Eine Fischerinnung hat Leipzig nicht mehr. Fast vergessen ist die Zeit, als Leipzig berühmt war für seinen Fischreichtum. Was natürlich damit zu tun hatte, dass die Stadt gleich an drei fischreichen Flüssen lag: Pleiße, Parthe und Weiße Elster. Direkt vor den Toren der Stadt begann die wasserreiche Landschaft. Und am 12. Mai 1714 fand das erste Leipziger Fischerstechen statt. Natürlich für einen Ehrengast.

Das war kein Geringerer als Friedrich August I. von Sachsen, genannt August der Starke. Der Bursche liebte Leipzig. Auf seine Art. Zu den Leipziger Messen tauchte er regelmäßig auf und logierte im Königshaus am Markt. Dann hatten die Stadtväter seine Aufenthaltskosten am Hals, die sich regelmäßig auf 30.000 Gulden summierten. Aber wer erfüllt einem König seine Wünsche nicht, wenn er befiehlt? Na ja. Nicht alle. Sein Schloss im Rosenthal haben ihm die Leipziger nicht spendiert. Aber sie haben ihm auch nicht das Gefühl gegeben, dass er ein unerwünschter Gast war. Gefeiert haben sie ja selber gern – und gezeigt, was sie selbst an Prächtigem zu bieten hatten.

So war es auch am 12. Mai 1714, als August seinen 44. Geburtstag feierte. Der Ort dafür: Apels Garten. Einer der prächtigen Barockgärten, die sich Leipziger Kaufleute vor den damaligen Toren der Stadt anlegten. In diesem Fall war es der Leipziger Fabrikant und Handelsherr Andreas Dietrich Apel – zu diesem Zeitpunkt 52 Jahre alt. 1700 hatte er den Bieringschen Garten geerbt, der genau da lag, wo heute der Dorotheenplatz zu finden ist mit seinen strahlenförmig abgehenden Straßen. Apel erweiterte den Garten um die südlich davon gelegene Schlosswiese. Die natürlich nach dem gegenüber gelegenen kurfürstlichen Schloss benannt war. Und Wiese blieb, weil dieses Gelände bis zum Wirken Carl Heines im 19. Jahrhundert Überschwemmungsgebiet war.
Das ganze Gebiet übrigens, auf dem heute Musikviertel, Bachviertel, Westvorstadt und Waldstraßenviertel liegen. Es war von Gräben durchzogen. “Ein Teil der Gräben lag die meiste Zeit des Jahres trocken und diente nur im Hochwasserfall zur Ableitung der Flut bzw. dem Schutz der Mühlen. Die Hochwasser kamen regelmäßig. Ein- bis zweimal im Jahr füllten sie die etwa zwei Kilometer breiten Auen westlich der Stadt mit gewaltigen gelbbraunen Fluten. Eindrucksvoll wurde für die vielen Schaulustigen immer wieder deutlich, dass jegliche Kultivierung oder gar Besiedlung der Flächen aussichslos sein müsste.” So steht es in dem schönen Pro-Leipzig-Buch “Das verlorene Westviertel” zu lesen.
Bekanntlich hat ja dann Carl Heine aufgeschüttet und aufgeschüttet und aufgeschüttet und wertvolles Bauland gewonnen. Dabei wurde auch Reichels geerbter Garten aufgeschüttet und parzelliert, der zuvor der einstige Apelsche Garten war. Und um daran zu erinnern, hat Carl Heine die Straßen in diesem Viertel strahlenförmig angelegt wie die einstigen Achsen des Apelschen Gartens.

Was er nicht imitiert hat, sind die Kanäle, die Andreas Dietrich Apel hat anlegen lassen, um seinem Garten ein venezianisches Flair zu geben. Das muss 1714 schon spürbar gewesen sein, sonst hätte er wohl das großartige Fischerstechen, bei dem die Leipziger Fischer in venezianischen Trachten antraten, nicht hier stattfinden lassen.

Wobei die diversen Quellen durchaus nicht einig sind, wer da nun eigentlich in den Booten stand – Leipziger Fischer in venezianischen Trachten oder echte venezianische Fischer, die den Brauch des Fischerstechens damit nach Leipzig brachten?

Den eigentlichen Barockgarten ließ Apel ab 1717 nach Entwürfen von Landbaumeister David Schatz anlegen. Wovon Apel freilich nur den Beginn sah: Er starb schon 1718.

Vier Statuen (Juno, Jupiter, Mars und Venus) von Bildhauer Balthasar Permoser standen einst im Apelschen Garten. Heute sind auf dem Dorotheenplatz die Kopien von Jupiter und Juno zu sehen und erinnern daran, dass Apels Garten mal ein Ort geselligen Treibens war – nicht nur, wenn der König mal in der Stadt weilte.

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Schatz war es auch, der Seitenarme der Pleiße durch das Gelände des Gartens führte und zahlreiche Kanäle anlegte. Was dann nicht nur Fischerstechen ermöglichte, sondern auch Boots- und Gondelfahrten und sommerliche Wasserfeste, die bis in die Nacht dauerten und dann mit Fackeln erleuchtet wurden.

1723 blühte in Apels Garten erstmals ein Kaffeebaum und seit 1756 veranstalteten die Musiker des “Großen Concerts” Sommerkonzerte im Garten. Das darf man sich ruhig vorstellen: Jeden Sommer musiziert das Gewandhausorchester auf dem Dorotheenplatz …

Bis 1770 besaßen die Apels den Garten. 1786 kam er in den Besitz der Reichels. Vorn am Pleißemühlgraben, wo Apel seine Manufaktur, eine Färberei und Wohngebäude hatte errichten lassen, wohnte 1835 bis 1841 Felix Mendelsohn Bartholdy. Aber das war dann schon eine andere Zeit, die das Ende der alten Barockgärten mit sich brachte.

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