Kirchenbauwerke gehören zu vielen Ortschaften. Sie sind bekannt als Wahrzeichen, Ortsmittelpunkt oder Orientierungsmarke. Die Gotteshäuser haben architektonisch, kunsthistorisch und regionalgeschichtlich vielfältige Bedeutung. Dutzende Kirchen werden heutzutage anders als ursprünglich genutzt, so auch in Neubrandenburg. Die St.-Marien-Kirche war die Hauptpfarrkirche Neubrandenburgs in Mecklenburg.

Nach weitgehender Zerstörung im April 1945 am Ende des Zweiten Weltkriegs wurde sie bis 2001 zur Konzertkirche Neubrandenburg umgestaltet.

Der Sakralbau ist sowohl ein Konzertsaal von internationalem Rang als auch ein Zeugnis norddeutscher Backsteinkunst. Besonders ihr Ostgiebel gilt als ein erster Höhepunkt der Backsteingotik. Der in den 1980er Jahren rekonstruierte Kirchturm ist mit 90 Metern Höhe Neubrandenburgs höchstes Bauwerk.

Geschichte

Bald nach der Stadtgründung 1248 begann der Bau der St.-Marien-Kirche. Diesem ersten, wahrscheinlich als Holzkirche auf Feldsteinfundament errichteten Gebäude folgte um 1270 eine aus Granitquadern gemauerte Pfarrkirche. Die vier Joche vom Chorraum der heutigen Kirche wurden Ende des 13. Jahrhunderts fertiggestellt. Ihr Hauptaltar wurde 1298 von Bischof von Havelberg geweiht.

Das Kirchenschiff entstand am Anfang, der Kirchturm im Laufe des 14. Jahrhunderts. 1523 gab es in Neubrandenburg den ersten lutherischen Prediger, im Jahr 1549 wechselte Mecklenburg aufgrund der Reformation zur evangelisch-lutherischen Konfession. Seitdem war die St.-Marien-Kirche eine lutherische Kirche mit zeitweise fünf Pfarrstellen – also ein Gotteshaus für zahlreiche Protestanten der Stadt.

1591 stürzte die Turmspitze bei einem Sturm herab. Im Jahr 1614 wurde die Marienkirche Opfer eines Stadtbrandes. Im Dreißigjährigen Krieg richteten kaiserliche Truppen bei der Besetzung der Stadt 1631 in der Kirche ein Blutbad an. Erneut beschädigt wurde der Turm 1655, diesmal aufgrund eines Blitzschlags, wobei Geläut und Kirchturmuhr zerstört wurden.

Beim Stadtbrand von 1676 beschädigte der ins Mittelschiff gestürzte Turm das Gewölbe so stark, dass es vollständig abgetragen werden musste. Die verarmte Stadt konnte sich nur eine behelfsmäßige Reparatur leisten und ließ das Gewölbe mit einem Bretterboden ersetzen. Gottesdienste waren erst ab 1694 wieder möglich.

Bis 1765 war Neubrandenburg zugleich Sitz des Superintendenten des Kirchenkreises Stargard. Ihr heutiges Äußeres erhielt die Kirche in mehrjährigen Bauarbeiten ab 1832 unter Leitung von Friedrich Wilhelm Buttel. Die Einweihung war am 12. August 1841.

Zweiter Weltkrieg und danach

Beim Brand der Innenstadt von Neubrandenburg am 29. April 1945 brannte auch die Kirche bis auf die Außenwände und die Turmmauern aus. Der anfangs geplante Wiederaufbau als Gotteshaus überstieg die Möglichkeiten der Gemeinde deutlich. Auch der Versuch, im Ostteil einen Einbau zu errichten, der als Gemeindehaus dienen sollte, konnte nicht verwirklicht werden.

Blick auf das Gotteshaus im Jahr 1952. Foto: Bundesarchiv, Bild 183-17168-0003 / Klein / CC-BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=5340930
Das Gotteshaus im Jahr 1952. Foto: Bundesarchiv, Bild 183-17168-0003 / Klein / CC-BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=5340930

Architektur

Die Marienkirche war bis zu ihrer Kriegszerstörung eine neunjochige und dreischiffige Hallenkirche. Sie hatte ein rechtwinkliges Kreuzgewölbe und einen geraden Chorabschluss. Der Kirchturm hatte eine Höhe von 90 Metern, die auch mit dem Wiederaufbau in den 1980er Jahren wieder erreicht wurde. Der frühere Gewölbescheitel im Mittelschiff befand sich in 18,5 Meter Höhe. Das Innere des Kirchenschiffes ist 22,4 Meter lang und 53,6 Meter breit. Die Stärke der Westwand liegt bei 4,7 Meter.

