Kirchenbauwerke gehören zu vielen Ortschaften. Sie sind bekannt als Wahrzeichen, Ortsmittelpunkt oder Orientierungsmarke. Die Gotteshäuser haben architektonisch, kunsthistorisch und regionalgeschichtlich vielfältige Bedeutung. Heute geht es um ein Gotteshaus mit ungewöhnlicher Geschichte in Borsdorf nahe Leipzig. Die Kirche Borsdorf ist ein im Jahr 1967 geweihtes Gotteshaus der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens in Borsdorf im sächsischen Landkreis Leipzig sowie ein Kulturdenkmal im Freistaat Sachsen.

Sie gehört zu der aus politischen Gründen begrenzten Zahl an neu oder umgebauten Gotteshäusern in der DDR. Die Kirche entstand aus dem Tanzsaal des einstigen Gasthofs.

Vorgeschichte

Bis zur Reformation gehörten Borsdorfs Christen zur Kirche Panitzsch, die Verstorbenen wurden auf dem Friedhof Zweenfurth begraben. Mit der wachsenden Einwohnerzahl aus wirtschaftlichen Gründen entstand in Borsdorf ein eigener Friedhof. Am 1. Januar 1906 wurde Borsdorf aus der Parochie Beucha-Zweenfurth ausgepfarrt und eine selbstständige Kirchgemeinde.

Für das kirchliche Leben in Borsdorf diente im 1905 errichteten Ostflügel der Schule ein Betsaal: zwei Klassenzimmer im zweiten Stock, die mit Öffnen einer Doppeltür zum Kirchensaal wurden. Beim Schulneubau entstand ein Glockenturm auf dem Dach.

Am 17. November 1907 gab es dort die feierliche Glockenweihe der 130 Kilogramm schweren Eisenglocke mit dem Schlagton C und dem Schriftzug „Kommt, wir wollen wieder zum Herrn“, gegossen von der Firma Möllnitz & Schiffter in Leipzig.

Geschichte

Im Jahr 1925 kaufte die Kirchgemeinde Borsdorf den alten Gasthof „Schweizerhaus“ in der Schulstraße 17, dort wohnt seitdem der Pfarrer mit seiner Familie. Zum Gasthof gehörte ein Tanzsaal, der fortan als Betsaal für Gottesdienste genutzt wurde.

1961 übernahm der damals 32 Jahre alte Gottfried Schille, zugleich nebenamtlich Dozent an der Kirchlichen Hochschule Leipzig, das Pfarramt und begann, den Saal für kirchliche Zwecke umzubauen. 1964 wurde der bis dahin als Betsaal genutzte Tanzsaal des ehemaligen Gasthofes abgerissen und auf dessen Fundament die Kirche errichtet. Da es sich damit um einen Umbau handelte, war staatlicherseits keine Baugenehmigung erforderlich – die vermutlich nur mit großer Verzögerung oder gar nicht erteilt worden wäre.

Aufgrund des Zuschnitts des Grundstückes und der unverändert aufzurichtenden Umfassungsmauern des Kirchenbaus war deren Ostung – also die Ausrichtung der Kirche nach Osten – nicht möglich; die Kirche Borsdorf steht daher in Nord-Süd-Ausrichtung. Architekt war Fritz Ziel aus Leipzig.

Dank der Unterstützung des Aufbaulagers der Gossner Mission mit jugendlichen Helfern aus Ungarn, Deutschland, der Tschechoslowakei und Polen sowie des Gustav-Adolf-Werkes entstand die kleine Kirche. Die Buntglasfenster gestaltete der Künstler Werner Juza.

Kirchweihe war am 26. Februar 1967 mit Landesbischof Gottfried Noth und Pfarrer Gottfried Schille. An diesem Tag erklangen erstmals die vier für diese Kirche von der Glockengießerei Schilling in Apolda gegossenen Bronze-Kirchenglocken.

Am 26. Februar 2017 gab es zum 50-jährigen Jubiläum einen Festgottesdienst mit Pfarrer Thomas Enge und Superintendent Matthias Weismann.

Orgelpositiv und Jehmlich-Orgel

Das Orgelpositiv mit fünf Registern wurde 1965 von Hermann Eule Orgelbau aus Bautzen gebaut. Die Kosten laut Rechnung vom 2. Juli 1965 betrugen 9.100 DDR-Mark und wurden komplett aus Spenden aufgebracht.

Seit ihrer Weihe am 25. September 2022 erklingt in der Kirche Borsdorf die Jehmlich-Chororgel (Opus 740) – sie stammt aus der Kreuzkirche Dresden und diente seit 1957 dem Dresdner Kreuzchor als Begleitinstrument. Die Gesamtkosten inklusive der Umsetzung nach Borsdorf, vermittelt vom Orgelsachverständigen Johannes Dickert aus Wurzen, betrugen rund 25.000 Euro; davon stammten 6.500 Euro von der Landeskirche. Die Orgel hat acht Register auf Manual und Pedal.

Die Jehmlich-Orgel in der Kirche Borsdorf. Foto: MquadratDD, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=130754844
Jehmlich-Orgel in der Kirche Borsdorf. Foto: MquadratDD, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=130754844

Geläut

Das Geläut der Kirche besteht aus vier Bronze-Kirchenglocken, die die traditionsreiche Firma Franz Schilling Söhne in Apolda im Oktober 1966 gegossen hat: Es waren die Sterbeglocke mit Schlagton a und Schriftzug „Sie ist nicht gestorben, sondern sie schläft“, die Abendglocke mit Schlagton c und Schriftzug „Du erhörst mein Gebet“, die Trauglocke mit Schlagton d und Schriftzug „Selig sind die Friedfertigen“ sowie die Taufglocke mit Schlagton e und Schriftzug „Sie werden Kinder Gottes heißen“.

Christus-Monogramm statt Kreuz

Ein Christus-Monogramm an der Fassade. Foto: Ghostwriter123, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=58083865
Christus-Monogramm an der Fassade. Foto: Ghostwriter123, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=58083865

Eine Besonderheit des Kirchgebäudes ist, dass weder auf dem Dach noch an der Fassade das Christus-Kreuz zu sehen ist. Das ist den politischen Umständen in der DDR-Zeit geschuldet: Die wenigen damals neu gebauten Gotteshäuser sollten nach dem Willen der SED-Machthaber zumindest nicht auf den ersten Blick als Kirchen erkennbar sein.

Stattdessen schimmert in Borsdorf bis heute an der Fassade als sakrales Zeichen das weniger bekannte, sogenannte Christus-Monogramm.

Koordinaten: 51° 20′ 36,9″ N, 12° 32′ 26,3″ O

Die Kirche Borsdorf auf Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Kirche_Borsdorf

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