Mit einem Gedenkstein soll die Stadt Leipzig an die Gründung des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins (ADAV) am 23. Mai 1863 erinnern. Der Stein soll am ehemaligen Standort des Gründungslokals "Pantheon" am Gerichtsweg entstehen. So fordert es die Linksfraktion im Leipziger Stadtrat. Die ADAV-Gründung sieht die SPD als ihre Geburtsstunde an. Vor lauter Jubiläumsfeiern muss man in diesem Jahr in Leipzig schon ganz schön aufpassen, um nicht den Überblick zu verlieren.

Zwischen den Feierlichkeiten zum 200. Geburtstag von Richard Wagner am 22. Mai und dem “Großen Jubiläumsbürgerfest am Völkerschlachtdenkmal” am 25. Mai 2013 begeht die SPD am 23. Mai im Gewandhaus ihren 150. Geburtstag. Anlass ist die Gründung des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins (ADAV) am 23. Mai 1863 in dem damaligen Versammlungs- und Vergnügungslokal “Pantheon”. Daran soll nun auch die Stadt Leipzig mit einem Gedenkstein erinnern.

In einem Stadtratsantrag vom 17. Januar 2013 heißt es: “Der Allgemeine Deutsche Arbeiterverein (ADAV) war die erste deutsche Arbeiterpartei. Nach vielfältigen Vorläufern, wie dem Bund der Gerechten, dem Bund der Kommunisten, zahlreichen Arbeiterbildungsvereinen, entstand damit die erste sozialdemokratische Arbeiterpartei in Deutschland, die auch international ohne Beispiel war. Hier liegen die Wurzeln der politischen Organisation der deutschen und internationalen Arbeiterbewegung”.

Den Antrag haben nicht die Sozialdemokraten – sozusagen in eigener Sache – eingebracht, sondern die Genossen von der Linken. “Das System der parlamentarischen Demokratie ist ohne die Sozialdemokratie in Deutschland nicht denkbar”, heißt es anerkennend weiter im Text. So viel Wohlwollen seitens der Linken dürfen die zeitgenössischen Genossen von der SPD sonst eher nicht erwarten.Nun gibt es das Gebäude des “Pantheon” schon seit mehreren Jahrzehnten nicht mehr. Die Fläche an der Kreuzung Dresdner Straße/ Gerichtsweg wurde für den komplexen Wohnungsbau der DDR von allen historischen Vorläufern befreit.

Das passte damals nicht nur baulich zum herrschenden Geist der Zeit. Denn die Sozialdemokratie galt in diesen Breiten als historisch überwunden. “Sozialdemokratismus” war damals irgendwie so etwas wie eine ideologische Todsünde, deren Ausleben von den Herrschenden bei Strafe nicht geduldet wurde.

Das hatte geschichtspolitische Folgen: Während der ADAV unter seinem Gründer Ferdinand Lassalle (1825 – 1864) in der DDR dann irgendwie doch als kleinbürgerlicher Irrweg galt, definierte die SPD der Bundesrepublik dieses Ereignis um so stärker als ihre Geburtsstunde. Schließlich ließ sich so das antikommunistische und freiheitliche Profil der Partei, das spätestens mit dem Godesberger Programm von 1959 markiert wird, auch historiographisch herleiten.

Die Zeiten haben sich geändert. Seit der Friedlichen Revolution in der DDR gibt es auch in Leipzig wieder organisierte Sozialdemokraten. Doch anders als beispielsweise wie beim Deutschen Fußball-Bund erinnert bislang weder eine Tafel, noch sonst irgendetwas an den Gründungsort etwas östlich von Leipzigs altem Graphischen Viertel.

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Als die SPD vor 20 Jahren 130 Jahre alt wurde, sollte auf der Wiese neben einem Parkplatz ein Denkmal aufgestellt werden. Das Kunstwerk wurde geschaffen, doch es hielt dem ästhetischen Urteil der damaligen städtischen Kunstkommission nicht stand. So steht das gute Stück seitdem irgendwo in einer Garage.

Mit einem Gedenkstein, so wie ihn sich die Linken wünschen, wird es bis zum 23. Mai 2013 wohl schon aus Fristengründen nichts mehr werden. Doch der Stadtrat dürfte alsbald über das Anliegen debattieren.

Dann erfahren wir sicher mehr über die Absichten der Antragsteller. Und vielleicht gewährt der eine oder andere Debattenredner einen Einblick, wie er so über die grundsätzlichen Absichten konkurrierender Parteien denkt. Und über die deutsche Geschichte zumindest seit dem Aufkommen demokratischer Bewegungen schon vor der Revolution von 1848. Das muss nicht unspannend sein.

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