Kirchenbauwerke gehören zu vielen Ortschaften. Sie sind bekannt als Wahrzeichen, Ortsmittelpunkt oder Orientierungsmarke. Die Gotteshäuser haben architektonisch, kunsthistorisch und regionalgeschichtlich vielfältige Bedeutung. Heute geht es um ein Kirchengebäude, das noch vor wenigen Tagen komplett restauriert und prachtvoll zu sehen war. Die evangelische Kirche Großröhrsdorf ist die barocke Saalkirche der Stadt Großröhrsdorf im Landkreis Bautzen in Sachsen.

Sie gehört zur Kirchengemeinde Großröhrsdorf im Kirchenbezirk Bautzen/Kamenz der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens. In den frühen Morgenstunden des 4. August 2023 brach ein Feuer aus, das Gotteshaus wurde stark beschädigt, Dachstuhl und Kirchturmspitze stürzten ein.

Geschichte und Architektur

Die Stadtkirche Großröhrsdorf zählte laut Dehio-Handbuch zu den schönsten barocken Kirchenbauten der Oberlausitz. Die stattliche Saalkirche mit eingezogenem Chor und Dreiachtelschluss wurde in den Jahren 1731–1736 anstelle eines älteren Vorgängerbaus errichtet.

Superintendent Valentin Ernst Löscher aus Dresden weihte sie am 8. Oktober 1736. Restaurierungen gab es in den Jahren 1886–1888 und 1933–1936. Im Jahr 1903 wurde der Treppenturm in der Nordostecke an die Herrschaftsloge angebaut. In den Jahren 2012–2018 folgte die umfassende Restaurierung außen und innen.

Ausstattung

Das Bauwerk war ein verputzter Bruchsteinbau mit Korbbogenfenstern und verkröpftem Verdachungsgesims. Ein zweigeschossiger quadratischer Westturm war mit einem achtseitigen Glockengeschoss, Haube und Laterne bekrönt.

Das Innere wurde von einer flachen, mit geometrischen Stuckornamenten verzierten Putzdecke über großer Voute und Gesims abgeschlossen. Der Raum wurde eingefasst von doppelgeschossigen Holzemporen an den Langseiten und einer konvex vorschwingenden Orgelempore. An der Chornordseite war eine Loge mit drei Fenstern angebracht, darüber eine zweite, etwas vorkragende Loge. An der Chorsüdseite befand sich die Sakristei.

Zustand nach dem Brand. Foto: Gunther Tschuch, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=135600663
Zustand nach dem Brand. Foto: Gunther Tschuch, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=135600663

Das Gotteshaus diente der Gemeinde Groß- und Kleinröhrsdorf für Gottesdienste und vielfältige Veranstaltungen, auch war es regelmäßig im Sommer mittwochs zu Andacht und Besichtigung geöffnet.
Ausstattung

Das Bauwerk zeigte bis zum Brand 2023 eine einheitliche Ausstattung aus der Erbauungszeit. Der den Raum beherrschende Altar aus Holz stammte von 1745 und zeigte zwei übereck gestellte Pilaster korinthischer Ordnung mit vorgestellter Säule, welche die Altarnische mit Kruzifix flankieren; darüber war eine Kartusche mit flammendem Herz angeordnet.

Ein seitlich ausschwingender Aufsatz mit Strahlengloriole und Urnen über den Säulen bekrönte den Aufbau. Zwischen Altar und Chorwand war je ein Durchgang mit geschweiftem Bogen angeordnet, der mit Rokoko-Ornament geschmückt war.

Die fünfeckige Kanzel aus Holz von 1736 zeigte am Kanzelkorb Evangelistenbilder und den segnenden Christus. Der Kanzelkorb ruhte auf einer mächtigen Volute. Das Gemälde im Schalldeckel war ein Werk von Johann Adolph Pöppelmann, dem Sohn des Zwingerarchitekten Matthäus Daniel Pöppelmann.

Das Gotteshaus vor dem Brand. Foto: SchiDD, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=104180270
Das Gotteshaus vor dem Brand. Foto: SchiDD, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=104180270

Der Altar, eine Nachbildung des Altars der Thomaskirche Leipzig, wurde 2016 aufwendig restauriert. Die Taufe aus Holz auf vier volutenartigen Beinen war mit Akanthus geschmückt und stammte von 1745. Eine beachtenswerte ungefasste Schnitzfigur aus der Mitte des 15. Jahrhunderts stammte vom Flügelaltar des Vorgängerbaus und stellte Maria mit dem Kind dar. Zwei ganzfigurige, feingearbeitete, stark typisierte Bildnisse von Martin Luther und Philipp Melanchthon in Öl auf Leinwand stammten von 1614.

