Die Nikolaikirche Leipzig und die Thomaskirche Leipzig sind weithin bekannt. Darüber hinaus gibt es Wissenswertes und Besonderes über so manche Kirche in und nahe der Messestadt zu berichten. Heute im Porträt: der erste der „Drei Hohepriester“ – die Kirche zu Panitzsch in Borsdorf. Sie ist Gotteshaus und Kulturzentrum, Konzerthalle und Ausstellungszentrum: die Kirche zu Panitzsch. Entstanden im 13. Jahrhundert im romanischen Stil, wurde sie 1705 barockisiert, also im Barock-Stil umgestaltet.

Das Gotteshaus thront auf dem 142 Meter hohen Kirchberg über Panitzsch, einem Ortsteil der Gemeinde Borsdorf bei Leipzig.

Landläufig wird die Kirche Panitzsch – gemeinsam mit der Bergkirche Beucha und der Kirche Hohen Thekla – auch als einer der „Drei Hohepriester“ im Leipziger Umland bezeichnet. Stehen doch alle drei Gotteshäuser auf – zumindest für Leipziger Verhältnisse – herausragenden Bergspitzen.

Germanische und slawische Kultstätten als Vorläufer

Auf Panitzschs Kirchberg gab es vor der Besiedlung der Slawen (zwischen 600 und 900) ein germanisches Heiligtum, und auch die Slawen hatten dort einen Kultplatz. Von 1050 bis 1080 wurde eine 5 Meter mal 7 Meter große Missionsstation gebaut. Etwa 1100 bis 1150 wurde die zweite Holzkirche als Schwellbalkenkirche errichtet. Eine Besonderheit war das runde Becken in der Mitte der Kirche für die damals übliche Ganzkörpertaufe.
1200 bis 1220 wurde die romanische Kirche aus Feldsteinen erbaut, der Turm hatte ein mittelalterliches Gewölbe und keinen Zugang von außen.

Die kreisförmige Ummauerung des Kirchhofes deutet Cornelius Gurlitt als Hinweis auf die Wallburg, die von den Männern im Ort verteidigt wurde. Frauen, Kinder und Kleintiere fanden Schutz in ihr, die Türen wurden von innen mit Schubbalken verriegelt.

Nach der Reformation wurde vieles anders

1539 bekannte sich das albertinische Sachsen zur Reformation, und Panitzsch wurde evangelisch. Ende des 16. Jahrhunderts ist eine umfassende Renovierung beurkundet. Beschwerden der Einwohner und des Pfarrers brachten 1705 einen völligen Umbau der Kirche, die damals barockisiert wurde: Der Kanzelaltar mit Sakristei, die Orgel, die Emporen und die Kirchenbänke wurden eingebaut. 1724 kam der Taufengel von Kaspar Friedrich Löbelt in die Kirche.

Kirche Panitzsch. Foto: ch ivk, CC BY 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=14714374
Kirche Panitzsch. Foto: ch ivk, CC BY 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=14714374

Zwischen 2005 und 2007 wurde die Kirche unter Leitung von Reinhard Freier vollständig denkmalgerecht saniert und renoviert, das Dach des Kirchenschiffs mit Thüringer Schiefer neu gedeckt und die drei historisch bedeutsamen Glocken – zwei mit seltenen mittelalterlichen Glocken-Ritzzeichnungen – restauriert. Die Arbeiten an und in der Kirche kosteten 333.000 Euro, die für die drei Glocken 45.000 Euro. Nicht nur mit Blick auf die Kostenlage heute haben der Pfarrer und die Kirchgemeinde damals alles richtig gemacht.

Hotspot von Kunst und Kultur

Überregional bekannt ist die Kirche Panitzsch seit vielen Jahren als Ort vielfältiger Kunst- und Kultur-Aktivitäten: Pfarrer im Ruhestand Reinhard Freier, seit Ostern 1979 in Panitzsch, holt immer wieder Musiker, Künstler und Maler verschiedenster Genres in das Gotteshaus. So etwa: Gotthold Schwarz, Bernd-Lutz Lange, Gerhard Schöne, Stephan König, Friedhelm Eberle, Stefan Altner, David Timm, Heinz Rudolf Kunze, Gunther Emmerlich, Amarcord, Fimmadur, arcum tendere lipsiense, das Bach-Orchester Leipzig, das Leipziger Barock-Orchester, der Leipziger Kammerchor, die Organisten Matthias Eisenberg und Christiane Bräutigam.

