Selbst Medienminister Oliver Schenk fand erstaunlich zufrieden klingende Worte, als er am Dienstag, 12. Januar, die Unterzeichnung des überarbeiteten MDR-Staatsvertrags durch Ministerpräsident Michael Kretschmer kommentierte: „Die erste umfassende Fortschreibung des MDR-Staatsvertrages im 30. Jahr seines Bestehens ist ein wichtiger medienpolitischer Schritt, der den Mitteldeutschen Rundfunk für das digitale Zeitalter und seine Chancen und Herausforderungen stärkt.“

Und weiter: „Mit seinem Hauptsitz in Leipzig kann und wird der MDR damit auch künftig ganz wesentlich dazu beitragen, das Profil Leipzigs als internationale Medienstadt und den Medienstandort Mitteldeutschland weiter zu stärken.“

Der unterzeichnete Staatsvertrag ist die erste umfassende Novellierung seit Inkrafttreten des Staatsvertrages im Jahr 1991.

„Notwendig geworden ist die Novellierung unter anderem durch den zwischenzeitlichen Wandel in Gesellschaft und Technik, medienrechtliche Entwicklungen auf europäischer Ebene sowie durch die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes aus dem Jahr 2014, wonach Gremien der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zu höchstens einem Drittel mit staatsnahen Mitgliedern besetzt sein dürfen“, benennt die Meldung aus der Staatskanzlei die wichtigsten Knackpunkte, über die in Sachsen vor sieben Jahren noch heftig gestritten wurde. Denn so ganz freiwillig war die seit 1990 regierende CDU nicht bereit, die Kontrolle über die Kontrollgremien des MDR abzugeben.

Natürlich muss der Staatsvertrag auch auf die technischen Entwicklungen seit 1990 eingehen: „Der technischen Entwicklung hin zur Trimedialität von Fernsehen, Radio und Internet wird in den Regelungen des MDR-Staatsvertrages jetzt Rechnung getragen. Die Nachbarstaaten des Sendegebietes werden in Zukunft in den Angeboten des MDR besser berücksichtigt.“

Im nächsten Schritt erfolgt die Zuleitung an den Sächsischen Landtag zur Beschlussfassung über die Novellierung des MDR-Staatsvertrages, so die Staatskanzlei.

Dass es ein verdammt langer Weg war bis zum unterschriftsreifen Dokument, betonte am Dienstag Claudia Maicher, medienpolitische Sprecherin der Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen im Sächsischen Landtag: „Die langwierigen Verhandlungen in den vergangenen Jahren haben sich gelohnt. Wir haben jetzt einen Durchbruch erzielt, mit dem der MDR eine tragfähige, moderne und verfassungskonforme Grundlage erhält.“

Wozu natürlich als Momentum kommt, dass die sächsische CDU inzwischen auf eine Kooperation mit den demokratischen Parteien im Landtag angewiesen ist und nicht mehr durchregieren kann wie noch unter Biedenkopf und Milbradt. Das erhöhte logischerweise auch das Gewicht der kleinen Koalitionspartner Grüne und SPD bei der Mitsprache am neuen Staatsvertrag.

Und der Knackpunkt war auch schon vor sieben Jahren: Wie repräsentativ ist dieser Sender eigentlich für das Publikum im Sendegebiet? Und wie gut ist dieses Publikum eigentlich im Aufsichtsgremium vertreten?

„Einer der wichtigsten Punkte der Modernisierung betrifft die Besetzung des MDR-Rundfunkrates“, betont auch Maicher. „Um dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zum ZDF-Staatsvertrag im Jahr 2014 Rechnung zu tragen, wird der Anteil der staatsnahen Mitglieder auf höchstens ein Drittel begrenzt. Doch die Aufsicht über die Drei-Länder-Anstalt wird nicht nur staatsferner, sondern bildet auch die Vielfalt gesellschaftlicher Gruppen besser ab. Dafür habe ich mich gemeinsam mit den bündnisgrünen Medienpolitikerinnen in Thüringen und Sachsen-Anhalt immer wieder starkgemacht. Wir Bündnisgrünen in Sachsen haben dieses zentrale Ziel im Koalitionsvertrag mit CDU und SPD verankert.“

Was alles fehlte im alten Rundfunkrat, beschreibt Claudia Maicher so: „In den fast 30 Jahren seit Gründung des MDR hat sich die Gesellschaft deutlich verändert. Im neuen Rundfunkrat, der sich im Dezember 2021 konstituiert, erhalten nun beispielsweise auch Verbände von Migrantinnen und Migranten, von LSBTIQ* und für Klima- und Umweltschutz jeweils einen festen Sitz. Sie bekommen damit eine verlässliche Stimme, wenn es um die Aufsicht über das Programm des MDR und seine Weiterentwicklung geht. Außerdem sorgen die Begrenzung der Dauer der Entsendungen aus den verschiedenen Gruppen und ein Rotationsmodell für eine regelmäßige personelle Erneuerung. Auch die Gleichstellung von Frauen und Männern in den Gremien des MDR wird endlich verbessert.“

„Mit der Überarbeitung wird der Staatsvertrag in das 21. Jahrhundert geholt“, erklärte geradezu euphorisch der Vorsitzende und medienpolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Sächsischen Landtag Dirk Panter. „Angesichts der schnelllebigen Zeit und der zunehmenden Digitalisierung war eine Neufassung nach fast 30 Jahren dringend geboten. Auf dem Tisch liegt jetzt der modernste Staatsvertrag Deutschlands.“

Und auch er würdigt die deutliche Modernisierung des Rundfunkrates: „Unsere Gesellschaft hat sich in den zurückliegenden 30 Jahren stark gewandelt. Dem trägt der Vertrag Rechnung: Das künftig geltende Rotationsmodell für die Besetzung des Rundfunkrats macht das Gremium vielfältiger. Es garantiert eine ausgewogene Verteilung zwischen den MDR-Ländern Thüringen, Sachsen-Anhalt und Sachsen und garantiert die Staatsferne des MDR. Der Wandel in der Gesellschaft muss sich auch in der Zusammensetzung des Rundfunkrates widerspiegeln. Künftig sind deshalb etwa auch Migranten-, LSBTTIQ- und Inklusions-Verbände mit einem festen Platz im Rundfunkrat vertreten.“

Und er sieht durchaus, dass auch der MDR künftig nicht einfach nur aufs Pantoffelkino setzen kann, sondern verstärkt digitale Medienangebote bereithalten muss: „Nicht zuletzt wird der neue Staatsvertrag einer konvergenten Medienordnung Rechnung tragen. Als der aktuell gültige Staatsvertrag 1991 ratifiziert wurde, waren Fernsehen und Radio noch der aktuelle ‚Schrei‘. Von Streaming, nichtlinearen Medienangeboten und anderen Möglichkeiten, die das Internet bietet, sprach damals keiner. Der vorliegende Staatsvertrag schafft den Rahmen für einen Rundfunk im digitalen Zeitalter. Das begrüße ich ausdrücklich.“

Der Medienausschuss des Sächsischen Landtages wird am Montag, 18. Januar 2021, eine Anhörung von Sachverständigen zum Staatsvertrag durchführen. Er soll am 1. Juni 2021 in Kraft treten.

Sächsische Staatsregierung hat die Reform des MDR-Staatsvertrages mit politischer Sturheit ausgebremst

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