Kirchenbauwerke gehören zu vielen Ortschaften. Sie sind bekannt als Wahrzeichen, Ortsmittelpunkt oder Orientierungsmarke. Die Gotteshäuser haben architektonisch, kunsthistorisch und regionalgeschichtlich vielfältige Bedeutung. Heute geht es um ein Gotteshaus in Wernigerode, das zur Konzertstätte geworden ist. Die Liebfrauenkirche zu Wernigerode ist ein traditionsreiches Kirchengebäude in der Stadt im Landkreis Harz in Sachsen-Anhalt. Das Kulturdenkmal wird neuerdings als „Konzerthaus Liebfrauen“ genutzt.

Der ursprünglich romanische Bau mit zwei Türmen wurde im Jahr 1230 erstmals erwähnt und 1751 beim Brand des Burgstraßenviertels völlig zerstört. Mit finanzieller Unterstützung des dänischen Königshauses und des Grafen Christian Ernst zu Stolberg-Wernigerode erfolgte zwischen 1756 und 1762 der Wiederaufbau im Barockstil. Die Pläne schuf der gräfliche Baumeister Johann Friedrich Heintzmann.

Dem einstigen kleinen Barockturm folgte 1891 die große neugotische Adaption eines Fünfknopfturmes mit vier dazwischenliegenden Uhr- und vier darüberliegenden Obertürmchen. Ursprünglich sollte die Kirche vollständig im neugotischen Stil umgebaut werden – jedoch fehlten der Gemeinde die finanziellen Mittel. So blieb es bei der Neuerrichtung des Turmes.

Im Jahr 2018 kaufte die Kulturstiftung Wernigerode das Gotteshaus, das zur Konzerthalle umgestaltet werden sollte. Am 3. Februar 2019 erfolgte die Entwidmung der Kirche. Anschließend begannen die Bauarbeiten zum Umbau der Kirche in ein Konzerthaus. Am 17. Dezember 2021 wurde das „Konzerthaus Liebfrauen“ Wernigerode eröffnet.

Bauwerk

Die Architektur der Kirche ist von schlichter Art. Baumaterial ist der in der Nähe gebrochene und teilweise verputzte Rogenstein, ein Kalkoolith aus dem Unteren Buntsandstein. Die Grundform der Kirche ist ein Rechteck mit den Maßen 17,20 Meter Breite und 31,70 Meter Länge. An der nördlichen und der südlichen Seite befindet sich je ein Anbau.

An der Nord-, Süd- und Ostseite läuft in etwa drei Meter Höhe ein Gesims entlang, das die Kirche außen gliedert. Im unteren Teil befinden sich kleine Flachbogenfenster, im oberen Teil hohe Rundbogenfenster. Die Ostseite des Gotteshauses wurde als Festseite gestaltet, dort war auch der Haupteingang. Der Mittelteil der Fassade ist leicht hervorgehoben und wird über einem Fries mit einem Dreiecksgiebel abgeschlossen.

Kirchturm

Der etwa 60 Meter hohe Turm der Liebfrauenkirche ist aus Sandstein erbaut. Auf beiden Seiten flankieren ihn zwei Anbauten, die wiederum jeweils ein Türmchen tragen. Der Hauptturm wird von getreppten Strebepfeilern verstärkt, diese reichen bis auf Höhe der Schallfenster. Über den Schallfenstern befinden sich vier über Eck platzierte Scharwachtürme, die den Spitzhelm begrenzen.

Im oberen Drittel des Spitzhelms ragen vier sehr kleine Spitzhelme heraus. Zu den sonntäglichen Gottesdiensten ging es zuletzt durch den Eingang im Turm. Dieses Portal ist abgestuft und trägt in seinem Tympanon das Lamm Gottes.

Der Blick zum Kirchturm. Foto: HankoLP, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=25069307
Blick zum Kirchturm. Foto: HankoLP, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=25069307

Im Frühjahr 1891 wurde die heutige Turmuhr eingebaut, die von der Großuhrenfabrik Ed. Korfhage & Söhne aus Buehr gefertigt wurde. Die Uhr besteht zum Großteil aus Gusseisen, ihre Zifferblätter haben jeweils zwei Meter Durchmesser.

Innengestaltung

Der Innenraum der Kirche galt als Muster-Beispiel einer rechteckigen Saalkirche des Barocks, ähnlich der Garnisonkirche Potsdam. Aufgrund des Umbaus der Kirche zur Konzerthalle wurde alles bewegliche Kultur- und Kunstgut aus der Liebfrauenkirche in die St.-Sylvestri-Kirche überführt, es blieb Eigentum der Kirchengemeinde. Dazu gehören Kruzifixe, Porträtgemälde, Truhen, Liedertafeln, Vasa sacra und anderes.

