„Energiepolitik auf dem Prüfstand: Was erwartet uns nach der Bundestagswahl?“ Unter diesem Titel fand am 17. Februar das Energiepolitische Forum des Energienetzwerks Mitteldeutschland e.V. im Gebäude der IHK zu Leipzig statt. Das Netzwerk fungiert laut Selbstbeschreibung fungiert als zentrale Kommunikationsplattform für die vielfältige Unternehmens- und Forschungslandschaft der Region. Worum es im Forum gehen sollte, beschrieb uns Daniel Landgraf, Mitglied und Vorstand des Energienetzwerks Mitteldeutschland und Geschäftsführer der e7 Heizung GmbH.
„Wir haben das Ansinnen heute, die Parteien mal zu beleuchten, was speziell zum Thema Energiepolitik geplant ist bei den Bewerbern für die nächste Bundestagswahl. Und deswegen haben wir heute eingeladen aus dem mitteldeutschen Raum die vier größten Parteien, die in der Bundestagswahl zur Verfügung stehen, um abzuklopfen, wie denn deren Intention ist zum Thema Energiepolitik“, so Landgraf.
„Das wollen wir heute mal besprechen und auch diskutieren im Plenum und auch in kleinen Gruppen und so, dass sich jeder also ein eigenes Bild machen kann zum Thema Energiepolitik und was uns erwarten wird.“
Eröffnet wurde die Veranstaltung vom Hausherren, dem Präsidenten der IHK zu Leipzig, Kristian Kirpal, Danach übernahm Angelika Bordt, Vorstandsmitglied des Energienetzwerks und CEO der Quantensprung Consulting GmbH, die nach einer kurzen Einführung die Diskutanten vorstellte.
Aus der Wirtschaft kamen Max Jankowski, Geschäftsführender Gesellschafter der Gießerei Lößnitz und Präsident der IHK Chemnitz, und Christoph Hug, Geschäftsführender Gesellschafter der Tilia GmbH. Vertreter der Parteien waren Steffen Roschek (CDU), Holger Mann (SPD), Stanislav Elinson (Bündnis 90/Die Grünen) und Karsten Hilse (AfD), die Vertreter der Parteien kamen nicht nur aus Leipzig, sondern aus Mitteldeutschland.
Der Ablauf war einfach, es wurde eine Frage gestellt und die Diskutanten zeigten per Karte ihre Zustimmung oder Ablehnung der These an. Danach gab es kurze Statements.
Die erste Frage war: „Setzen Sie auf die soziale Machtwirtschaft und damit auf unsere Demokratie?“ und erwartungsgemäß gab es von allen ein „Ja“. Frage 2: „Wie bewerten Sie die zukünftige Bedeutung der Industrie für Mitteldeutschland?“, auch hier herrschte Einigkeit.
Bei Frage 3 „Halten Sie am Ziel Klimaneutralität fest?“ gab es ebenso erwartbar die ersten Differenzen. Der Vertreter de AfD verneinte die Notwendigkeit, weil er zwar nicht den Klimawandel, aber eben den Einfluss des Menschen und des durch den Menschen verursachten CO₂-Ausstoßes verneint. Fehlender wissenschaftlicher Beweis usw., es ist eine bekannte These. Alle anderen, auch die Vertreter der Wirtschaft sehen die Notwendigkeit, aber die Wege und Zielmarken wurden unterschiedlich bewertet.
Gerade Max Jankowski, dessen Gießerei zu den energieintensivsten Unternehmen gehört, sieht große Probleme durch steigende Energiekosten. „Wir müssen klar feststellen: Der Status Quo für die Stromerzeugung, für Metallverarbeitende Betriebe, der aktuelle Status Quo für Stahl, für Gießereien, das ist ein Status Quo, der unser Prädikat Industrieland gefährdet.
Und wir müssen jetzt wieder in die politische Debatte mehr Ökonomie reinbringen, nicht nur die Ökologie. Wir müssen jetzt sehen, dass die Netzausbaukosten und das ganze Thema der erneuerbaren Energien, das können wir so nicht an den Endkunden abliefern, sprich über die Stromkosten.“ Trotzdem sieht er Klimaneutralität als wichtig an, die Frage ist: Wie kann man das ökonomisch verträglich schaffen?
Es wurde auch ausführlich diskutiert, ob die Transformation zur Klimaneutralität mit einem festen Datum unterlegt sein muss, oder die einzelnen Schritte immer ökonomisch bewertet werden müssen.
