Kulturgüter sind von allen Bürger zu finanzieren, verteidigt Linken-Medienexperte Falk Neubert im L-IZ-Interview die Pflicht zum Begleichen des Rundfunkbeitrages. "Die Linke hat einen personengebundenen, aber in der Höhe einkommensabhängigen Beitrag vorgeschlagen", hofft Neubert auf eine Evaluation des Beitragsmodells.

Herr Neubert, seit Januar 2013 gilt zur Finanzierung des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks nun der Rundfunkbeitrag für alle Haushalte von aktuell 17,98 Euro monatlich. “Geräteunabhängig” wie es heißt, also auch dann, wenn sich gar kein Endgerät im Haushalt befindet. Was rechtfertigt aus Ihrer Sicht diese Art von Pauschalierung?

Es rechtfertigt sich wohl daraus, dass es entgegen mancher Behauptung faktisch in jedem Haushalt mindestens ein Endgerät, einen Fernseher, ein Radio oder einen Computer gibt. Außerdem kann man den Rundfunk mehr denn je über mobile, gar nicht wohnungsgebundene Geräte wie Laptops, Handys oder Tablett-Computer nutzen.

Rundfunk- und Fernsehempfang hat heute nicht zwingend mehr etwas mit Wohnungen und den dort aufgestellten Geräten zu tun. Die Haushaltsabgabe ist insofern auch inkonsequent, wir sind für eine personengebundene Abgabe eingetreten.

Nach der linken Sicht der Dinge sollen Steuern und Beiträge zugleich der gesellschaftlichen Umverteilung dienen. Wie geschieht dies bei dieser Kopfpauschale fürs Gucken, Hören und Surfen eigentlich?

Gar nicht. Aber dem Solidargedanken ist auch das bisherige gerätegebundene System nicht gerecht geworden, und das neue haushalts- oder besser wohnungsgebundene System tut es auch nicht. Insofern hat sich nichts geändert. Die Linke hat einen personengebundenen, aber in der Höhe einkommensabhängigen Beitrag vorgeschlagen.

Mit dem neuen Rundfunkbeitrag entfielen verschiedene Befreiungstatbestände für Menschen mit Behinderungen. Wie sozialpolitisch vertretbar ist das denn?

Aus meiner Sicht ist diese Veränderung nicht vertretbar und nicht nötig. Menschen mit Sinneseinschränkungen können Rundfunk und Fernsehen nur partiell nutzen, für Menschen mit körperlichen und geistigen Behinderungen war die kostenlose Rundfunknutzung ein kleiner Ausgleich für die ansonsten eingeschränkten Möglichkeiten der Teilnahme am öffentlichen Leben. Beides sollte bei der Evaluation des Modells unbedingt bedacht werden.

Inwieweit überzeugen Sie die juristischen Begründungen, wonach der Rundfunkbeitrag gerade keine Steuer ist, die ja unzulässig wäre?

Darüber können sich Juristen trefflich streiten und sie tun es auch. Das ändert nichts daran, dass ein öffentlich-rechtlicher Rundfunk gemeinsam finanziert werden muss. Aus unserer Sicht sollte das solidarisch erfolgen.

Ich bin dezidiert nicht der Meinung, dass öffentlich-rechtlicher Rundfunk nur von denen finanziert werden sollte, die ihn auch nutzen, schon deshalb nicht, weil dies ja bei allen anderen Kulturgütern auch nicht der Fall ist.

ARD und ZDF kann zumindest jeder nutzen, eine Opernkarte können sich viele nicht leisten und finanzieren als Steuerzahler dennoch die Oper mit.
Die Öffentlich-Rechtlichen Anstalten dürfen werben und sehen sich bei den Programmformaten im Wettbewerb mit den Privatanstalten. Was macht aus Ihrer Sicht denn da den Unterschied, der einen Zwangsbeitrag von allen Haushalten rechtfertigt?

Dass öffentlich-rechtliche Anstalten und private Medien objektiv miteinander konkurrieren, ändert ja nichts daran, dass das öffentlich-rechtliche System einen Bildungs-, Informations- und Unterhaltungsauftrag hat und bei aller Kritik im Einzelnen insgesamt das deutlich höhere Niveau an aktueller Berichterstattung und guter Unterhaltung bietet.

Werbung und Sponsoring bei ARD und ZDF ist sicher lästig, bringt aber andererseits zusätzliche Finanzmittel, die nicht über eine Erhöhung des Rundfunkbeitrages erbracht werden müssen. Eine Ausdehnung der Werbung kommt für mich allerdings nicht in Frage. Und um mal eine Analogie zu bringen:

Es gibt auch Privatschulen und trotzdem stellt niemand in Frage, dass die öffentlichen Schulen von uns allen mitfinanziert werden.

Wie definieren Sie in kurzen Worten den “Auftrag der Grundversorgung” der Öffentlich-Rechtlichen, der den Zwangsbeitrag rechtfertigen soll?

Kommunale Stadtwerke sind nicht nur für die Grundversorgung mit Wasser und Energie zuständig, öffentliche Krankenhäuser nicht nur für die medizinische Grundversorgung, und auch öffentliche Schulen und Hochschulen nicht nur für die Bildungs-“Grundversorgung”.

Es ist ein weit verbreiteter Irrtum, dass die Öffentlich-Rechtlichen nur einen Auftrag zur “Grundversorgung” hätten. Diese Mär wird von den privaten Konkurrenten und deren Interessenvertretern in der Politik leider erfolgreich verbreitet. Der Öffentlich-Rechtliche Rundfunk hat einen sehr umfassenden und anspruchsvollen Programmauftrag und nur dieser rechtfertigt die Gebühren beziehungsweise jetzt Beiträge in ihrer Gesamthöhe, nicht unbedingt in der Art und Weise ihrer Erhebung.

Ich zitiere aus dem Programmauftrag: “Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten haben bei der Erfüllung ihres Auftrags die Grundsätze der Objektivität und Unparteilichkeit der Berichterstattung, die Meinungsvielfalt sowie die Ausgewogenheit ihrer Angebote zu berücksichtigen.” Schon allein das werden die Privaten niemals gewährleisten.

Die letzte Bestellung eines Chefredakteurs beim ZDF im Jahre 2012 ließ Zweifel an der Staatsferne des Senders aufkommen. Der Skandal beim Kinderkanal Kika scheint noch immer nicht abschließend aufgearbeitet. Wie kann das System Öffentlich-Rechtlicher Rundfunk hier Vertrauen wieder gewinnen?

Es sind zunächst zwei unterschiedliche Punkte, zum einen die Staatsferne, das heißt die politische Unabhängigkeit und zum anderen die wirtschaftliche Solidität und Transparenz. Für beides gibt es Lösungsvorschläge, aber keine Patentlösungen.

Letztendlich ist die Kontrolle durch eine kritische Öffentlichkeit durch nichts zu ersetzen. Erst die kritische Öffentlichkeit hat erreicht, dass heute über die beiden genannten Themen diskutiert wird. Oder um einen Klassiker zu zitieren: “Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser.”

Vielen Dank für das Gespräch.

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