Kirchenbauwerke gehören zu vielen Ortschaften. Sie sind bekannt als Wahrzeichen, Ortsmittelpunkt oder Orientierungsmarke. Die Gotteshäuser haben architektonisch, kunsthistorisch und regionalgeschichtlich vielfältige Bedeutung. Heute geht es um ein besonderes Gotteshaus in der Nähe von Leipzig. Die Wehrkirche Pomßen ist das Gotteshaus der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens in Pomßen, einem Ortsteil der Gemeinde Parthenstein im sächsischen Landkreis Leipzig.

Dort erklingt mit einem Alter von 350 Jahren Sachsens älteste spielbare Orgel, die der Orgelbauer Gottfried Richter (1640–1717) schuf.

Geschichte

Die ältesten Teile der Kirche, romanische Kapitelle, Apsis und romanische Fenster, stammen aus dem 13. Jahrhundert. Auf das 15. Jahrhundert gehen der Mauerdurchbruch vom Kirchenschiff zum Turm, der Türbogen aus Rochlitzer Porphyr und der Taufstein zurück.

Von 1536 bis 1782 waren die Herren von Ponickau Besitzer von Gut und Schloss Pomßen, damit waren sie auch Patronatsherren der Kirche. In ihrer Zeit entstand nahezu vollständig die bis heute erlebbare Ausstattung der Kirche. Als die Herren von Ponickau die Kirche übernahmen, war sie bereits evangelisch; 1527 hatte dort die erste evangelische Kirchenvisitation stattgefunden.

Die erste große Anschaffung war wohl der Renaissance-Altar von 1560 aus der Freiberger Bildhauerschule Andreas Lorenz. Nach der größeren Beschädigung der Kirche mit teilweisem Einsturz des Turmes begann 1660 eine längere Bau- und Ausstattungsphase.

1668 wurde die Empore an der Nordwand eingebaut. Es entstanden die Kassettendecken in Langhaus und Chor sowie die Kanzel, 1668 das Engelskonzert an der Brüstung der Orgelempore. Die Orgel folgte 1671 und das Glockengeläut 1686. Die Bautätigkeit endete nach Fertigstellung der zweistöckigen Patronatsloge mit eigenem Aufgang 1686.

Rückansicht um 1840. Abbildung gemeinfrei, CC0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=61465402
Die Rückansicht um 1840. Abbildung gemeinfrei, CC0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=61465402

Am 6. Februar 1727 führte in der Kirche zu Pomßen Johann Sebastian Bach (1685–1750) seine Kantate „Ich lasse dich nicht, du segnest mich denn erstmals“ auf, die er zu einer Kantate für den Tag „Mariä Reinigung“ veränderte; sie hat die Werknummer BWV 157.

Anlass ihrer Aufführung war derTrauergottesdienst für den im Vorjahr verstorbenen Pomßener Gutsherrn Johann Christoph von Ponickau (1652–1726), der sich die Bibelstelle für die Kantate ausgesucht haben soll. Im zweiten Teil des Gottesdienstes erklang „Liebster Gott, vergisst du mich“ (BWV Anh. I 209).

Im Zeitraum von 1889 bis 1934 folgten Renovierungsarbeiten, unter anderem mit der Freilegung alter Wandgemälde. 1974 wurde die Kirche außen erneuert, und in den 1990er-Jahren wurden die Kunstwerke im Innenraum restauriert.

Architektur

Auffällig ist zunächst der massige, querstehende Kirchturm mit einer Grundfläche von 11,5 Meter mal 6,5 Meter, der die Breite des Hauptschiffes der Kirche einnimmt und den Charakter als Wehrkirche bestimmt. Er ist bis auf die rundbogigen Schallfenster der Glockenstube nahezu fensterlos. Auf dem schiefergedeckten Walmdach sitzt der Dachreiter mit Glockenhaube. Auf der Südseite des Daches trägt ein kleiner Giebel ein Zifferblatt der Turmuhr, während auf der Nordseite das Zifferblatt in Höhe der Glockenstube auf der Wand angebracht ist.