Christoph Hug, dessen Tilia GmbH sich mit der Konzeptentwicklung für nachhaltige und effiziente Infrastruktur und mit der Entwicklung neuer und innovativer Lösungen unter anderem für Industrieprojekte beschäftigt, plädiert dafür, in ökonomisch vertretbaren Schritten voranzugehen.
„Ich glaube nicht, dass eine Transformation, die zu teuer ist, die nicht überlegt ist, dass die wirklich gelingen wird. Ich glaube aber schon, dass wir dahin kommen müssen und dass wir Schritt für Schritt gehen müssen in so einem Kompromiss, das ist ein laufender Kompromiss, der ist nicht ganz einfach zu finden, aber wo man nicht von 100 auf 0 kommt, aber wo man die Schritte macht, die heute vernünftig machbar sind, die auch bezahlbar sind.“
Bei der Frage ob Atomenergie eine Rolle spielt, gab es die Situation, in der niemand mehr wusste, ob gerade über die klassische Kernenergie oder die noch in der Entwicklung befindliche Kernfusions-Technologie gesprochen wird. Oft war die Rede von „neuer Kernenergie“.
Karsten Hilse hantierte hier mit Zahlen zu Baukosten in China, die allerdings Planungszahlen sind, und Flüssigbrennstoff-Reaktoren, gemeint sind hier wahrscheinlich Thorium-Flüssigsalz-Reaktoren. Der erste experimentelle Reaktor ist in China im Testbetrieb, es wird wohl noch lange dauern und ist fraglich, ob dieser Reaktor wirklich eingesetzt werden kann.
Kernfusionsforschung wurde allgemein bejaht, aber die Nutzung lässt noch lange auf sich warten. Es gab weiter Fragen, beispielsweise, ob die Verbrennertechnologien weiter eine Rolle in der Energieerzeugung spielen werden. Auch hier von allen ein „Ja“, die Geister schieden sich beim Ausstiegszeitpunkt.
Nach der Podiumsdiskussion fragten wir Bernhard Herrmann, Bundestagsmitglied für Bündnis 90/Die Grünen, nach seinen Eindrücken.
„Die Diskussion hier bei der IHK in Leipzig mit dem Mitteldeutschen Energienetzwerk ist dementsprechend, wie momentan die wirtschaftliche Situation im Land ist, gerade bezüglich der Energiepreise, konstruktiv, aber natürlich der Herausforderung gerecht auch durchaus strittig.
Ich hatte generell den Eindruck, dass da an der einen oder anderen Stelle ein Faktencheck hätte erfolgen müssen, weil Dinge einfach im Raum behauptet wurden, die nicht inhaltlich begründet sind und nicht korrekt sind. Aber das gehört, denke ich, bei solchen Diskussionen dazu. Und ich glaube, das World Café, was es jetzt anschließend hier noch gibt, kann da auch einiges noch richtig stellen.“
Angelika Bordt, die wir nach ihrer Einschätzung als Moderatorin fragten, sagte: „Ich fand es sehr interessant. Es sind eigentlich erwartungsgemäße Antworten gegeben, aber ich habe mir vorher auch entsprechend die Wahlprogramme angeguckt und eine Analyse gemacht. Insofern war ich von den Antworten nicht überrascht, sondern entsprechend vorbereitet.
Ich habe gemerkt, dass das Publikum doch sehr mitgegangen ist, und das fand ich natürlich gut. Ich hätte noch jede Menge Fragen gehabt, wofür die Zeit nicht reicht. Und ich glaube auch, wir brauchen noch mehr Formate, wo wir auch Zeit haben, mehr in die Tiefe zu gehen. Da reicht dann jetzt die knapp über eine Stunde nicht.“
Befragt nach der oben geschilderten Irritation beim Thema Kernenergie und ob man die Frage vielleicht anders stellen müsste, sagte Frau Bordt: „Den Eindruck hatte ich auch. Aber ich fand es interessant zu sehen, wie die Parteien mit dem Begriff an sich vorgehen. Und es wurde auch sehr deutlich, wer jetzt was darunter eigentlich versteht. Denn in der Presse oder wenn öffentlich darüber geschrieben wird, auch von den Parteien, dann haben wir ja meistens nur einen Begriff, unter dem alles drunter gepackt wird.