Viele Künstler kommen gerne wieder, weil sie die besondere Atmosphäre der Kirche und die warmherzige Gastfreundschaft von Pfarrer Freier und seiner Frau schätzen.

Auch gibt es praktisch keine Woche mit kahlen Wänden in der Kirche, Bilder-Ausstellungen und Foto-Galerien wechseln einander ab. So waren etwa von Oktober 2013 bis Januar 2014 „Arbeiten auf Papier“ von Michael Triegel zu sehen – mit Radierungen und Lithografien aus der Zeit von 1992 bis 2013.

Auch Radio und Fernsehen waren dort zu Gast: Am 1. August 2010 und am 30. Dezember 2012 sendete MDR Figaro den Gottesdienst der Kirchgemeinde als Direktübertragung. Am 20. November 2013 zeigte Das Erste den Gottesdienst zum Buß- und Bettag.

Altar der Kirche Panitzsch. Foto: Ghostwriter123, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=29626206
Altar der Kirche Panitzsch. Foto: Ghostwriter123, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=29626206

Beste Seele und Allround-Manager ist Reinhard Freier (74). Ende September 2013 schied er nach 34 Pfarrer-Dienstjahren in Panitzsch offiziell aus dem aktiven Dienst aus – und engagiert sich seitdem weiterhin mit viel Herzblut für Musik, Kunst und Kultur in seinem Gotteshaus. Auch hält er nach wie vor Gottesdienste.

Kunsthistorische Besonderheiten

Eine kunsthistorische Besonderheit ist das Geläut aus drei Bronze-Glocken aus der Zeit vor 1400, von 1459 sowie von 1755. Die beiden älteren Glocken haben sogenannte Ritzzeichnungen auf den Glockenmänteln, sie zeigen Bischof Nikolaus und Erzengel Michael als Drachentöter. Ebenso sind die Kreuzigungsgruppe mit Maria und Johannes sowie Maria mit dem Jesusknaben zu sehen.

Vermutlich spendeten einst Kaufleute die Glocken, deren Schutzpatron Nikolaus ist. Dafür spricht, dass Panitzsch im Kreuzungsbereich der beiden wichtigsten mittelalterlichen Handelsstraßen liegt: an der Alten Salzstraße in Nord-Süd-Richtung und der Via Imperii oder Via Regia.

Bei der Glocke von 1459 gilt der damals in Leipzig tätige Nikolaus Eisenberg als Schöpfer: Auf der 1477 gegossenen „Gloriosa“ in der Thomaskirche Leipzig ist zu lesen: „Er nicklauß Eysenberg hat diese bilde gerissen“. Seine Glockenritzzeichnungen gehören zu den späten Höhepunkten dieser Kunstgattung in Sachsen.

2015 gab es die von Margarete Schilling (jetzt 90), Glocken-Expertin und Witwe des letzten Glockengießermeisters von Apolda, erstellte Ausstellung „Figürliche Ritzzeichnungen auf historischen Glocken aus dem 13.–15. Jahrhundert“ in der Kirche Panitzsch zu sehen.

Ein im wörtlichen Sinne einmaliges Ereignis erlebten Konzertbesucher vor zwei Jahren: In der Kirche Panitzsch gestalteten Leipzigs bedeutendste Kantoren am 8. November 2020 eine einzigartige musikalische Vesper. Der Thomaskantor Gotthold Schwarz als Sänger und der Nikolaikantor Lucas Pohle als Organist an der Flemming- und Truhenorgel brachten geistliche Lieder und Arien zur Aufführung.

Die Kirche Panitzsch ist Station auf dem Ökumenischen Pilgerweg, der zum durch Deutschland verlaufenden Bereich des Jakobswegs gehört. Seit 25. Juni 2016 gehört die Kirche Panitzsch als 22. Station zur Straße der Musik.

Koordinaten: 51° 21′ 55,2″ N, 12° 32′ 6,2″ O

Quellen und Links:
https://de.wikipedia.org/wiki/Kirche_Panitzsch
http://www.kirche-panitzsch.de

Empfohlen auf LZ

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Redaktion über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar