Ohne Frauen geht die ganze Chose nicht. Ging sie nie. Aber wenn es um Geschichtsschreibung ging, dominierten immer die Männer. Tun sie bis heute. Die ganze Anhimmelei von Eisernen Kanzlern, Feldherren und Kaisern ist eine verkappte Macho-Sause. Höchste Zeit, den Stall mal zu entrümpeln und noch deutlicher zu zeigen, welche Rolle Frauen immer gespielt haben in der Geschichte. Nur halt nicht als Kriegstreiberinnen, sondern oft genug als unverzichtbare Musen. Wie in der Bach-Zeit.

Darum kümmert sich ab Freitag, 8. Mai, eine kleine feine Ausstellung im Bach-Museum. Da geht es mal um Frauen im Kultur- und Wirtschaftsleben des barocken Leipzig. Anlässlich des Stadtjubiläums “1.000 Jahre Leipzig” beleuchtet das Bach-Museum ab dem 8. Mai die Lebens- und Wirkungsbereiche ausgewählter Leipzigerinnen im Rahmen der Kabinettausstellung “Frauen der Bach-Zeit”. Denn ohne Frauen ging auch bei Bach nichts – sie versorgten nicht nur seinen quirligen Haushalt. Sie prägten auch das Kulturleben der Stadt – stärker als heutzutage.

Neben den Dichterinnen Christiane Mariane von Ziegler (1695–1760) und Luise Adelgunde Victorie Gottsched (1713–1762) sowie der Theaterprinzipalin Friederica Carolina Neuber (1697–1760) werden auch Leipziger Stifterinnen, Geschäfts- und Kantorenfrauen, darunter Anna Magdalena Bach (1701–1760), aber auch ledige Mütter und deren Schicksale vorgestellt. Die Ausstellung wird vom Packard Humanities Institute, Los Altos, Kalifornien und von Dr. Arend Oetker, Berlin, gefördert und läuft bis zum 11. Oktober 2015.

Vorsichtig schränkt das einladende Bach-Museum ein: “Im Rechtssystem und im gesellschaftlichen Leben des 18. Jahrhunderts spielten die Frauen bekanntermaßen eine untergeordnete Rolle. Sie waren weitgehend auf den häuslichen Bereich beschränkt, während gesellschaftliche Funktionen, Wissenschaft und Kultur den Männern vorbehalten blieben.”

Rechtlich ja. Aber der Hochbarock in Leipzig ist nun einmal auch die Zeit der Aufklärung. Und die brachte nicht nur Männer dazu, sich über eine bessere Welt Gedanken zu machen. Die holte auch gerade die klugen und selbstbewussten Frauen aus ihren Nischen. Sie gründeten Salons. Und manchmal zwangen sie die Herren an ihrer Seite, sie auch konsequent als ebenbürtige Partnerin zu akzeptieren. Bestes Beispiel: die Gottschedin.

Da konnte auch kein muffiges altes Recht etwas dran ändern.

So gab es nicht nur adelige Poetinnen, sondern zunehmend auch Dichterinnen aus dem Bürgertum. Als Töchter und Ehefrauen von Gelehrten oder Bildungsbürgern erhielten sie ihre Ausbildung zumeist über Privatlehrer. Dem überwiegenden Teil der Frauen blieben diese privilegierten Bildungsmöglichkeiten allerdings versagt.

Anlässlich des Stadtjubiläums “1.000 Jahre Leipzig” nimmt das Bach-Museum ausgewählte Frauen in den Blick, die zur Zeit Bachs in Leipzig lebten. Beleuchtet werden Wirkungs- sowie Lebensbereiche berühmter Dichterinnen und Künstlerinnen, die Erfolg und Ruhm ebenso wie Behinderungen und Schmähungen erlebten. Vorgestellt werden außerdem bürgerliche Stifterinnen, Kantorenfrauen, unverheiratete Mütter und Geschäftsfrauen.

Maria Hübner, Kuratorin der Ausstellung: “Es zeigt sich, dass im barocken Leipzig viele Frauen eine wichtige Rolle im Kultur- und Wirtschaftsleben spielten. Die Stadt des Handels, der Künste und der Frühaufklärung bot hierfür einen guten Nährboden.”

Zu den bekanntesten Künstlerinnen des Barock zählt Christiane Mariane von Ziegler, geb. Romanus (1695–1760).  Ihr Vater war jener berühmte Conrad Romanus, den August der Starke auf dem Königsstein einsperren ließ, der in Leipzig aber so wichtige Neuerungen wie Stadtbeleuchtung und Sänftenträger auf die Beine brachte.

Die “Zieglerin” war in ihrer Zeit ein Phänomen: sie zählte zu den berühmtesten Dichterinnen des 18. Jahrhunderts, verfügte über ausgezeichnete Kenntnisse in Philosophie, Musik sowie Fremdsprachen und führte einen literarisch-musikalischen Salon. Auch die Dichterin und Übersetzerin Luise Adelgunde Victorie Gottsched, geb. Kulmus (1713–1762), deren Wirken mit dem literarischen Schaffen ihres berühmten Ehemannes Johann Christoph Gottsched vergleichbar ist, wird im Rahmen der Ausstellung gewürdigt.  Erzählt wird zudem das bewegte Leben der “Neuberin”: Friederica Carolina Neuber, geb. Weißenborn (1697–1760), der bedeutenden Schauspielerin und Reformerin des Theaters.

Auch unbekanntere Frauen werden in der Ausstellung bedacht: beispielsweise unverheiratete Mütter in ihren schwierigen Lebensverhältnissen oder Witwen, die mit großzügigen Stiftungen öffentliche Einrichtungen und Bedürftige unterstützten. Nicht fehlen dürfen darüber hinaus Bachs Frau Anna Magdalena (1701–1760), die als ausgebildete Sängerin wesentlichen Anteil an der musikalischen Unterweisung ihrer Kinder hatte und sich an der verantwortungsvollen Aufgabe des Notenkopierens beteiligte, sowie weitere Leipziger Kantorenfrauen wie beispielsweise die langjährige Schulspeiserin der Thomasschule Maria Elisabeth Schelle (1654–1730).

Zu den aussagekräftigen Ausstellungsstücken, die Aufschluss über das bewegte Leben der Leipzigerinnen zur Bach-Zeit geben, zählen eine Komposition Luise Adelgunde Victorie Gottscheds, ein Spottgedicht Christiane Mariane von Zieglers auf das männliche Geschlecht, Dokumente über Schmähungen gegen sie oder die einzige zeitgenössische Darstellung Friederica Carolina Neubers.

Die Kabinettausstellung “Frauen der Bach-Zeit” ist vom 8. Mai bis 11. Oktober 2015 im Bach-Museum zu sehen. Die Ausstellungseröffnung mit Musik ist am Donnerstag, 7. Mai, 18 Uhr.

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