Kirchenbauwerke gehören zu vielen Ortschaften. Sie sind bekannt als Wahrzeichen, Ortsmittelpunkt oder Orientierungsmarke. Die Gotteshäuser haben architektonisch, kunsthistorisch und regionalgeschichtlich vielfältige Bedeutung.

Doch ihre Zukunft ist bedroht: Dutzende von ihnen haben ihre Funktion verloren, einige sind bereits spurlos aus dem Ortsbild verschwunden. Zeit zur Erinnerung an verschwundene Kirchen auch außerhalb von Mitteldeutschland – und was mit ihnen unwiderruflich verloren gegangen ist.

Die Bethlehemskirche– auch Böhmische Kirche genannt – war das lutherische und reformierte Gotteshaus in der Friedrichstadt in Berlins Bezirk Mitte. Die 1737 fertiggestellte Kirche wurde für böhmische protestantische Exulanten erbaut und als Simultankirche – also von zwei Kirchengemeinden – genutzt.

Exulanten sind meist protestantische Glaubensflüchtlinge, die zwischen dem 16. und 18. Jahrhundert wegen ihres religiösen Bekenntnisses ihre Heimat verlassen mussten. Die Bethlehemskirche wurde im Zweiten Weltkrieg 1943 bei einem alliierten Luftangriff schwer beschädigt und 1954 gesprengt.

Bauwerk und Geschichte

Das Kirchengebäude entstand von 1735 bis 1737 nach Plänen und unter Leitung von Friedrich Wilhelm Diterichs, es wurde am 12. Mai 1737 eingeweiht.

Bethlehemskirche Berlin 1910. Foto: Königlich Preußische Messbildanstalt, aus: „Berlin um 1900“. Berlin 2004, gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=14628265
Bethlehemskirche Berlin 1910. Foto: Königlich Preußische Messbildanstalt, aus: „Berlin um 1900“. Berlin 2004, gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php

Die Bethlehemskirche war eine Rundkirche mit 15,70 Meter Durchmesser und 36,40 Meter Höhe. Es gab 600 Sitzplätze. Die steile Holzkuppel hatte rundum acht Gauben mit Fenstern, je vier oberhalb der Kreuzarme mit Uhren und vier niedrigere zwischen den Kreuzarmen.

Die Kuppel bekrönte eine Laterne. Der westliche Kreuzarm wurde von Pilaster und Giebel als Hauptfront hervorgehoben. Die anderen Kreuzarme hatten Walmdächer.

Die Kirche hatte Eingänge im Süden und Norden. Der östliche Kreuzarm war – anders als die übrigen drei – halbkreisförmig und barg die Altarnische.

Der Kirchenbau ist typisch für die damalige Zeit – und zugleich eine verkleinerte Ausgabe der nahe gelegenen Dreifaltigkeitskirche in der Mauerstraße. Im Jahr 1753 schuf Johann Peter Migendt eine Orgel.

Der lutherische Prediger Gustav Knak ließ in der Kuppel Bildnisse der vier Evangelisten anbringen – was die reformierte Gemeinde empörte und als Verletzung des Bilderverbots kritisierte.

Zur Renovierung 1883 wurden im Chor Buntglasfenster mit Darstellungen der Anbetung der Hirten an der Krippe zu Bethlehem und der Anbetung der Weisen aus dem Morgenlande eingebaut. Die Glasfenster schuf der Glasmaler Otto Linnemann.

Kirchenname und Exulantengemeinde

Der Name des Kirchengebäudes geht auf die Bethlehemskapelle in Prag zurück – diese hatte als Predigtstätte Johannes Hus’ für die Böhmischen Brüder eine besondere Bedeutung. Die böhmischen Exulanten in Berlin fühlten sich in ihren protestantischen Traditionen den Böhmischen Brüdern verbunden.

Die Bethlehemskirche entstand für die böhmischen Exulanten, die König Friedrich Wilhelm I. ab 1732 aufnahm und denen er das Baumaterial für das Gotteshaus schenkte. Die Exulanten waren meist Weber und Spinner, sie siedelten in der Erweiterung der Berliner Friedrichstadt.

Ihre religiöse Zugehörigkeit unterschied sich geringfügig in evangelisch-lutherisch-böhmische und evangelisch-reformierte böhmische Gemeinde, die dasselbe Kirchengebäude nutzten. Predigtsprache war zunächst Tschechisch, ab 1750 wurde jeweils morgens auf Deutsch gepredigt.

