Kirchenbauwerke gehören zu vielen Ortschaften. Sie sind bekannt als Wahrzeichen, Ortsmittelpunkt oder Orientierungsmarke. Die Gotteshäuser haben architektonisch, kunsthistorisch und regionalgeschichtlich vielfältige Bedeutung. Heute geht es um eine sogenannte Bartning-Kirche in Chemnitz. Die Gnadenkirche Borna ist die evangelisch-lutherische Kirche in Borna-Heinersdorf, Stadtteil von Chemnitz. Sie steht an der Wittgensdorfer Straße 82.

Die Gnadenkirche Chemnitz ist eine sogenannte Bartning-Kirche: Sie gehört zu den 43 nach Typenentwürfen des Architekten Otto Bartning gebauten Notkirchen, die deutschlandweit zwischen 1946 und 1951 mithilfe ausländischer Spenden in einem Bauprogramm des Hilfswerkes der Evangelischen Kirchen in Deutschland (HEKD) entstanden; Spender für diesen Sakralbau war die US-amerikanische Sektion des Lutherischen Weltbunds.

Erster Spatenstich war im März 1950, Grundsteinlegung am 11. Juni, Richtfest am 13. Oktober und Einweihung am 29. Juli 1951. Der zunächst nur als Ansatz errichtete Turm wurde 1953/54 auf 27,5 Meter erhöht.

Die Tragekonstruktion der Kirche besteht wie bei den Bartning-Notkirchen des Typs B aus vorgefertigten Holzbindern. Dazwischen ist eine Ausmauerung eingefügt, die mit 170.000 Abbruchziegeln aus dem zerstörten Stadtzentrum errichtet wurde. Das Gotteshaus ist 27,5 Meter lang, 11,5 Meter breit und 11,5 Meter hoch. Der Innenraum ist unverputzt, die Außenseite hat hellen Rauputz.

Der Bau wird von einem chorartigen angemauerten Altarraum – und anders als bei vielen anderen Notkirchen dieses Typs mit polygonalem Abschluss – mit Rundfenstern abgeschlossen. Mit einem Satteldach ist der Raum mit innen offenem Dachstuhl gedeckt. Das Kruzifix schuf Bildhauer Reinhard Dietrich; Kanzel, Taufstein und Altar gestaltete Tischlermeister Robert Lindner. Das Geläut ist von außen sichtbar und stammt aus dem Jahr 1955. Die Orgel auf der Empore mit 21 Registern schuf 1957 die Orgelbau-Firma Jehmlich.

Bartning-Kirchen

Die Bartning-Notkirchen entstanden aufgrund eines Kirchbauprogramms des Evangelischen Hilfswerks, das nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs der Architekt Otto Bartning (1883–1959) entwickelte. Das Programm hatte zum Ziel, den Mangel an gottesdienstlichen Räumen zu lindern. Ursachen waren die Zerstörung vieler Kirchen im Zweiten Weltkrieg und der Zuzug von Millionen christlichen Flüchtlingen aufgrund der Vertreibung aus deren Heimat.

Finanziert haben diese Gotteshäuser der Weltrat der Kirchen in Genf, die Lutheran World Federation, die Evangelical and Reformed Church, die Presbyterian Church und das Schweizer Hilfswerk – die Kosten pro Gotteshaus betrugen jeweils 10.000 US-Dollar.

Bartning entwickelte einen Modellraum in Leichtbauweise aus vorgefertigten, genormten Einzelteilen. Die Notkirchen, für die er auf einen Entwurf von 1922 zurückgriff, haben als Besonderheiten ein sogenanntes Fensterband im Obergaden und das an einen Schiffsbauch erinnernde Kirchenschiff.

Dank der Fertigbauteile und der Mitarbeit der Gemeinde kostete der Bau einer Bartning-Kirche nur etwa die Hälfte dessen, was damals ein Kirchenbau in Massivbauweise gekostet hätte. In einer solchen Kirche finden zwischen 350 und 500 Gottesdienstbesucher Platz. Integriert waren meist eine Sakristei und ein abtrennbarer Gemeinderaum unter der Empore.

Die Gnadenkirche Chemnitz-Borna, eine sogenannte Bartning-Kirche. Kolossos, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=7476819
Gnadenkirche Chemnitz-Borna, eine sogenannte Bartning-Kirche. Kolossos, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=7476819

Das benötigte Holz für das zeltförmige Tragwerk, die Einbauten und das Gestühl wurde größtenteils von Gemeinden in Skandinavien oder den USA gestiftet. Das tragende Gerüst aus sieben hölzernen Dreigelenkbindern wurde in wenigen Tagen auf dem von der Kirchgemeinde zu errichtetem Fundament aufgestellt. Von da an organisierte die Kirchgemeinde alles Weitere selbst.

Das Grundmodell ließ sich leicht auf lokale Bedürfnisse anpassen. Dabei konnten auch die Überreste kriegszerstörter Kirchen integriert werden. Für die nicht tragenden Wände wurden oft Trümmersteine verwendet. Der Kirchturm wurde häufig seitlich an der symmetrischen Westfassade angesetzt.

Es gab zwei Typen dieses Kirchenbaus: Typ A mit Spitztonnengewölbe und gemauertem Altarraum – er wurde wegen der aufwendigeren Dachkonstruktion mit der Bethanienkirche in Frankfurt am Main sowie der Schweizer Kirche in Emden nur zweimal errichtet.

Den Typ B als „Saalkirche mit Satteldach“ gab es mit drei verschiedenen Chorabschlüssen: mit polygonalem Altarraum, mit angemauertem Altarraum oder ohne gesonderten Altarraum.

Entstanden sind 41 Gotteshäuser vom Typ B, zwei davon wurden später an einen anderen Ort umgesetzt. Zwei von ihnen – in Aachen und in Düsseldorf – wurden später abgebrochen; von der Notkirche in Hannover-List die Binder in einer anderen Kirche wiederverwendet.

Weitere Bartning-Kirchengebäude in Mitteldeutschland sind in Sachsen die Friedenskirche Dresden-Löbtau, die Trinitatiskirche in Leipzigs Stadtteil Anger-Crottendorf sowie in Thüringen die Justus-Jonas-Kirche in Nordhausen-Niedersalza.

Bartning-Kirchen galten – anders als es die Bezeichnung „Notkirche“ vermuten lässt – von Anfang an keineswegs als Provisorien. Auch haben in den vergangenen Jahrzehnten Denkmalschutzbehörden in einigen Fällen den Abriss einer solchen Notkirche sowie den Bau eines Nachfolge-Gotteshauses verhindert.

Jüngere Vergangenheit

Seit 1992 steht die Kirche unter Denkmalschutz. Von 2003 bis 2008 wurden Kirchenschiff und Kirchturm mit Fassade und Dach umfassend denkmalgerecht erneuert.

Koordinaten: 50° 51′ 41,8″ N, 12° 53′ 24″ O

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