An der Südseite der Chorwand stand ein großes, prachtvolles Sandstein-Epitaph der Christiane Sophie Nicolai, geborene Troppanneger (1692–1756): Eine liegende Gestalt hielt ein ovales Relief mit der Darstellung der Verstorbenen und war von Pietas und Fides flankiert, abschließend waren eine Glorie und ein einen Kranz herabreichender Putto dargestellt. Das an der Südwand des Chores befestigte, 2,5 Tonnen schwere Epitaph warf Fragen der statischen Festigkeit auf, die sich jedoch als unbegründet erwiesen.

Die Orgel war ein Werk von Schuster-Orgelbau aus dem Jahr 1904 in einem Prospekt von Pfützner & Mayer aus den Jahren 1760/61, das Eule Orgelbau in den Jahren 1935/36 verändert hatte. Sie war mit 48 Registern auf drei Manualen und Pedal für Kirchen dieser Art außergewöhnlich groß.

Das Instrument wurde zwischen 1997 und 1998 umfassend restauriert, die Kosten wurden aus Spenden finanziert. Das Geläut bestand aus vier Eisenhartgussglocken, der Glockenstuhl war aus Stahl und die Glockenjoche aus Stahlguss gefertigt.
Kirchgemeinde

Die Kirche Großröhrsdorf gehört zur Evangelisch-Lutherischen Kirchgemeinde Großröhrsdorf-Kleinröhrsdorf im Kirchgemeindebund Massenei, zur Kirchgemeinde gehörten Ende 2022 rund 1.400 Gemeindeglieder. Pfarrer ist Stefan Schwarzenberg.

Der Brand und die Folgen

Ein Großfeuer zerstörte das Gotteshaus und seine Ausstattung in der Nacht zum 4. August 2023 fast völlig. Personen kamen nicht zu Schaden; die Feuerwehr konnte die Ausbreitung des Feuers auf andere Gebäude verhindern. Inzwischen hat die die Polizei einen Tatverdächtigen festgenommen, der 40-jährige ist geständig. 

Der Brand zerstörte die meisten historischen Kunstschätze des Gotteshauses. Taufstein und -schale, Kanzel, Orgel und Emporen, die geschnitzte Madonna aus dem 15. Jahrhundert und die Nachbildung des Altars der Leipziger Thomaskirche wurden vernichtet.

Ein Epitaph aus Sandstein, das Grabmal einer örtlichen und dort begrabenen Mäzenin aus dem 18. Jahrhundert, überstand Flammen und Hitze ebenso wie folgende Dinge, die in der Sakristei untergebracht waren: ein kleiner Altar, eine Truhe, eine Osterkerze und eine geschnitzte Holztafel mit den Namen aller Pfarrer seit dem 16. Jahrhundert.

Tobias Bilz, der Bischof der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens (EvLKS), zu der die Kirchgemeinde Großröhrsdorf gehört, war am 4. August spontan zur Brandstelle gekommen und zeigte sich bestürzt. Die zuständige Grundstücks-, Bau- und Friedhofs-Dezernentin des Landeskirchenamtes, Carmen Kuhn, erklärte, die EvLKS werde „die Kirchgemeinde bei allen anstehenden Schritten eng begleiten“.

Der Landrat des Landkreises Bautzen, Udo Witschas, sagte, eine Kirche sei einer der wichtigsten identitätsstiftenden Anker in einer Stadt und es müsse „alles dafür getan werden, damit sie so schnell wie möglich wieder aufgebaut werden kann“.

Die Kirchengemeinde dankt allen Einsatzkräften, kirchliche Veranstaltungen finden wie geplant statt – die Gottesdienste im Kirchgemeindehaus Großröhrsdorf. Für den Wiederaufbau erbittet die Kirchengemeinde Spenden auf das Konto zugunsten der Stadtkirche Großröhrsdorf (IBAN: DE 14 8509 0000 5939 9810 30, Volksbank Großröhrsdorf).

Koordinaten: 51° 8′ 39,3″ N, 14° 0′ 56″ O

Link: https://www.kirche-grossroehrsdorf.de/

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