Raumprägende, feste Bestandteile wie der Altar und die Logen wurden Eigentum der Kulturstiftung und bleiben in der Kirche. Das Gestühl wurde ausgebaut und mit Theatergestühl ersetzt, ebenso gab es Veränderungen an den Empore.

Orgel

Auch in der ursprünglichen Liebfrauenkirche gab es eine Orgel, diese schuf 1707 Christoph Cuntzius. Als im Jahre 1762 die neue Liebfrauenkirche eingeweiht wurde, musste die Gemeinde noch auf den Klang einer Orgel verzichten. Diese erbaute bis 1765 der Orgelbauer Christian Braun aus Wernigerode.

Knapp 120 Jahre später schuf die Orgelbaufirma Sauer ein neues Instrument mit 30 Registern auf zwei Manualen und Pedal – hinter dem Prospekt der Vorgänger-Orgel. Diese Orgel wurde im Gottesdienst am 27. Juni 1883 erstmals gespielt.

Das Instrument verblieb nach dem Verkauf der Kirche im Eigentum der Neuen Evangelischen Kirchengemeinde Wernigerode. Es wurde während des Umbaus der Kirche zum Konzerthaus umfassend saniert und auf den Originalzustand von 1883 rekonstruiert.

Gegenwart als „Konzerthaus Liebfrauen“

Wegen gesunkener Zahl der Gemeindemitglieder entschloss sich die Kirchgemeinde St. Sylvestri und Liebfrauen, das Gotteshaus abzugeben. So wurde es im Jahr 2019 Eigentum der 2006 gegründeten Kulturstiftung Wernigerode, einer selbständigen Stiftung bürgerlichen Rechts zur Pflege und zur Beförderung der städtischen kulturellen Angebote in Wernigerode.

Die Liebfrauenkirche Wernigerode. Foto: Z thomas, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=62067461
Liebfrauenkirche Wernigerode. Foto: Z thomas, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=62067461

2017 lobte das Land Sachsen-Anhalt einen mit der EU finanzierten Wettbewerb zur Sanierung von Kulturstätten aus, für den sich die Kulturstiftung Wernigerode bewarb. Das Projekt „Umwidmung der Liebfrauenkirche“ wurde als eins von 20 ausgewählt und erhielt die Zusage für Fördermittel in Höhe von rund 4 Millionen Euro.

Die Stadt Wernigerode steuerte 480.000 Euro bei, die Ostdeutsche Sparkassenstiftung 284.000 Euro; alle Eigenmittel wurden aus Spenden aufgebracht. So wurde die Kirche dank EU-Fördermitteln aus dem EFRE-Programm von Januar 2020 bis Dezember 2021 zur Proben- und Konzertstätte umgebaut.

Entstanden ist ein hochwertiger Konzertsaal mit einer auch für Sinfonieorchester ausreichend großen Bühne, klangvoller Sauer-Orgel aus dem Jahr 1883 mit 1.800 Orgelpfeifen in 30 Registern, einer Chor-Empore über der Bühne sowie bester Sicht von knapp 500 Konzert-Plätzen in Parkett, beiden Emporen und der Fürstenloge.

Er erinnert mit seiner Innenausstattung an die einstige Liebfrauenkirche. Mit hervorragender Akustik und markanter Architektur ist die einstige Kirche nunmehr als Konzerthaus Liebfrauen – gemeinsam mit dem Fürstlichen Marstall – Wernigerodes professionelle Bühne für heimische Klangkörper und Gast-Künstler.

Der „Hölzerne Himmel“, die gewölbte Decke ohne Stützen, ist ohne Berührung mit dem Dach „schwingend“ konstruiert – er schwingt somit bei Musik wie ein großer Geigenkorpus. Das führt zu guter Nachhallzeit und ausgewogene Frequenzführung. Hinzu kommt ein großes Schallsegel über der Bühne.

Residenz-Orchester ist das Philharmonische Kammerorchester Wernigerode; es nutzt die Stätte als Konzert- und Probensaal. Das Spektrum der dortigen Veranstaltungen reicht von klassischen Orchester-, Chor- und Kammermusik-Aufführungen über Jazz- und Weltmusik-Abenden bis zu Singer-Songwriter-Konzerten.

Koordinaten: 51° 49′ 56,2″ N, 10° 47′ 19,1″ O

Die Liebfrauenkirche auf Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Liebfrauenkirche_(Wernigerode)

Die Liebfrauenkirche als Konzerthaus: https://konzerthaus-wernigerode.de/konzerthaus/

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