Das an den Turm anschließende 11,5 Meter lange Hauptschiff ist über die Turmbreite hinaus nach Süden verbreitert, womit ein Seitenschiff entstand. Es ist innen über einen großen Rundbogen mit dem Hauptschiff verbunden. In der Höhe abgestuft folgt am Hauptschiff der 6,5 Meter lange Chor, den die halbrunde Apsis mit drei Rundbogenfenstern abschließt.

Nördlich der Apsis steht ein kleiner Treppenturm, der einen externen Zugang zur Patronatsloge ermöglicht.

Ausstattung

Im Gegensatz zum schlichten Äußeren zeigt die Kirche eine reiche Ausstattung. Der Altar ist aus farbig gefasstem Sandstein. Im Retabel von Säulen gegliedert, ähnelt er einem Dreiflügelaltar. Die Einzelbilder stellen das Leben und Leiden Jesu dar: die Geburt im Stall, seine Taufe, die Gefangennahme in Gethsemane, Geißelung, Kreuzigung, Kreuzabnahme, Grablegung und Auferstehung. Zentral eingebunden ist die Stifterfamilie, Hans von Ponickau (1508– 1573) mit seiner Frau, seinen Töchtern und Söhnen.

Im Chorraum dominiert an der Nordseite die stuckgeschmückte Patronatsloge, ihr gegenüber aufwendig gestaltete Epitaphien für Verstorbene der Familie Ponickau. Die flache Decke des Chors zieren 20 Kassetten, in denen Engel dargestellt sind, die die Marterwerkzeuge Christi tragen.

Von der Decke des Chores schwebt an einem Seil ein großer barocker Taufengel, der früher zur Taufe abgesenkt werden konnte. Eine Schranke mit kräftigen, aus Holz gedrehten und geschnitzten Balustern trennt den Chor vom Langhaus. Über dieser Schranke an der Säule zwischen Haupt- und Seitenschiff steht auf einem geschnitzten Engel die in Weiß und Gold gehaltene Kanzel. In ihren Bildfeldern sind die Evangelisten, Paulus, Joel und Jeremia sowie an der Kanzeltür Aron und Moses dargestellt.

Der Blick von der Empore zum Altar. Foto: Ghostwriter123, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=61535648
Blick von der Empore zum Altar. Foto: Ghostwriter123, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=61535648

Das Hauptschiff hat eine Kassettendecke mit 56 Feldern. 53 von ihnen tragen allegorische Darstellungen alt- und neutestamentlicher Gestalten von Adam bis Christus und frühen Kirchenvätern in Grisaille-Malerei auf gold-ockerfarbenem Grund.

Das Seitenschiff hat ein hölzernes Tonnengewölbe und eine Empore. Deren Felderflächen sowie die der beiden Emporen im Hauptschiff zeigen florale Ornamente in der Technik der Deckenkassetten.
An der Westwand erhebt sich über der ersten die zweite Empore mit der Orgel. An ihrer Brüstung sind in sieben Feldern Engel mit zeitgemäßen Musikinstrumenten dargestellt (Engelskonzert). Auch die Flügeltüren der Orgel zeigen musikbezogene Darstellungen. Die Bemalungen der Kassettendecken der Emporen und der Orgel bilden eine eindrucksvolle gestalterische Einheit.

Richter-Orgel

Die Orgel der Wehrkirche Pomßen aus dem Jahr 1671 gilt als die älteste erhaltene und spielbare Orgel Sachsens. Der 350. Jahrestag der Weihe dieser Richter-Orgel wurde am 10. Oktober 2021 mit Symposium und Orgel-Konzert begangen.

Sophia von Ponickau erteilte nach den Schäden von 1661 den Auftrag zum Neubau der bis heute erhaltenen Orgel an Gottfried Richter, Orgelbauer und späterer Bürgermeister in Döbeln in Sachsen. Das Instrument wurde 1671 gebaut.

