Kirchenbauwerke sind bekannt als Wahrzeichen, Ortsmittelpunkt oder Orientierungsmarke. Die Gotteshäuser haben architektonisch, kunsthistorisch und regionalgeschichtlich vielfältige Bedeutung. Manche von ihnen sind zusätzlich auch lebendige Stätten für Musik, Kunst und Kultur – wie etwa die „Kulturkirche Panitzsch“ in Borsdorf bei Leipzig. Sie begeht in diesen Tagen ihr 30-jähriges Jubiläum.

Es war am 31. Oktober 1993: Da begann für die Kirche Panitzsch in ihrer jahrhundertealten Geschichte ein neues Kapitel – mit den ersten Klängen der restaurierten, historischen Orgel von Johann Christian Friedrich Flemming aus dem Jahr 1786.

Seitdem gibt es dort – zusätzlich zu den regelmäßigen Gottesdiensten – verschiedenste Konzerte namhafter Musikerinnen und Musiker, Ensembles und Chöre. In drei Jahrzehnten ist dort eine lebendige „Konzertgemeinde“ gewachsen, die regelmäßig musikalische Höhepunkte auf hohem Niveau erlebt – meist barocke Konzerte wie etwa das Weihnachtsoratorium und die Johannespassion. Das Gotteshaus mit seinen 300 Sitzplätzen ist dabei oft gut besucht oder voll besetzt gewesen, selbstverständlich zieht es auch Musikliebhaber aus Leipzig dorthin.

Ideengeber, Veranstalter und Allround-Manager ist – in ehrenamtlicher Personalunion – Reinhard Freier (75). Der Pfarrer im Ruhestand – er bezeichnet sich als „Pfarrer im Rennen“ – ist gut vernetzt mit zahlreichen Künstlern. Ihm und seiner Art sowie der Gastfreundschaft, die die Künstler bei ihm und seiner Frau Dr. Elke Freier erleben und schätzen, ist es zu verdanken, dass sie in der Kirche Panitzsch auftreten. Und viele kommen gern als „Wiederholungstäter“ wieder.

Blick auf die Kirche Panitzsch, ivk, CC BY 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=14714374
Kirche Panitzsch, ivk, CC BY 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=14714374

Weiterer Pluspunkt der Kirche ist ihre – wie Musiker sagen – „trockene Akustik“, sie passt ideal für Kammermusik der Renaissance- und Barockzeit. Hinzu kommt die idyllische Lage auf dem Kirchberg von Panitzsch.

Um aufzulisten, welche Künstler und Ensembles bereits dort konzertiert haben, reicht der Platz hier nicht aus: Schließlich sind es rund 750 Konzerte und 100 Ausstellungen in 30 Jahren – auf der Homepage der Kirche umfasst das aktuelle Jahresprogramm 42 Konzerte.

Anlässlich des besonderen Jubiläums „30 Jahre Kulturkirche Panitzsch“ gibt es jetzt ein ebenso vielstimmiges wie vielseitiges Echo:

– Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung hat Herrn Freier und seine Frau zum Jahres-Ehrenamtsempfang der Stadt im November eingeladen.

– Leipzigs Gewandhausdirektor Prof. Schulz hat den Eheleuten zwei Ehrenkarten für ein Konzert des Gewandhausorchesters ihrer Wahl zugeeignet.

– Leipzigs Kabarettist und Autor Bernd-Lutz Lange hat anlässlich des Jubiläums eine Lesung in der Kirche Panitzsch zugesagt (2.12., 15.30 Uhr).

Erfreulich und beeindruckend: Auch über Leipzig und das Umland hinaus hat das Jubiläum ein vielfältiges Echo gefunden – so etwa in Dresden und in Berlin: Es sind zahlreiche Gratulationsschreiben eingetroffen.

Zu den Gratulanten gehören beispielsweise Bundestagspräsidentin Bärbel Bas, Bundespräsident a.D. Christian Wulff, Bundestagspräsident a.D. Norbert Lammert, Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer, Sachsens Landtagspräsident Matthias Rößler, mehrere Bundestags- und Landtagsabgeordnete, einige mit der Kirche Panitzsch verbundene Künstler und Musiker sowie nicht zuletzt Bürger und Konzertbesucher aus Borsdorf, Panitzsch und Umgebung sowie aus Leipzig.

Und sogar aus dem Büro des Bundeskanzlers traf ein Schreiben ein, in dem Olaf Scholz „Herrn Pfarrer i.R. Reinhard Freier auf diesem Wege seine besten Wünsche“ übermittelt.