Und hier wurde dann aber doch ein bisschen ausdifferenziert, in welche Richtung die Parteien jeweils dabei denken und was sie darunter verstehen. Das war für mich heute hier der wichtige Punkt, dass wir da ein bisschen Klarheit reinbekommen, in welche Richtung die Parteien gleich denken und welche sie anders denken. Und deswegen auch die Abfrage am Anfang, was ist denn die Grundhaltung eigentlich? Weil die nämlich erklärt, warum eine Partei in eine bestimmte Richtung geht, auch mit den Maßnahmen, die sie vorschlägt.“
Als Vertreter der Wirtschaft befragten wir Christoph Hug (Max Jankowski musste leider gleich nach dem Podium zurück nach Chemnitz), wie er die Diskussion einschätzt.
„Energiepolitik ist ja etwas Schwieriges und ich glaube, wenn man alle Aspekte hier wirklich durchgehen will, ist das zu kompliziert für eine Diskussion, aber man kann es auch nicht einfacher machen. Am Ende muss die Politik sich einen Gesamtplan machen und diesen Gesamtplan dann auch verfolgen. Ohne Strategie wird es in der Energiepolitik nichts werden.
Wir sind heute oft da, dass wir ein paar kleine Rädchen drehen, die werden uns keine Lösung weder für eine vernünftige Energiewende bringen, noch für einen Zusammenhalt in dieser Gesellschaft. Es gibt Lösungen, die muss man aber insgesamt und vielleicht auch unter Beteiligung der Energiewirtschaft, der Wirtschaft, anderen Gesellschaftsgruppen auch entwickeln. Also das ist mein Plädoyer.“
Wir fragten ihn, ob auch für ihn der Eindruck entsteht, dass die politischen Akteure oft nur in Wahlperioden denken.
„Ja, schon. Also es gibt, wenn wir heute an die Frage Energie und Energiesicherheit denken, das ist etwas, was uns in den nächsten 20, 30 Jahren betrifft. Und da müssen wir auf Technologien, die – übrigens die gute Nachricht -, die gibt es, auf die muss man setzen. Erneuerbare einerseits und Gaskraftwerke auf der anderen Seite plus Speicher, auf die kann man heute setzen.
Die sind heute machbar und wenn man sie gut anwendet auch bezahlbar. Dass man dann für die Zukunft forscht und was auch immer, das ist ja etwas anderes. Und da bin ich bei Ihnen, die Politik vermischt teilweise diese Zeiträume. Was in 30, 40 Jahren vielleicht nach Forschung möglich ist, ist eine Sache, was heute umsetzbar ist, eine andere. Da plädiere ich auch dafür: Trennen wir das beides. Forschen wir, komplett technologieoffen und nutzen wir wirklich, was heute machbar ist.“
Nach einer kurzen Pause ging es zum World Café, bei dem die bisherigen Zuschauer an vier Tischen mit den Parteien diskutieren konnten, gaben die „Gruppenleiter“ Heike Diebler, Christoph von Radowitz, Daniel Landgraf und Holger Schiffner jeweils eine kurze Zusammenfassung der Diskussionen zum Besten.
Holger Mann und Stanislav Elinson mussten nach der Podiumsdiskussion zum nächsten Forum, beim World Café übernahm Bernhard Herrmann für die Grünen und Bettina van Suntum für die SPD, die CDU wurde mit Robert Clemen und die AfD mit René Bochmann verstärkt.
Nach der Zusammenfassung und Verabschiedung durch Angelika Bordt, fragten wir noch Bettina van Suntum nach ihren Eindrücken.
„Ich war heute hier eingeladen als Expertin für Energiepolitik und Energiewirtschaft und habe mich sehr gefreut, dass das Energienetzwerk im Rahmen des Bundestagswahlkampfs diese Einladung ausgesprochen hat, also die Parteien mit den höchsten Umfragewetten eingeladen hat zu einem energiepolitischen Dialog.
Und das ist bitter nötig, wir sehen das an den Fernsehdebatten, wir sehen das auch an den Wirtschaftsdebatten, Energie und Klimaschutz kommen viel zu kurz. Und heute hatten wir die Gelegenheit, mit einem Fachpublikum in der großen Runde und dann am Tisch intensiv nochmal zu diskutieren. Und das war eine tolle Gelegenheit, wirklich auch mal die Programme vorzustellen und jenseits von Polemik auch fachpolitisch zu diskutieren.“
Auch nach dem offiziellen Ende diskutierten Grüppchen noch weiter. Das Format kam wohl bei allen gut an und es wurden, unabhängig von Wahlkämpfen, weitere Veranstaltungen angekündigt.
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