Das einmanualige Werk hatte ursprünglich zwölf Register auf Manual und Pedal. Im Jahr 1727 kam ein Pedalregister hinzu, das Orgelbauer Johann George Gordt aus Mittweida schuf. 1887 baute Gottfried Hildebrand aus Leipzig zwei Register aus und neue Klaviaturen ein. Von 2004 bis 2006 restaurierte die Orgelwerkstatt Wegscheider aus Dresden das Instrument und stellte den ursprünglichen Zustand wieder her.

Gottfried Richter orientierte sich bei der Gestaltung des fünfteiligen Prospekts historisierend am Stil der Renaissance. Die mittleren drei langen, bossierten Pfeifen haben gedrehte Füße und vergoldete Labien, die Ober- und Unterlabien der Prospektpfeifen Kielbögen. Die seitlichen Flügeltüren sind in Grisaille-Technik bemalt. Die originale Disposition ist in der „Orgell-Predigt“ am Palmsonntag 1671 von Pomßens Pfarrer Immanuel Weber dokumentiert. Manual- und Pedalwerk stehen jeweils in eigenen Gehäusen.

Klanglich und optisch eine Pracht: Die Richter-Orgel aus dem Jahr 1671. Foto: Dieter Wadewitz, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=37672030
Klanglich und optisch eine wahre Pracht: Die Richter-Orgel aus dem Jahr 1671. Foto: Dieter Wadewitz, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=37672030

Im Jahr 2007 wurden Aufnahmen von Roland Börgers Orgelspiel auf der 2006 restaurierten Richter-Orgel gefertigt und auf CD veröffentlicht.

Geläut

Das älteste bekannte und heute noch vorhandene Glockengeläut stammt aus dem Jahr 1685: Die drei Bronze-Kirchenglocken sind ein g-Moll-Geläut mit der Tonfolge ges’ ±0 (775 kg Gewicht), b’ +7 (350 kg) und d” ±0 (150 kg). Es schuf der Glockengießermeister Johann Jakob Hoffmann aus Halle an der Saale. Die Glocken weisen in ihren Inschriften seinen Namen beziehungsweise seine Initialen auf.

Die große und mittlere Glocke mussten im Zweiten Weltkrieg als sogenannte „Metallspende des deutschen Volkes“ abgegeben werden, sie entgingen jedoch der Zerstörung und Einschmelzung und konnten 1947 vom Glockenfriedhof Hamburg auch unter Nutzung des Wasserwegs über die Elbe nach Pomßen zurückgeholt werden. Im Jahr 1984 wurde das Geläut elektrifiziert.

2014/2015 wurden in mehrmonatiger Arbeit der Stahlglockenstuhl von 1982, der Schäden am Geläut verursacht hatte, zurückgebaut – es entstand nach historischem Vorbild und unter Verwendung noch vorhandener Teile des historischen Glockenstuhls ein neuer Eichenholz-Glockenstuhl. Während dieser Zeit wurden die drei Glocken umfassend saniert.

Kirchgemeinde

Die Kirche Pomßen gehört zur Evangelisch-Lutherischen Kirchgemeinde Pomßen-Belgershain, die gemeinsam mit der Kirchgemeinde Köhra vom Pfarramt Pomßen verwaltet wird.

Monatlich von Mai bis Dezember veranstaltet der Förderverein zur Pflege und Restaurierung der Renaissance-Orgel in der Wehrkirche zu Pomßen/Sachsen e.V. ein Konzert mit deutschen und internationalen Organisten. Dazu gehören auch Konzerte der Europäischen Orgelakademie Leipzig, die die Hochschule für Musik und Theater „Felix Mendelssohn Bartholdy“ Leipzig alle zwei Jahre organisiert.

Am 23. Oktober 2016 sendeten die Radiosender MDR Kultur und Deutschlandfunk den Gottesdienst aus der Kirche als Direktübertragung und machten so das Bauwerk, die Orgel und die Kirchgemeinde überregional bekannt.

Koordinaten: 51° 14′ 20,6″ N, 12° 36′ 47″ O

Die Wehrkirche Pomßen auf Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Wehrkirche_Pom%C3%9Fen

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