Kirchenbauwerke gehören zu vielen Ortschaften. Sie sind bekannt als Wahrzeichen, Ortsmittelpunkt oder Orientierungsmarke. Die Gotteshäuser haben architektonisch, kunsthistorisch und regionalgeschichtlich vielfältige Bedeutung. Doch ihre Zukunft ist bedroht: Dutzende von ihnen haben ihre Funktion verloren, einige sind bereits spurlos aus dem Ortsbild verschwunden. Zeit zur Erinnerung an verschwundene Kirchen auch außerhalb von Mitteldeutschland – und was mit ihnen unwiderruflich verloren gegangen ist.

Die Christuskirche Rostock war die katholische Kirche am Schröderplatz in der Innenstadt. Sie wurde 1909 geweiht – und 1971 gesprengt, aus vorgeblich stadtplanerischen Gründen. Denselben Namen trägt das Gotteshaus, welches als Ersatz an dezentraler Stelle gebaut wurde.

Geschichte

Die Kirche entstand am Schröderplatz nach Plänen des Architekten Gotthilf Ludwig Möckel im neogotischen Stil, Bischof Hubertus Voß weihte sie am 24. Oktober 1909. Das Kirchengebäude hatte ursprünglich einen 68 Meter hohen Kirchturm – es war damit das größte katholische Gotteshaus in Mecklenburg.

Bei US-amerikanischen Bombenangriffen am 11. April 1944 wurden Rostock und die Kirche schwer beschädigt. Dabei kamen im Gotteshaus acht Menschen, darunter Priester und Ordensfrauen, ums Leben. Die Kirche wurde zügig wieder aufgebaut, der Turm mit einem Notdach wetterfest gemacht. Die Glocken blieben unversehrt.
Das Gotteshaus diente Generationen von Christen regelmäßig zur Andacht sowie zu Ostern, Pfingsten und Weihnachten als Stätte festlicher Begegnung.

Sie war vertrauter, heimatlicher Treffpunkt für Taufe und Erstkommunion, für Trauung, Silberne und Goldene Hochzeit und für den Heimgang hunderter Katholiken. Sie war Ort der Gemeinsamkeit für Andacht und Hoffnung, für Zuversicht und Freude, für Trauer und Leid. Ziele waren daher selbstverständlich der Wiederaufbau und die Weiternutzung des Gotteshauses.

1947 schuf Irma Lang-Scheer in der Christuskirche an der spitzbogigen Triumphbogenwand das beeindruckende Fresko „Das Jüngste Gericht“, später noch den Kreuzweg. Am 15. Mai 1949 weihte Erzbischof Wilhelm Berning aus Osnabrück die Kirche neu.

DDR-Zeit

Doch die Zukunft des Gotteshauses war damit dennoch nicht dauerhaft gesichert: Denn der Sakralbau war einer Ende der 1960er Jahre geplanten Magistrale, die Gehlsdorf mit Rostocks Südstadt verbinden sollte, angeblich im Wege – und sollte deswegen staatlicherseits weg. Das SED-gesteuerte Rathaus setzte seinen Willen mit Macht durch: So wurden die Christuskirche, das Pfarrhaus, das Wohn- und Bürohaus und die sogenannte Notkirche mit Gemeindesaal am 12. August 1971 gesprengt.

Die fragliche Kirche mit Notdach auf dem Kirchturm 1953 – kriegsbedingt ohne ihre überragende Spitze. Foto: Bundesarchiv, Bild 183-20674-0062, CC BY-SA 3.0 de, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=5349019
Die Kirche mit Notdach auf dem Kirchturm 1953 – kriegsbedingt ohne ihre überragende Spitze. Foto: Bundesarchiv, Bild 183-20674-0062, CC BY-SA 3.0 de, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=5349019

Jedoch – die großen Verkehrspläne, denen die Christuskirche geopfert wurde, wurden nur teilweise verwirklicht. Tatsächlich blieb der Standort der Kirche mehr als 40 Jahre bis 2012 unbebaut. Das legt die Vermutung nahe, dass andere Gründe für die Sprengung und Beseitigung der katholischen Kirche entscheidend waren.

Abgetrotzt: Ersatzbau – an anderer Stelle

Nach langen Verhandlungen zwischen der katholischen Kirche und dem Rat der Stadt Rostock wurde staatlicherseits ein Ersatzbau zugesagt – jedoch an anderer, weniger sichtbarer Stelle. Dieser sakrale Neubau entstand in einer Nebenstraße (Borenweg – Häktweg) südwestlich der Innenstadt, errichtet vom Baukombinat Rostock in neunmonatiger Bauzeit. Auch musste – abweichend vom allgemein üblichen Verursacher- und Schadenersatz-Prinzip – die katholische Kirche als Organisation einen Teil der Kosten tragen.

Die neue Christuskirche ist eine Hyparschalen-Konstruktion von Ulrich Müther. Am 16. September 1970 war die Grundsteinlegung, am 12. Juni 1971 die Kirchweihe mit Bischof Heinrich Theissing. An die Kirche schließt sich ein kreuzgangartiger Komplex von Gemeinderäumen an, die zum Innenhof mit Glaskunst bereichert sind. Das Ensemble steht unter Denkmalschutz.

Ihre Bronze-Kirchenglocken schuf damals die Glockengießerei Otto aus Hemelingen/Bremen. Zwei Glocken aus der ersten Kirche aus dem Jahr 1925 hängen in einem Beton-Glockenträger neben der neuen Christuskirche.

Jüngere Vergangenheit

Seit Mitte 2012 steht auf dem ehemaligen Standort der ursprünglichen Kirche ein Hotel. Zuvor waren die Fundamente der Kirche freigelegt und dokumentiert worden.

Seit 22. Oktober 2009 gibt es in direkter Nähe des alten Kirchenstandortes ein Mahnmal. Es erinnert an die katholische Christuskirche zu Rostock – und an ihre Sprengung am 12. August 1971.

Koordinaten: 54° 5′ 14″ N, 12° 7′ 37″ O

Quellen und Links:
https://de.wikipedia.org/wiki/Christuskirche_(Rostock)
https://christuskirche-rostock.de/index.php
https://www.myheimat.de/rostock/c-gedanken/gegen-das-vergessen-die-zerstoerung-der-rostocker-christuskirche-im-jahr-1971_a1708026

Empfohlen auf LZ

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Redaktion über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar