, die in Deutschland ein relativ geringes Gewicht im internationalen Vergleich hat. Der Abbau von Erbschaftssteuerprivilegien oder Superreichen-Vermögensteuern können dazu beitragen, die Steuergerechtigkeit zu stärken und die beträchtliche Top-Vermögenskumulation zu begrenzen. Je nach Design müssen sie keine großen Effizienz- und Wachstumsnachteile haben. Angesichts der aktuellen Standortprobleme sollte man dabei aber vorsichtig sein und nur schrittweise vorgehen, möglichst auch international koordiniert.“
Aber da ist ja noch die Steuer, an der keiner vorbeikommt: „Der steuerpolitische Elefant im Raum ist die Mehrwertsteuer. Dazu bekennt sich derzeit keine Partei. Wie die guten Erfahrungen mit der ‚Merkelsteuer‘ 2007 zeigen, kann eine Mehrwertsteuererhöhung mit breit verteilten moderaten Belastungen ein hohes Aufkommen erzielen.
Eine Erhöhung des Regelsatzes um einen Prozentpunkt dürfte derzeit ein Aufkommen von 16 Milliarden Euro im Jahr erzielen. Eine Abschaffung des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes außer für Lebensmittel würde weitere 13 Milliarden Euro im Jahr mobilisieren. Die Schattenseite sind ungünstige Verteilungswirkungen, da untere und mittlere Einkommen davon relativ stark getroffen werden. Entlastungen bei den Sozialbeiträgen würden kleine und mittlere Erwerbseinkommen per Saldo entlasten.
Sozialleistungen wie das Bürgergeld oder das Wohngeld könnte man aufstocken. Dann würden vor allem besserversorgte Ruheständler belastet – eine Rentenkürzung durch die Hintertür, die sich die Parteien bei den dringlichen Rentenreformen nicht trauen.“
Das Fazit ist eigentlich deutlich: Mindestens dieselbe Summe, um welche die konservativen Parteien die Steuerzahler versprechen zu entlasten, müsste an anderer Stelle durch Steuererhöhungen wieder eingenommen werden. Sonst produziert die neue Bundesregierung das, was die neoliberale Schuldenbremse eigentlich verhindern soll: Jahr für Jahr gewaltige Haushaltsdefizite.
Und das vor dem Hintergrund eines sowieso schon riesigen Investitionsstaus, den die Bundesbürger als marode Schienennetze, Brücken, Schulen usw. erleben. Gerade die Steuerpläne von Union, FDP und AfD haben mit der Finanzrealität der Bundesrepublik nicht viel zu tun.
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Es gibt 8 Kommentare
@Thomas_2:
Dann müsste ja das Klimageld auch nur Wahlkampfgetöse, worauf wir bitte nicht mehr reinfallen sollten.
@Michael Freitag
Der User Lutz 70 hat nicht von Steuersenkungen gesprochen sondern nur mal an die letzte Steuererhöhung erinnert.
Auch ich werde nicht AfD wählen, die Ampelparteien aber auch nicht. Ich hätte nicht gedacht das die Grünen sich so schnell von ihren Idealen abwenden. Die beiden anderen Parteien haben auch keine Glanzleistung hingelegt. Da hatte ich mehr erwartet.
Herr Freitag,
was meinen Sie mit dem Satz “Aber so war es ja schonmal mit den Nazis.” auf wenn bezieht sich denn der Satz auf mehrere Anonyme da irgendwo im Erzgebirge oder auf den ersten Kommentator. Mir nicht ganz klar. Sofern es das Letztere ist, so gratuliere ich Ihnen zum Hausrecht und Ihren Umgangsformen.
Lutz 70: Der verlinkte Artikel ist dazu sehr interessant: https://www.diw.de/de/diw_01.c.936228.de/publikationen/diw_aktuell/2025_0106/steuerreformvorschlaege_der_parteien__ambitionierte_entlastungen_fuer_arbeitende_mitte_und_unternehmen_treiben_defizite.html
Sie haben Recht, die AfD verspricht hohe Senkungen (für “Klein-” UND Großverdienter). Aber die KÖNNEN so nicht umgesetzt werden, da unbezahlbar (ebenso die Versprechen der FDP).
Somit nur Wahlkampfgetöse, bitte nicht darauf reinfallen.
Herr Freitag, Sie haben es nicht kapiert. Nochmal lesen und aus der Blase kommen.
@Lutz 70 ihre Analyse könnte falscher nicht sein. Aber so war es ja schonmal mit den Nazis. Gern anschauen, lernen, weiterschreiben.
https://www.zdf.de/comedy/die-anstalt/die-anstalt-vom-11-februar-2025-100.html
Herr Freitag, genau da kommt das Problem. Wenn ich für mich und meinen kleinen Geldbeutel denke. Dann müsste ich die Blauen wählen. Was mir aber zuwider ist. Sie würden mir aber die größte Entlastung zukommen lassen. Was interessiert die “kleinen ” Leute wie viel Entlastung die “oberen” bekommen und wo die Kohle herkommt. Sie müssen am Ende über die Runden kommen und nur das zählt. Darüber hat sich keine von den Parteien Links sowie der Mitte einen Kopf gemacht. Egal wer hier die nächsten Jahre regiert für Rentner, Selbstständige, Freiberufler, Alleinerziehende und andere mit wenig Geld in der Tasche werden es verdammt harte Jahre.
@Lutz 70: Lesen Sie einfach mal nach, wem die vorgeschlagenen Steuersenkungen helfen. Und dann fragen Sie sich, ob Sie wirklich zum Kreis der Nutznießer gehören (und, was dafür wegfallen könnte).
CDU, SPD und Grüne haben die größte Steuererhöhung aller Zeiten mit der Erhöhung der CO2 Steuer beschlossen. Das bezahlen vor allem die kleinen Leute und wer an das Klimageld glaubt kann weiter träumen.