Kirchenbauwerke gehören zu vielen Ortschaften. Sie sind bekannt als Wahrzeichen, Ortsmittelpunkt oder Orientierungsmarke. Die Gotteshäuser haben architektonisch, kunsthistorisch und regionalgeschichtlich vielfältige Bedeutung. Doch ihre Zukunft ist bedroht: Dutzende von ihnen haben ihre Funktion verloren, einige sind bereits spurlos aus dem Ortsbild verschwunden. Zeit zur Erinnerung an verschwundene Kirchen in Mitteldeutschland – und was mit ihnen unwiderruflich verloren gegangen ist.

Die Erlöserkirche zu Thonberg – zur Unterscheidung von ihrer Nachfolgerin als Alte Erlöserkirche bezeichnet – war bis 1945 der evangelische Sakralbau in Leipzig-Thonberg.

Geschichte

Die Kirche wurde ab 1867 nach Plänen des Architekten Hugo Altendorff errichtet, Weihe war am 25. Juli 1869. Die Baukosten betrugen 27.000 Taler, der Kirchturm war 45 Meter hoch.
Sie war der erste von Leipzig aus für einen Vorort verwirklichte Kirchenbau des 19. Jahrhunderts, ab 1895 hieß sie „Erlöserkirche“. Im Jahr 1906 gestaltete Paul Lange den Chorteil der Kirche um. Das Gotteshaus wurde beim Luftangriff auf Leipzig am 27. Februar 1945 schwer beschädigt.

Die Kirche diente Generationen evangelischer Christen regelmäßig zur Andacht sowie zu Ostern, Pfingsten und Weihnachten als Stätte festlicher Begegnung. Sie war vertrauter, heimatlicher Treffpunkt für Taufe und Konfirmation, für Trauung, Silberne und Goldene Hochzeit und für den Heimgang hunderter Bürger. Sie war Ort der Gemeinsamkeit für Andacht und Hoffnung, für Zuversicht und Freude, für Trauer und Leid.

Abbildung der ursprünglichen Erlöserkirche zu Thonberg. Abbildung von Emil Singer aus „Beilage zu den Leipziger Nachrichten“, gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=16847578
Die ursprüngliche Erlöserkirche zu Thonberg. Abbildung von Emil Singer aus „Beilage zu den Leipziger Nachrichten“, gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=16847578

Wie wohl jede andere Kirchgemeinde mit dem gleichen Schicksal wünschten sich die Christen dort das Wiedererstehen ihres Gotteshauses am selben Ort. Es blieb ein frommer Wunsch: Das beschädigte Gotteshaus und der Kirchturm wurden im Juni 1945 gesprengt.

DDR-Zeit

Nach dem Willen der DDR-Behörden sollte der Platz, auf dem die kriegszerstörte Erlöserkirche stand, leer bleiben. Die Kirchgemeinde erhielt im Austausch ein Gelände in Thonberg, auf dem die Ruine der ebenfalls kriegszerstörten St. Georgskapelle, des einstigen Betsaals der Zwangsarbeitsanstalt zu St. Georg, stand.

Mangels eigener Kirche feierte die Gemeinde ihre Gottesdienste in der Kapelle der Salomonstiftung in der OststraĂźe. Da diese Kapelle ab 2004 nicht mehr genutzt werden konnte, traf die Kirchgemeinde im Sommer 2003 die Entscheidung, einen Architektenwettbewerb fĂĽr den langersehnten Neubau einer Kirche mit Gemeindezentrum zu starten.

Bauwerk und Gestaltung

Am 26. September 2004 entschied sich das Preisgericht fĂĽr den Entwurf der Architektengemeinschaft Ulf Zimmermann aus Dresden. Kirchweihe war am Pfingstsonntag, dem 4. Juni 2006.

Die Baukosten betrugen 930.000 Euro, der Großteil der Summe war Spendengeld. Dazu gehörte auch der Nachlass eines vermögenden Pfarrers: Dieser hatte verfügt, dass sein Geld ausschließlich für den Neubau zu verwenden sei.

Ursprünglich war nur ein Gemeindezentrum mit angegliedertem Kirchensaal mit flexibel kombinierbaren Gruppen- und Nebenräumen angestrebt. Die Architekten unter Leitung von Norbert Zimmermann nahmen zwar – aufgrund finanzieller Engpässe in der Bauzeit – Abstriche bei gestalterischen Details, Materialien und Ausstattungsstücken in Kauf.

Sie beharrten jedoch an ihrem Wettbewerbsentwurf mit klarer sakraler Gestaltung des Gebäudes und seines Kirchsaals.

Der Zentralbau mit frei stehendem, offenem Glockenstuhl ist ein zweigeschossiger Hauptbau mit flachem Seitenflügel. Der verputzte Stahlbetonbau hat ein Flachdach und große Glasflächen.

Kirchensaal und Gruppenräume lassen sich dank gläserner Faltwand und großer Türen zum Foyer öffnen – zur Raumerweiterung für größere Versammlungen. Der Kirchensaal bleibt dabei eigenständig dank seiner Höhe, dem Weiß seiner Wände und dem vom bunten Glas des Oberlichtbandes gefärbten Tageslicht.

JĂĽngere Vergangenheit und Gegenwart

Seit 2006 läuten die Kirchenglocken – sie stammen aus der einstigen Kirche von Kleinliebenau westlich von Leipzig.

Nach mehr als 60 Jahren kirchengebäudeloser Zeit hat die Kirchgemeinde seitdem an anderer Stelle in Thonberg ihr eigenes Gotteshaus mit Glockenturm.

Koordinaten der ursprünglichen Kirche: 51° 19′ 38,2″ N, 12° 24′ 5,1″ O
Aktuelle Koordinaten: 51° 19′ 26,4″ N, 12° 24′ 11,4″ O

Quellen und Links:
https://de.wikipedia.org/wiki/Alte_Erl%C3%B6serkirche_(Leipzig)
https://de.wikipedia.org/wiki/Erl%C3%B6serkirche_(Leipzig)

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