Höchst besorgt meldeten sich am 14. Februar die Studierenden des Instituts für Angewandte Linguistik und Translatologie (IALT) an der Universität Leipzig zu Wort. „Vor Kurzem mussten wir erfahren, dass am Institut für Angewandte Linguistik und Translatologie der Sprachschwerpunkt Russisch geschlossen werden soll, nachdem die für die Lehre nötigen Stellen teils an andere Institute abgewandert sind, teils gestrichen wurden bzw. werden sollen.“

Ein Alarmsignal, das nicht nur an der Uni Leipzig für Widerhall sorgte, hatte man doch gehofft, nach den massiven Einschnitten in der Regierungszeit von Schwarz/Gelb in Sachsen jetzt endlich von solchen Kürzungen in zentralen Bereichen verschont zu bleiben.

„Mit der Schließung des Sprachschwerpunkts Russisch am IALT in Leipzig würde der letzte einschlägige Studiengang in den neuen Bundesländern untergehen. In einer Zeit zwischen wirtschaftlichem Aufbruch und politischer Krise wäre eine Schließung die für unsere Gesellschaft falsche Entscheidung“, schrieben die Studierenden.

„Absolventen unserer Einrichtung wirken auf höchster politischer und diplomatischer Ebene und leisten einen wichtigen Beitrag für das Fortkommen unseres Landes. Gute Dolmetscher und Übersetzer sind unsichtbar und unterschätzt. Die Folgen dieser Unsichtbarkeit wird die Öffentlichkeit erst zu spüren bekommen, wenn die Streichung Geschichte ist. Wir rufen deswegen unser Institut und die Universität auf, sich ihrer gesellschaftlichen Verantwortung zu stellen und wieder miteinander zu reden. Wir rufen die Politik auf, sich über die Bedeutung des Dolmetschens und Übersetzens für die Gesellschaft zu informieren und entsprechende infrastrukturelle Konsequenzen an der Universität Leipzig abzuleiten.“

Der Ruf wurde auch im Sächsischen Landtag erhört. Die Linksfraktion nahm sich der Sache an. René Jalaß, hochschulpolitischer Sprecher der Fraktion, sprach sich in einem Schreiben an Uni-Rektorin Prof. Beate Schücking für den Erhalt und die Stärkung dieser Einrichtung aus.

„Die Studierenden haben mit ihrer Petition an das Rektorat der Uni Leipzig darauf hingewiesen, dass es im Fall der Abschaffung ihres Sprachschwerpunkts keine Ausbildungsstätte für Russischdolmetscher/-innen und -übersetzer/-innen in den neuen Bundesländern mehr gibt. Dies ist das gänzlich falsche Signal zur falschen Zeit und außerdem wissenschaftlich, professionell, gesellschaftlich und politisch unangemessen und schädlich, ja ein Armutszeugnis. Der Sprachschwerpunkt Russisch gehört einfach zur Uni Leipzig“, erklärte er dazu.

„Wenn hier die russische Stimme verstummt, werden auch andere Stimmen Leipzig nicht mehr ansprechen oder erreichen. Sprachmittler/-innen sind gerade jetzt, da die europäischen Regionen politisch, ökonomisch und kulturell auseinandergetrieben werden, unverzichtbar. Russland gehört zu Europa, und Russisch nimmt in der Reihe der meistgesprochenen Sprachen der Welt den sechsten Platz ein. Es gibt im Literaturbetrieb eine starke Bewegung hin zu Neu-Übersetzungen russischer Klassiker und in Russland verstärkte Bemühungen der Germanist/-innen, Deutsch als zweitwichtigste Fremdsprache zu erhalten. Deshalb dürfen gerade jetzt nicht die Brücken abgebrochen werden, die der Sprachschwerpunkt Russisch in Leipzig baut!“

Und seine Fraktionskollegin Luise Neuhaus Wartenberg erinnerte daran, dass Leipzig mit dieser Sprachmittlerausbildung auch in Russisch eine jahrzehntelange Kompetenz verloren zu gehen drohte: „Der Osten Deutschland hat mit seiner größeren Russisch-Sprachkompetenz ein wichtiges Potenzial in die Deutsche Einheit eingebracht, das für die bessere Verständigung in Europa und der Welt gute Dienste leisten kann. Leider fiel dieses sprachkulturelle Vermögen schnell der Geringschätzung anheim, sodass es drei Jahrzehnte später fast aufgebraucht ist. Umso wertvoller ist heute das Leipziger Alleinstellungsmerkmal der Ausbildung der Russisch-Übersetzer/-innen und -dolmetscher/-innen. Wir in Sachsen sollten es sorgfältig hegen und pflegen, deshalb hat sich auch der Vorsitzende der Fraktion Die Linke im Bundestag, Dietmar Bartsch, gegenüber Sachsens Ministerpräsident Kretschmer für den Erhalt des Sprachschwerpunkts Russisch eingesetzt. Wenn wir trotz zunehmender internationaler Spannungen keinen neuen Kalten Krieg wollen, muss mehr miteinander gesprochen werden – auch russisch.“

Claudia Maicher, die hochschulpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, wollte sich mit einem Appell nicht zufriedengeben. Sie fragte deshalb die zuständige Wissenschaftsministerin Eva-Maria Stange an, denn die Wissenschaftsministerin entscheidet letztlich darüber, ob in Sachsen ein Studienangebot eingestellt wird oder nicht.

Nach Auskunft von Eva-Maria Stange soll der Sprachschwerpunkt Russisch nicht eingestellt werden, es läge auch kein Antrag auf Schließung des Studienfachs vor: „Seitens des Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst (SMWK) ist keine Einstellung des Sprachschwerpunktes Russisch geplant. Die Universität Leipzig hat auf Nachfrage mitgeteilt, dass das Rektorat sich mit der Philologischen Fakultät bemüht, tragfähige Lösungen für die Fortsetzung des Lehrangebots zu finden.“

Und bei Studienfächern, die es in Sachsen nur einmal gibt, hätte es auch in der Vergangenheit keine Zustimmung zur Schließung gegeben, so Stange: „Für Studienfächer, die es in Sachsen nur einmal gibt, wurde vom SMWK keine Zustimmung zur Einstellung erteilt.“

Noch warten die Studierenden auf eine Bestätigung durch das Rektorat, dass das Studienangebot tatsächlich erhalten bleibt. Und auch darüber, in welcher Form das passieren soll.

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