Zur Zäsur kam es im März 1747: Nach einer Befragung unter den Mitgliedern spalteten sich die Exulanten in drei Kirchengemeinden: eine Herrnhuter Brüdergemeine, eine böhmisch-lutherische und eine böhmisch-reformierte. Friedrich II. ordnete daraufhin an, dass die beiden letztgenannten die Bethlehemskirche und das Gemeindehaus in der Wilhelmstraße 29 fortan gemeinsam nutzen und besitzen.

Die böhmischen Anhänger der Brüdergemeine richteten 1751 einen eigenen Betsaal in einem Haus in der Wilhelmstraße 136 ein. 1857 erbauten sie einen neuen Kirchsaal im Hof der Nr. 138, der 1944 zerstört und 1948 von einer Notkirche an selber Stelle ersetzt wurde.

Kirchliche Struktur

Die evangelisch-reformierte böhmische Gemeinde unterstand zunächst dem Reformierten Kirchendirektorium Preußen (1713–1808), die lutherische dem Lutherischen Oberkonsistorium Preußen (1750–1808).

Im Jahr 1808 wurden beide Kirchenverwaltungen aufgelöst, deren Kirchenangelegenheiten regelte nun die neue Kultusabteilung im Preußischen Innenministerium. 1817 gründete sich die Unierte Evangelische Kirche in den Königlich-Preußischen Landen.

Memoria Urbana Berlin. Foto: Elena Weisz, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Memoria_Urbana_Berlin.jpg
Memoria Urbana Berlin. Foto: Elena Weisz, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Memoria_Urbana_Berlin.jpg

Beide Gemeinden der Bethlehemskirche schlossen sich dieser unierten Kirche an. Zugleich bewahrten sie ihre konfessionelle Eigenständigkeit als zwei Personalgemeinden – zuletzt innerhalb der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz mit ihren lutherischen, reformierten und unierten Kirchengemeinden.

Zweiter Weltkrieg und die Zeit danach

Am 24. November 1943 wurde die Bethlehemskirche beim alliierten Luftangriff stark beschädigt. Sie wurde 1954 gesprengt. Die nach dem Mauerbau in Ost-Berlin lebenden Angehörigen der Brüdergemeine nutzten Räume in der Kalkscheunenstraße, die dortigen Mitglieder der böhmisch-reformierten Gemeinde schlossen sich der Köpenicker Schlosskirchengemeinde an.

In West-Berlin fusionierten die beiden böhmisch-lutherischen Gemeinden, während die böhmisch-reformierte ihren Betsaal in der Richardstraße bis April 1950 wiederherstellte.

Auch die Brüdergemeinen in Kreuzberg und Neukölln fusionierten nach 1960 und errichteten 1961 bis 1962 einen neuen Betsaal in Rixdorf. So verlagerte sich das Gemeindeleben aller drei Gemeinden nach Rixdorf in Berlin-Neukölln. Die böhmisch-lutherische Gemeinde Rixdorf ist 2005 mit drei benachbarten lutherischen Gemeinden zur Evangelischen Kirchengemeinde Rixdorf verschmolzen.

Standort und Erinnerung

Die Bethlehemskirche stand an der Einmündung der Krausenstraße in die Mauerstraße – dieser Platz hieß im 18. Jahrhundert Hammelmarkt. Seit 1999 heißt die bis dahin offiziell namenlose Kreuzung in Erinnerung an die Bethlehemskirche Bethlehemkirchplatz (ohne Mittel-„s“).
Am einstigen Standort auf dem Bethlehemkirchplatz ist der Grundriss der Kirche im Straßenpflaster mit verschiedenfarbigen Steinen verankert.

Houseball. Foto: Андрей Бобровский, CC BY 3.0, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Berlin_-_panoramio_(99).jpg
Houseball. Foto: Андрей Бобровский, CC BY 3.0, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Berlin_-_panoramio_(99).jpg

Auch erinnert die Skulptur „Houseball“ von Claes Oldenburg und Coosje van Bruggen an die Kirche und ihre Gemeindeglieder. Sie symbolisiert ein Bündel Hausrat: Es war wenig, was die Flüchtlinge aus Böhmen bei ihrer Vertreibung mitnehmen konnten.

2012 schuf der spanische Konzeptkünstler Juan Garaizabal mit der Stahlskulptur „Memoria Urbana Berlin“ die metallene Umriss-Nachbildung des Gotteshauses als maßstabsgetreue Installation.

Koordinaten: 52° 30′ 33″ N, 13° 23′ 19,6″ O

Quellen und Links:
https://de.wikipedia.org/wiki/Bethlehemskirche_(Berlin-Mitte)
https://de.wikipedia.org/wiki/Bethlehemkirchplatz

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