Was motiviert Reinhard Freier nach drei Jahrzehnten weiterhin, Veranstalter zu sein? „Es macht mir einfach Spaß und Freude – deshalb tue ich es mir an. Ich erlebe Publikum, Künstler und Veranstalter als innere und äußere Einheit: Was von Musik und Gesang auf die Hörer überspringt, bekommen die Künstler auch zurück. Das Publikum geht mit, nimmt auf und spiegelt das wider!

Es wäre ewig schade, wenn ich es nicht mehr machte – auch wenn es mich herausfordert, manchmal stresst, so ist das schnell vergessen oder zweitrangig. Für mich ist es ein Glücksfall, dass sich alles so fügt!“, so der Gottesmann mit dem für ihn charakteristischen Understatement.

Das Besondere bei den Konzerten: Reinhard Freier finanziert sie aus freiwilligen Spenden der Konzertbesucher, für wenige Termine werden Eintrittskarten verkauft. Die „Kulturkirche Panitzsch“ trägt sich selbst – ohne Fördermittel aus öffentlicher, institutioneller oder privater Hand.

Seit 1997 ist das kulturelle Profil des Gotteshauses zu Panitzsch erweitert: Künstlerinnen und Künstler präsentieren dort regelmäßig verschiedenste Ausstellungen. Zeichnungen, Grafiken und Gemälde wechseln sich ab mit Kunstfotografien – es gibt seitdem tatsächlich keinen Monat ohne Kunst an den Kirchenwänden.

Das 30-jährige Jubiläum würdigt auch die Bürgermeisterin von Borsdorf, zu der Panitzsch gehört: „Pfarrer Freier hat erkannt, dass man auch in einer kleinen Dorfkirche hochkarätigen Künstlerinnen und Künstlern eine Bühne geben kann“, so Birgit Kaden.

„Mit seinem unermüdlichen Mühen und Schaffen hat er Borsdorf, besonders den Ortsteil Panitzsch, weit über die Gemeindegrenzen hinweg bekannt gemacht. Die Veranstaltungen und die Vernetzungen mit Kulturschaffenden aller Couleur bereichern unser Gemeindeleben, sie tragen so zum sozialen Zusammenhalt und der Identifikation der Menschen mit ‚ihrem‘ Dorf bei. Ich möchte dafür von Herzen Danke sagen!“

Kirche Panitzsch: Die 18. Panitzscher Reformationsfestwoche

Rund um das Reformationsfest am 31. Oktober lädt die Kirche Panitzsch auch in diesem Jahr zu interessanten Veranstaltungen ein.

Eine Ausstellung des Malers und Grafikers Herbert Franz, Schüler von Arno Rink und Volker Stelzmann, ist ab Sonnabend, dem 28. Oktober 2023, in der Kirche zu sehen. Der Künstler zeigt neun Blätter, Radierungen seiner Grafikmappe „Gezeichnet“, Landschaften sowie auf der Empore „Zehn Plagen Ägyptens“, Neue Folge.

Aus Anlass des 30-jährigen Jubiläums der Wiedereinweihung der Flemmingorgel wird am 28. Oktober, 15 Uhr, zum vierten Kantatenkonzert „Bach in Panitzsch“ eingeladen. Es erklingen die Motetten „Der Geist hilft unserer Schwachheit auf“ (BWV 226), „Singet dem Herrn ein neues Lied“ (BWV 190) und „Jesu, meine Freude“ (BWV 227). Unter Leitung von Gotthold Schwarz singen und musizieren das Bach-Consort, Hartmut Becker (Cello) und Hauke Ramm, Stade, an der Orgel.

Am Sonntag, dem 29. Oktober, beginnt 10 Uhr ein Festgottesdienst mit Superintendent Andreas Beuchel (Kirchenbezirk Meißen Großenhain) als Gastprediger.

Am Reformationstag, dem 31. Oktober, 17 Uhr, dem eigentlichen Jubiläum, gestaltet das Duo Alexander Pfeiffer (Trompete) und Frank Zimpel (Orgel) ein Konzert mit Werken von Bach, Mendelssohn und Lemmens. Das Duo feiert mit diesem Konzert sein 25-jähriges Bestehen.

Judith von Hiller und die Jazzgesellschaft Leipzig SUM II sind dann am Sonntag, dem 5. November 2023, mit Jazz und Bossa Nova zu erleben. Den idyllischen Rahmen für das Konzert bieten der herbstliche Kirchberg in Panitzsch und die Barockkirche mit romanischem Kirchturm. Das Konzert beginnt 15 Uhr.

Die Jazzgesellschaft Leipzig SUM II konzertierte mehrfach in Panitzsch. SUM II hat sich durch Spielfreude und ausgefeilte Bläserarrangements einen Namen als Live Jazzband gemacht. Die Band SUM (Swing und Modern) gründete sich bereits vor 49 Jahren in Leipzig und formierte sich vor etwa 15 Jahren neu als SUM.

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