Das vorgeblendete, frei stehende Maßwerk des von 1292 bis 1297 errichteten Ostgiebels ist eine filigrane Zusammenstellung von Wimpergen und Fialen und das älteste der norddeutschen Backsteingotik. Der unbekannte Baumeister setzte erstmals eine Maßwerkarchitektur in Backstein um, die sich von dort aus im norddeutschen Raum verbreitete.

Umbau zur Konzertkirche und Eröffnung

Nachdem Anfang der 1970er Jahre städtische Abrisspläne des Gotteshauses verworfen wurden, erwarb die Stadt Neubrandenburg 1975 die Liegenschaft. Sie begann mit dem Wiederaufbau und Ausbau zu Konzerthalle und Kunstgalerie. Jedoch waren die Verantwortlichen bis 1989 nicht in der Lage, das Vorhaben voranzubringen oder gar zu vollenden. Die Gründe dafür waren vielschichtig – nicht zuletzt dürfte die sich von Jahr zu Jahr verschärfende Krise der DDR-Wirtschaft eine wesentliche Ursache gewesen sein.

Nach der Wiedervereinigung Deutschlands 1989/1990 kam neuer Schwung – die bis dahin verfolgte Gestaltungskonzeption mit abgeschlossenem Saal in der Hallenkirche verwarf das Bauministerium des Landes. Nach mehreren Architekturwettbewerben entschieden sich ein Preisgericht und Neubrandenburgs Stadtvertreter 1996 für den Entwurf des finnischen Architekten Pekka Salminen – danach bilden der nun größere Konzertsaal und der Innenraum der Kirche eine offene Einheit.

Marienkirche Neubrandenburg. Foto: Claus-Joachim Dickow, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=3117490
Die Marienkirche Neubrandenburg. Foto: Claus-Joachim Dickow, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=3117490

2001 wurden die Bauarbeiten beendet, am 13. Juli 2001 begann die Nutzung der neuen Konzertstätte. Der Zuschauersaal umfasst 850 Plätze und hat eine sehr gute Akustik. Der Wiederaufbau der Kirche kostete 31 Millionen D-Mark, wovon die Stadt mehr als 20 Millionen D-Mark aufbrachte. Mit der Wiedereröffnung trägt das Gotteshaus auch den Namen „Konzertkirche Neubrandenburg“.

Der Sakralbau ist jetzt Stammspielstätte der Neubrandenburger Philharmonie, die dort pro Saison rund 30 Konzerte gibt. Zudem ist die Konzertkirche fester Spielort der Festspiele Mecklenburg-Vorpommern, viele international tätige Künstler und Orchester waren zu Gast. Seit einigen Jahren gibt es im Sommer das „NB JOT“ – ein Jugendorchester-Festival, zu dem junge Musiker aus Europa in Neubrandenburg zu Gast sind.

Im Jahr 2011 war die Konzertkirche einer der zentralen Veranstaltungsorte des Bundeswettbewerbes „Jugend musiziert“ in Neubrandenburg und Neustrelitz. Außerdem wurden 2011 mit einem großen Festkonzert das zehnjährige Jubiläum der Neueröffnung der Konzertkirche und das 60-jährige Bestehen der Neubrandenburger Philharmonie gefeiert.

Weitere Projekte

Seit 2003 ist im Kirchturm die Ausstellung des Neubrandenburger Regionalmuseums zur Geschichte der Backsteingotik in Neubrandenburg und Umgebung zu sehen.

Im Jahr 2007 gibt es fünf neue Bronze-Kirchenglocken mit der Stimmung h° – e′ – gis′ – a′ – h′. Für die Aktion „Fünf Glocken für Neubrandenburg“ spendeten Bürger und Unternehmen fast 220.000 Euro.

Auch wurde die Außenbalustrade des Turms für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Seit 2009 zeigt eine multimediale 360°-Projektion im Turm-Oktogon oberhalb der Glockenstube das historische Stadtbild von Neubrandenburg um 1900 und erläutert Sehenswürdigkeiten sowie historische Gebäude der Stadt.

Das Gotteshaus in der Kunst

Die Marienkirche ist ein häufiges Motiv im Werk von Caspar David Friedrich. Er fertigte vom Bauwerk mehrere Architekturstudien und nutzte Elemente des Sakralbaus für Fantasiearchitektur in seinen Bildern.
Friedrichs unvollendetes Gemälde „Das brennende Neubrandenburg“ (um 1830) in Hamburgs Kunsthalle ist das einzig erhaltene Dokument, das den ursprünglichen Entwurf für den Turm der Marienkirche aus dem Jahr 1829 zeigt: Er sollte nach dem Vorbild der Friedrichswerderschen Kirche in Berlin oben flach enden, mit durchbrochenen Geländern und Fialen. Die Bürger der Stadt protestierten dagegen und forderten einen spitzen gotischen Turmhelm – der dann realisiert wurde.

Koordinaten: 53° 33′ 20″ N, 13° 15′ 37″ O

Link: https://de.wikipedia.org/wiki/Marienkirche_(Neubrandenburg)

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